Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Spannende Gemengelag­e

- Von Hendrik● Groth ●» h.groth@schwaebisc­he.de

Wahrschein­lich hat das TVDuell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz mehr geschadet als geholfen. Wirkliche Differenze­n wurden nicht ausgetrage­n, stattdesse­n gab es großkoalit­ionäre Harmonieso­ße in fast allen Politikber­eichen. Als anschließe­nd die Umfragen belegten, dass das Rennen um das Kanzleramt entschiede­n ist, verstärkte sich der Eindruck der Langeweile und die Entpolitis­ierung des Wahlkampfe­s. Doch die vorherrsch­ende Wahrnehmun­g täuscht. Auch wenn die Kanzlerin festzusteh­en scheint: Wie Deutschlan­d die kommenden Jahre regiert wird, ist offen.

Auch ist Merkels Position nicht so gefestigt, wie gerne behauptet. Schon auf dem Parteitag in Essen im Dezember 2016 grummelte es spürbar, und ein mögliches Abrutschen der CDU unter die 35,2 Prozent von

2005 wird von Demoskopen nicht ins Reich der wirren Fantasie verwiesen. Sollte das eintreten, dann startet hinter vorgehalte­nder Hand die Debatte um Merkel noch am Wahlabend. Die CSU braucht es dafür erst gar nicht.

Noch weitaus kritischer ist die Lage bei der SPD. Rutschen die Sozialdemo­kraten unter die magere Steinmeier-Marge von 23 Prozent im Jahr

2009, dann steht die Partei vor einem katastroph­alen Misserfolg und einer – vorsichtig ausgedrück­t – schwierige­n Zukunft. Die Basis lehnt die Fortführun­g der Koalition mit der Union ab, und neues Führungspe­rsonal ist rar gesät. Bei den Grünen sieht es nicht wesentlich besser aus. Ihre Umfragewer­te sind mau, und eine Regierungs­beteiligun­g scheint nur im Rahmen einer Jamaika-Koalition mit Union und FDP möglich. Heftige Auseinande­rsetzungen werden auf den Realoflüge­l zukommen. Mitten in dieser rot-grünen Malaise stehen hingegen die Linken recht stabil, aber ohne Aussicht auf ein Ende der Opposition­srolle.

Als Wahlsieger werden sich eigentlich nur die Liberalen und die AfD feiern können, mit wie vielen Prozent auch immer. Es ist also alles für einen spannenden Wahlabend angerichte­t. Wer bei dieser Gemengelag­e auf seine Stimmabgab­e verzichtet, stärkt immer diejenigen, die er eigentlich am liebsten gar nicht im Parlament sehen will.

Newspapers in German

Newspapers from Germany