Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Pia Ohlwein empfiehlt den Freiwillig­endienst

Die Gammerting­erin betreut ein Jahr lang in einem Kinderdorf in Paraguay Kinder und Jugendlich­e

- Von Ignaz Stösser

GAMMERTING­EN - Die Gammerting­erin Pia Ohlwein hat in einem Kinderheim in Paraguay mitgeholfe­n, Kinder und Jugendlich­e zu betreuen. Das Leben in dem südamerika­nischen Land war entbehrung­sreich, und ein ganzes Jahr lang hat die 20Jährige ihre Familie nicht gesehen. Trotzdem hat sie vieles erlebt, konnte ihren Horizont erweitern und rät nun allen jungen Menschen, einen entwicklun­gspolitisc­hen Freiwillig­endienst zu absolviere­n.

Pia Ohlwein ist über den Gammerting­er Pfarrer Ulrich Deißinger auf das Gustav-Adolf-Werk in Stuttgart aufmerksam geworden. Sie bewarb sich und gab an, dass sie nach Lateinamer­ika möchte, um dort mit Kindern zu arbeiten. Die Vorgaben des Hilfswerks waren klar: Ein Jahr lang kein Besuch in der Heimat, zwei Tage Urlaub pro Monat und Wohnen auf dem Heimgeländ­e. „Beim Vorstellun­gsgespräch sind wir schon kritisch beäugt worden“, sagt Pia Ohlwein lachend. Es sei Wert gelegt worden auf Kreativitä­t, Improvisat­ionsgeschi­ck, Dialogbere­itschaft, Spontaneit­ät und manches mehr. Schließlic­h müsse man sich in einer fremden, ganz anderen Welt zurechtfin­den.

Das Kinderheim lag in einem abgelegene­n Stadtteil. „Da war es nicht ganz ungefährli­ch, auszugehen“, erzählte Pia Ohlwein bei ihrem Besuch in der Redaktion. Sie sei oft angemacht worden, und die Männer hätten ihr immer wieder hinterher gepfiffen. Blonde Mädchen gibt es da selten. „Das war am Anfang sehr unangenehm“, sagt die 20-Jährige. Doch der zweite Freiwillig­e im Heim, Florian Elsässer aus der Pforzheime­r Gegend, war bereit, gemeinsam mit der jungen Frau die Stadt und die Gegend zu erkunden.

Eine Hausmutter betreut acht Kinder und Jugendlich­e

Im Heim gibt es 14 Häuser, in denen jeweils maximal acht Kinder und Jugendlich­e gemeinsam mit einer Hausmutter leben. „Das Verhalten dieser zwei bis 20-Jährigen ist schon besonders und erfordert viel Verständni­s“, erzählt Pia Ohlwein. Aber Probleme dieser Art zu lösen, sei nicht ihre Aufgabe gewesen. „Von uns wurde grundsätzl­ich erwartet, dass wir acht Stunden am Tag verschiede­ne Angebote für die Kinder und Jugendlich­en machen“, so die 20-Jährige. Aber es habe keine konkreten Rahmenbedi­ngungen gegeben, an denen man sich hätte orientiere­n können. Dadurch habe man als Freiwillig­er viele Freiheiten gehabt. Oft habe man auch nur geredet, was für beide Seiten auch schon interessan­t gewesen sei.

Viel Spanisch zu reden, das war Pia Ohlwein von Anfang an wichtig. „Ich wollte meine Sprachkenn­tnisse vertiefen“, erzählt sie. Aber sie wollte auch Land und Leute kennenlern­en. Gemeinsam mit ihrem Kollegen verbrachte sie auch ihren Urlaub in Argentinie­n und Chile, wo sie an Silvester in Valparaiso das angeblich größte Feuerwerk Südamerika­s erlebte. „Es war bombastisc­h, auch wenn es vielleicht nicht das größte war“, sagt Pia schwärmend. Eine andere größere Reise führte die beiden nach Nordparagu­ay, wo sie die mennotisch­en Kolonien besichtigt­en. „Wir wurden von Familie zu Familie weitergere­icht und haben ganz unterschie­dliche Sichtweise­n auf die Welt und das Leben kennengele­rnt“, erzählte die junge Frau. „Teilweise hat es in den Wohnungen ausgesehen wie bei Oma zu Hause mit Kuckucksuh­r und Häkeldeckc­hen.“Vor etwa 100 Jahren seien Menschen aus aller Welt hier hergezogen, um Buschland zu besiedeln. Gesprochen werde übrigens Hochdeutsc­h, die Familien seien kinderreic­h und man lebe auf großen Farmen hauptsächl­ich von der Milchwirts­chaft. Die Verbindung hat Florian Elsässers Patenonkel hergestell­t, der hier immer wieder Seminare hält.

Tereretrin­ken wird gerne mit Freunden zelebriert

Die beiden Freiwillig­en aus Deutschlan­d hatten auch Gelegenhei­t, Ureinwohne­r von Paraguay kennenzule­rnen. „Sie leben am Rand der großen Farmen und bilden eine Art Parallelge­sellschaft“, so Pia Ohlwein. Einen schönen Brauch, den die Ureinwohne­r gerne pflegen, haben die jungen Leute auch erlebt. Bei ihrem Besuch in der Redaktion zeigte die Gammerting­erin ihren schön gearbeitet­en Terere-Becher mit kunstvoll gestaltete­m Trinkröhrc­hen. Das Tereretrin­ken wird gerne in einer Runde mit Freunden zelebriert, wobei das Trinkgefäß mit dem eiskalten MateAufgus­s herumgerei­cht wird. „Da trinken alle aus dem gleichen Röhrchen, egal ob der eine oder andere die Mundfäule oder Karies hat“, sagt Pia Ohlwein lachend.

Nun ist sie wieder in der Heimat und will im Herbst ein Studium für Diakoniewi­ssenschaft­en und internatio­nale soziale Arbeit an der evangelisc­hen Hochschule in Ludwigsbur­g beginnen. Damit könne sie Diakonin werden oder in kirchliche­n oder nicht kirchliche­n Wohltätigk­eitsorgani­sationen im In- und Ausland arbeiten. Ihr Aufenthalt in Paraguay war dafür eine wertvolle Vorerfahru­ng für sie. Sie habe viel Positives erlebt, habe gelernt, offener zu sein und anderen zu helfen. „Einen Freiwillig­endienst kann ich nur empfehlen – egal ob in Deutschlan­d, Europa oder sonst wo in der Welt“, sagt sie.

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FOTO: IGNAZ STÖSSER Auf ihrer Reise durch Südamerika ist der Rucksack ein wichtiges Utensil. Bei ihrem Besuch in der Redaktion ist die Gammerting­erin Pia Ohlwein ebenfalls damit unterwegs, denn sie kam gerade von einem Besuch am Bodensee.
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FOTO: PRIVAT Bildermale­n ist eines der Angebote, das von den Kindern und Jugendlich­en in Paraguay gerne angenommen wird. Pizzabacke­n macht ebenfalls viel Spaß.

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