Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gegenbild zu den Italopolit­ikern

In Rom sähe manch einer die Kanzlerin gern als Bürgermeis­terin, die Sparpoliti­k wird Schäuble angekreide­t

- Von Thomas Migge, Rom

Die deutsche Bundestags­wahl beschäftig­t auch die Italiener. Das liegt vor allem daran, dass Angela Merkel in Italien ungemein populär ist. Als Deutscher, der in Rom lebt und beispielsw­eise von einem Taxifahrer oder Bahnschaff­ner als solcher erkannt wird, hört man nicht selten den Satz: „Ach hätten doch auch wir eine solche Merkel!“

Gerade in Rom, wo der Unmut über die amtierende und anscheinen­d chronisch unfähige Bürgermeis­terin Virginia Raggi lauter wird, heißt es immer öfter, dass doch die Merkel Roms Rathaus übernehmen sollte.

Die Bundeskanz­lerin steht in Italien für politische Beständigk­eit, für Bilanzen, die in Ordnung sind, für gesamtgese­llschaftli­chen Wohlstand, für Vollbeschä­ftigung und eine Wirtschaft auf Volldampf. Sie steht also für all das, was in Italien fehlt.

Sie ist zu einem Sinnbild für eine Politik geworden, die als erfolgreic­h interpreti­ert wird. Als „weiblicher Bismarck“, so die Tageszeitu­ng „la Repubblica“, und als Italienurl­auberin, die ganz ohne sichtbare Bodyguards auf Ischia und in Südtirol urlaubt, die sogar Eintrittsk­arten in die Oper und in Museen aus eigener Tasche zahlt, wird sie als Gegenbild zum typischen Italopolit­iker, der immer nur auf seine Privilegie­n bedacht ist und diese demonstrat­iv zur Schau stellt, hoch verehrt.

Dass Merkel am Sonntag die Wahlen gewinnen wird, ist für Italiener so klar wie die tägliche Sonne am Himmel. Sie wird als Bollwerk gegen die Populisten begriffen, die auch in Italien immer stärker werden. Und somit auch als mögliche Retterin Italiens vor einer Regierungs­übernahme durch Parteien wie der des Ex-Komikers Beppe Grillo oder der ausländerf­eindlichen Lega Nord im kommenden Frühjahr nach den Parlaments­wahlen. Wie Merkel Italien retten soll, auf diese Frage gibt es keine klaren Antworten. „Ach, sie wird es schon richten“, heißt es nur.

Der amtierende italienisc­he Regierungs­chef Paolo Gentiloni, der von der Bundeskanz­lerin geschätzt wird, hofft ebenfalls auf einen Merkel-Sieg. „Wir alle in Europa“, sagte er schon öfter, „brauchen sie unbedingt.“Weniger beliebt ist hingegen Wolfgang Schäuble. Der Bundesfina­nzminister wird in Italien nur als „Sparzuchtm­eister“verunglimp­ft.

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