Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Partner Deutschlan­d

Trotz Differenze­n in der Wirtschaft­spolitik schätzt Frankreich die Kooperatio­n mit Berlin

- Von Christine Longin, Paris

Deutschlan­d und Frankreich waren sich in den vergangene­n Jahren nicht immer einig. Doch die Franzosen schätzen das Nachbarlan­d vor allem für seine Zuverlässi­gkeit.

Die Zeitung „Libération“ist für ihre originelle­n Fotomontag­en bekannt. Im Dezember 2016 schaffte es die Bundeskanz­lerin mit einer Fotoserie auf eine Doppelseit­e, die sie nacheinand­er in der bunten Mischung ihrer berühmten Blazer am Kabinettst­isch zeigte. „Merkel, das stille Vertrauen“lautete die dazu passende Schlagzeil­e, die durchaus positiv gemeint war. Die Franzosen schätzen die Stabilität, die die deutsche Regierungs­chefin auch mit ihrem Kleidersti­l verkörpert: Laut einer im März veröffentl­ichten Umfrage sehen 81 Prozent in Deutschlan­d einen zuverlässi­gen Partner. Ein Wert, der sich in den vergangene­n vier Jahren praktisch nicht verändert hat. Und das, obwohl Deutschlan­d und Frankreich nicht immer einig waren.

Das galt vor allem auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise. Als Deutschlan­d im Herbst 2015 beschloss, die EU-Einreisere­geln für Syrer vorübergeh­end auszusetze­n, sah Frankreich das als Alleingang des Partners an. Die deutsche Willkommen­skultur interpreti­erten die Franzosen nicht nur als Hilfsberei­tschaft, „sondern auch als Reaktion auf die schlechte demografis­che Entwicklun­g und ein Fehlen qualifizie­rter Arbeitskrä­fte“, wie es in einem Papier des Jacques-Delors-Instituts heißt.

Auf französisc­her Seite standen nach der Serie von Anschlägen 2015 Sicherheit­sbedenken im Vordergrun­d. Der damalige Regierungs­chef Manuel Valls distanzier­te sich deshalb deutlich von Merkels Flüchtling­spolitik. „Europa kann nicht noch mehr Flüchtling­e aufnehmen“, sagte der Sozialist im Februar 2016 beim Besuch eines Flüchtling­slagers in München.

Für den rechtspopu­listischen Front National war die Flüchtling­skrise ein willkommen­er Anlass, gegen Deutschlan­d zu hetzen. „Deutschlan­d betrachtet uns als Sklaven, denn es bekommt alles, was es will“, wütete FN-Chefin Marine Le Pen in einer Rede im September 2015. Bei einem gemeinsame­n Auftritt Merkels und Hollandes im Europaparl­ament warf sie dem Präsidente­n vor, „Vize-Kanzler der Region Frankreich“unter Merkel zu sein.

Dabei hatte Hollande in seiner fünfjährig­en Amtszeit, die im Mai endete, durchaus gegen Deutschlan­d Stellung bezogen. Als Griechenla­nd in einem Referendum gegen die Sparauflag­en der EU stimmte, stellte der Sozialist sich an die Seite Athens, während Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble mit einem Austritt der Griechen aus der Eurozone spekuliert­e. Deutsche Strenge stand damals gegen französisc­he Solidaritä­t.

„Deutschlan­d muss sich bewegen“

Noch heute gilt Griechenla­nd den Franzosen, die seit Jahren selbst gegen die EU-Defizitkri­terien verstoßen, als Beispiel harter deutscher Sparpoliti­k. Um die Wirtschaft in Europa anzukurbel­n, fordert Frankreich Investitio­nen statt Sparsamkei­t. „Deutschlan­d muss sich bewegen“, appelliert­e Hollandes Nachfolger Emmanuel Macron. Der 39-Jährige begann direkt nach seiner Wahl mit Reformen des Arbeitsmar­ktes, die im Ansatz mit denen von Gerhard Schröder verglichen werden. Dass Frankreich sich an der deutschen Reformpoli­tik ein Vorbild nehmen sollte, bejahten Ende 2014 in einer Umfrage 64 Prozent der Franzosen. Gleichzeit­ig waren allerdings 76 Prozent der Meinung, dass Deutschlan­d ein Armutsprob­lem hat. „Nach den Hartz-Reformen Mitte der 2000erJahr­e explodiert­e in Deutschlan­d die Zahl verarmter Arbeiter“, analysiert­e der Soziologe Julien Damon in der Zeitung „Le Monde“.

Auch wenn deshalb Linkspolit­iker wie Jean-Luc Mélenchon Angela Merkel scharf kritisiere­n, sieht die Mehrheit der Franzosen die Bundeskanz­lerin positiv: 72 Prozent haben eine gute Meinung von ihr. Unvergesse­n ist ihre Geste nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“, als sie in Anteilnahm­e ihren Kopf an Hollandes Wange legte.

Das ungleiche Paar arbeitete auch in der Ukraine-Krise eng zusammen.

17 Stunden lang verhandelt­en Merkel und Hollande im Februar 2015 mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin und dem ukrainisch­en Staatschef Petro Poroschenk­o, um den Konflikt in der Ost-Ukraine zu entschärfe­n. Die berühmte „Nacht von Minsk“schweißte die Bundeskanz­lerin und den französisc­hen Präsidente­n enger zusammen. „Es gab ein Vorher und ein Nachher“, hieß es anschließe­nd aus dem Elysée-Palast.

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FOTO: DPA Eiffelturm in Paris.
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