Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Catania“soll im Hintergrund die Fäden ziehen
Handy-Verbindungen zeigen im Hechinger Mordprozess interessante Verstrickungen auf
HECHINGEN (sz) - Catania ist die zweitgrößte Stadt von Sizilien, der Insel, auf der die drei italienischen Angeklagten im Hechinger Mordprozess den Großteil ihres Lebens verbracht haben. „Catania“ist aber auch der Deckname, unter dem der älteste der drei Angeklagten, der mittlerweile 37-jährige Obst- und Olivenhändler aus Hechingen, in der lokalen Drogenszene operiert hat.
Und dass „Catania“vielleicht eine größere Rolle beim Tötungsdelikt an der Hechinger Staig gespielt hat als bisher angenommen, ergab am etwas zähen und langwierigen elften Verhandlungstag die Auswertung der Handy-Verbindungsdaten der Beteiligten und anderer digitaler Spuren. So förderte die ungemein akribische Puzzle-Arbeit der Ermittler zu Tage, dass nahezu alle Telefonanrufe, die am Abend des 1. Dezember 2016 in der Stunde nach dem Todesschuss geführt wurden, an den 37-Jährigen gingen. Sowohl die beiden jüngeren Hauptangeklagten, die im Fiat Punto, dem Tatfahrzeug saßen, als auch der mutmaßliche kroatische Drogenhändler aus der Clique von Umut K., mit dem die Italiener im Streit lagen, wählten kurz nach der Tat die Nummer von „Catania“. Dies untermauert die von früher vernommenen Zeugen geäußerte These, dass der Olivenhändler „die höhergestellte Person“im Trio der italienischen Angeklagten ist.
SMS-Texte und Whats- AppNachrichten, die verlesen wurden, dürfen als weitere Indizien für die Bestimmerrolle des Hechingers gelten. Am 21. November vergangenen Jahres, als sich der Streit um eine offene Drogenrechnung zwischen den Angeklagten und Umut K.s Clique zuspitzte, als die jungen Italiener – offenbar blutige Anfänger im Drogengeschäft – immer vergeblicher um ihre 5000 Euro flehten, schaltete sich „Catania“in die Kommunikation ein. Doch Umuts Freunde blieben auf Tauchstation, verweigerten die Zahlung, bis es zehn Tage später zu jenem fatalen Aufeinandertreffen an der Staig kam, das der junge Bisinger mutmaßlich wegen einer tragischen Verwechslung oder wegen eines Fehlschusses nicht überlebte.
Zugang zum „Bunker“
Tragik hin, Verwechslung her: Die Datenflut, die den Verfahrensbeteiligten und dem 30-köpfigen Publikum an diesem Mittwoch präsentiert wurde, beinhaltete weitere Indizien dafür, dass auch Umut K. zumindest als Randfigur in die Drogengeschäfte seiner Clique verstrickt war.
Es wurden Textnachrichten und Dialoge als Beweismaterial verlesen, die belegen, dass der 22-Jährige Zugang zum „Bunker“hatte, in der seine Clique die mysteriöse Sporttasche mit Drogen und Schusswaffen aufbewahrte. Außerdem wagte der Kripo-Beamte, der die Daten ausgewertet hatte, die Interpretation, dass Umut K. mit seinem kroatischen Kumpel über einen Rauschgifthandel gechattet hat.
Wenig schmeichelhaft für Umut K. und seine Freunde sind auch die Fotos, die sich das Gericht zeigen ließ. Sie zeigen, wie der Kroate, der Italiener und der junge Kurde in einem Zimmer im „Falken“mit Drogen und Waffen posieren und Geldscheine auf sich herabregnen lassen. Oberstaatsanwalt Beiter sprach in diesem Zusammenhang von „Waffenfanatikern“– wobei Nebenklägervertreter Harald Stehr darauf bestand, dass Umut K. nur auf einem einzigen Bild mit einer Waffe zu sehen sei. Selbstredend verging auch der elfte Verhandlungstag nicht, ohne dass das Gericht eine Antwort auf die Frage aller Fragen suchte: Welcher der beiden jungen Italiener hat denn nun den tödlichen Schuss aus dem Auto abgefeuert? Hier werden die Karten des 22-jährigen Beifahrers von mal zu mal schlechter.
Auch der diesmal stundenlang vernommene Sachbearbeiter von der Rottweiler Kripo schilderte, dass der einzige Augenzeuge des Schusses – eben Umut K.s italienischer Kumpel – den 22-Jährigen bei der Vorlage von sogenannten Wahllichtbildern auf dem Polizeirevier klar als „der Schütze“identifiziert habe. Rechtsanwalt Rüdiger Kaulmann, der Verteidiger des mutmaßlichen Schützen, beharrte freilich drauf, dass der Augenzeuge laut seiner eigenen Aussage direkt bei der Schussabgabe niemanden erkannt haben wollte. Kaulmann sprach von einem „Rückschluss“des Zeugen, etwa so: „Der Schuss kam aus dem Beifahrerfenster, also hat der Beifahrer geschossen.“Nach wie vor ist also auch der Fahrer nicht aus dem Schneider.