Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Einbürgerungen: Brexit wirkt sich aus
Im ersten Halbjahr 2017 haben fünf Briten im Kreis Tuttlingen den deutschen Pass beantragt
TUTTLINGEN - Die Zahl der Einbürgerungen von Ausländern steigt im Landkreis Tuttlingen stetig an. Seit Jahren sind Türken dabei zahlenmäßig am stärksten vertreten, unabhängig vom Putschversuch und den darauf folgenden politischen Unruhen, sagt Carolin Buck, Leiterin des Kreisordnungsamtes Tuttlingen. Politik spielt aber dennoch eine Rolle: So haben sich allein in diesem Jahr bereits fünf Briten einbürgern lassen – als Folge des Brexit.
In den Vorjahren war ihre Zahl noch verschwindend gering: Im ganzen Jahr 2016 gab es nur eine Einbürgerung eines britischen Mitbürgers. Ohnehin sind im Kreis Tuttlingen lediglich 51 Briten wohnhaft. Der Vorteil, eine Einbürgerung jetzt (noch) anzugehen, liegt auf der Hand: Bei Bürgern aus EU-Ländern und der Schweiz gilt die Mehrstaatlichkeit, das heißt, der Pass des Heimatlandes kann neben dem deutschen geführt werden (siehe Endnote). Diese Regelung greift auch nach einem besiegelten Ausstieg Großbritanniens aus der EU, denn der Zeitpunkt der Einbürgerung ist entscheidend, erklärt Buck. Und noch ist Großbritannien ja EU-Mitglied.
Zurück zu nackten Zahlen: 2016 haben sich 181 Menschen im Landkreis einbürgern lassen. Ein Drittel davon (64) lebte zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre und länger in der Bundesrepublik. Im Jahr davor entschieden sich 220 Menschen dazu, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, mit 249 Menschen lag die Zahl 2014 noch höher. Warum waren es dann zuletzt vergleichsweise so wenig? Nun – die Verfahren zur Einbürgerung dauern lange, im Schnitt drei Monate. Und die zuständige Sachbearbeiterin, so erklärt Carolin Buck, sei im vergangenen Jahr für längere Zeit ausgefallen. Dafür haben bereits im ersten Halbjahr 2017 131 Einbürgerungen stattgefunden.
Mit einer Quote von 6,4 Prozent, bezogen auf die Zahl der Ausländer, liegt der Kreis Tuttlingen über dem Schnitt in Baden-Württemberg (6,1 Prozent).
255 Euro an Gebühren fallen an
Die größte Hürde für eine Einbürgerung liegt weder im Zusammensuchen der Dokumente, noch in den Kosten (255 Euro). Nein – auch der verlangte Einbürgerungstest schreckt kaum einen ab. „Die größte Hürde ist die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft“, weiß Buck bezogen auf die Gruppe der Nicht-EUBürger. Das stellt einerseits für viele Menschen einen großen, inneren Konflikt dar, bringt aber auch je nach Heimatland ein aufwändiges Verfahren mit sich. „Entlassungen aus bisheriger Staatsangehörigkeit können lange dauern“, sagt die Amtsleiterin. Sie kennt etliche Familien mit Migrationshintergrund, die diesen Schritt nicht gehen – aber die deutsche Staatsbürgerschaft für ihre Kinder beantragen. Diese Zahl wachse auffallend stark an. Kinder ausländischer Eltern oder mit einem deutschen und einem ausländischen Elternteil, die in der BRD leben, haben ab der Geburt automatisch beide Staatsangehörigkeiten inne: die deutsche und die ausländische.
Um Deutscher zu werden, gilt es, bestimmte Hürden zu überwinden. Voraussetzung ist, mindestens acht Jahre legal in Deutschland zu wohnen, zudem muss der Antragssteller seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften. Verlangt wird ein Bekenntnis zum Grundgesetz, dafür wird in Anwesenheit eines Beamten ein entsprechendes Formular unterschrieben. Der Sachbearbeiter fragt auch mündlich nach, ob das Gelesene verstanden wurde. Buck: „Damit jeder weiß, auf was er sich einlässt.“Ein weiteres Kriterium ist, dass keine Vorstrafen vorliegen. Mündliche und schriftliche Kenntnisse der deutschen Sprache müssen dargelegt werden (siehe Infokasten).
Neben den Türken (31 Menschen) stellten Rumänen mit 19 Einbürgerungen im vergangenen Jahr die größte Gruppe dar. „Das ist eine logische Folge des EU-Beitritts“, erklärt Buck. 13 Kroaten, zwölf Kosovaren, elf Italiener und zehn Polen ließen sich im Landkreis einbürgern. Mit in der Summe von 125 Menschen machte die Gruppe der Europäer den Löwenanteil aus, gefolgt von Asien (33 Menschen), Afrika (21) und Amerika (2). Australien – no points!