Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Spannende Gemengelage
Wahrscheinlich hat das TVDuell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz mehr geschadet als geholfen. Wirkliche Differenzen wurden nicht ausgetragen, stattdessen gab es großkoalitionäre Harmoniesoße in fast allen Politikbereichen. Als anschließend die Umfragen belegten, dass das Rennen um das Kanzleramt entschieden ist, verstärkte sich der Eindruck der Langeweile und die Entpolitisierung des Wahlkampfes. Doch die vorherrschende Wahrnehmung täuscht. Auch wenn die Kanzlerin festzustehen scheint: Wie Deutschland die kommenden Jahre regiert wird, ist offen.
Auch ist Merkels Position nicht so gefestigt, wie gerne behauptet. Schon auf dem Parteitag in Essen im Dezember 2016 grummelte es spürbar, und ein mögliches Abrutschen der CDU unter die 35,2 Prozent von
2005 wird von Demoskopen nicht ins Reich der wirren Fantasie verwiesen. Sollte das eintreten, dann startet hinter vorgehaltender Hand die Debatte um Merkel noch am Wahlabend. Die CSU braucht es dafür erst gar nicht.
Noch weitaus kritischer ist die Lage bei der SPD. Rutschen die Sozialdemokraten unter die magere Steinmeier-Marge von 23 Prozent im Jahr
2009, dann steht die Partei vor einem katastrophalen Misserfolg und einer – vorsichtig ausgedrückt – schwierigen Zukunft. Die Basis lehnt die Fortführung der Koalition mit der Union ab, und neues Führungspersonal ist rar gesät. Bei den Grünen sieht es nicht wesentlich besser aus. Ihre Umfragewerte sind mau, und eine Regierungsbeteiligung scheint nur im Rahmen einer Jamaika-Koalition mit Union und FDP möglich. Heftige Auseinandersetzungen werden auf den Realoflügel zukommen. Mitten in dieser rot-grünen Malaise stehen hingegen die Linken recht stabil, aber ohne Aussicht auf ein Ende der Oppositionsrolle.
Als Wahlsieger werden sich eigentlich nur die Liberalen und die AfD feiern können, mit wie vielen Prozent auch immer. Es ist also alles für einen spannenden Wahlabend angerichtet. Wer bei dieser Gemengelage auf seine Stimmabgabe verzichtet, stärkt immer diejenigen, die er eigentlich am liebsten gar nicht im Parlament sehen will.