Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Winfried Hermann fordert die „Verkehrswende“
Der baden-württembergische Verkehrsminister spricht über die künftige Mobilität auch auf dem Land
SIGMARINGEN - Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) hat in Sigmaringen zum Thema „Mobilität – ein wichtiger Aspekt von Lebensqualität und Wirtschaftskraft im Landkreis Sigmaringen“gesprochen. Kern seiner Ausführungen war, dass eine „Verkehrswende“dringend geboten sei, die auch den Verkehr nachhaltig mache, und sich die Bürger auf veränderte Formen der Mobilität einstellen sollten. Das Jedermann allein in einem Auto unterwegs sei, könne nicht die Zukunft sein.
Zuvor hatte sich Hermann mit 13 Bürgermeistern aus dem Kreisgebiet getroffen und sich deren Anliegen angehört. Die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden begrüßte den Minister und riss einige der regionalen Verkehrsthemen wie Regiobus, B 311, Radwege oder die Zuganbindung nach Stuttgart an. „Nachhaltige Mobilität muss im Kopf beginnen“, sagte Hermann, die „Verkehrswende“sei ein gesamtgesellschaftlicher Prozess.
„Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Gebiet der Verkehrsgestaltung nichts erreicht, wir machen weiter wie vor 25 Jahren“, sagte Hermann, dabei gelte es angesichts des Bevölkerungswachstums und des Klimawandels dringend gegenzusteuern. „Wir ruinieren effizient den Planeten“, sagte er. Man könne die Zukunft nicht mit einer Technik gestalten, die im Prinzip noch auf dem 19. Jahrhundert beruhe. Er stellte sein Konzept der fünf Vs vor: verbessern, verlagern, vermeiden, vernetzen und Vorbildfunktion (der öffentlichen Hand).
Die Verkehrspolitik müsse sich dabei auch mit dem ländlichen Raum befassen, in dem gesicherte Mobilität ja ganz andere Anforderungen stelle, als in Ballungsräumen. Dabei nahm der Aspekt der Vernetzung besonderen Raum in seinen Ausführungen ein. Es gehe auch nicht darum, das Auto zu verbieten, sondern um die Möglichkeit, mit verschiedenen Verkehrsmitteln wie Bus, Bahn oder Fahrrad ans Ziel zu kommen und damit den Individualverkehr zu reduzieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die E-Mobilität.
Dabei gelte es auch, endlich den Vorsatz, mehr Güter auf die Bahn zu bringen, auch wirklich umzusetzen. Hermann übte Kritik an der Deutschen Bahn, deren Technik teilweise „abenteuerlich gestrig“sei. So würden zum Beispiel auf nicht elektrifizierten Strecken im Neckartal elektrische Güterzüge von Dieselloks gezogen. Wenn die Bahn nicht grundlegend modernisiert werde, könne die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene nicht gelingen. Er forderte daher von der nächsten Bundesregierung ein Gesamtkonzept für den Gütertransport.
Bei den Fragen aus dem Publikum ging es vor allem um den ÖPNV und den Straßenbau. Der Bau und die Sanierung von Straßen gehe schleppend voran, weil es an Straßebauingenieuren und Baufirmen mangele, erklärte Hermann. „Im ganzen Verkehrsbereich geht alles zu langsam, außer dass zu schnell gefahren wird“, sagte Hermann und auch im Hinblick auf die B 311 dürfe man nicht mit einer zügigen Umsetzung rechnen, da zu viele widerstreitende Interessen und bürokratische Hürden zu überwinden seien.
Die bescheidenen Dienstleistungen der Bahn kämen dadurch zustande, dass seinerzeit die Mappus-Regierung einen langfristigen, für das Land unvorteilhaften Vertrag mit der DB geschlossen habe, der es unter anderem der Bahn ermöglicht habe, ihr ganzes altes Material in BadenWürttemberg einzusetzen. Erst seit es wieder die Möglichkeit gebe, Strecken neu auszuschreiben, könne man hier Druck machen. Eine durchgängige Elektrifizierung der Bahnstrecke bis Stuttgart werde es bis auf Weiteres nicht geben. Es gebe aber Chancen, die Ablachtalbahn zu reaktivieren.