Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kreml offiziell zurückhaltend
Russland ohne Hoffnung auf Ende der Sanktionen
Wladimir Putin halte sich zurück, hat die „Nesawissimaja Gaseta“den russischen Präsidenten jüngst gelobt. Anders als der türkische Amtskollege Recep Tayyip Erdogan hätte Wladimir Putin den Deutschen mit russischem Hintergrund keine Wahlempfehlung für die Bundestagswahlen gegeben.
Russland, so scheint es zumindest, tritt zurzeit vorsichtiger auf. Die Intervention bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 zahlte sich politisch nicht aus. Im Gegenteil, sie verschlechterte Moskaus Verhältnis zu den USA. Auch Russlands Kalkül, Emmanuel Macron in Frankreich zu verhindern, ging nicht auf. Dafür staunte die Welt über die Schlagkraft russischer Cyber-Krieger. Deren Geschick ruft im Westen nun erhöhte Wachsamkeit hervor.
Einigkeit in einer Schlüsselfrage
Die Führung in Moskau ist ratlos, auf wen sie ihre Hoffnung bei der Bundestagswahl setzen soll. Unter Kanzlerin Angela Merkel gibt Deutschland die Sanktionspolitik gegen Russland vor. Trotz Kritik aus einzelnen Mitgliedsstaaten lässt sich die Europäische Union in dieser Schlüsselfrage nicht spalten. Auch Martin Schulz hält Kurs. Wenn es um die Sanktionen gegen Russland geht, ziehen der SPD-Herausforderer und die CDU-Amtsinhaberin beide an einem Strang.
Russland gibt vor, gleichen Abstand zu beiden zu halten. Traditionell steht jedoch die SPD dem Kreml näher, nicht nur wegen der Ostpolitik der 1970er-Jahre. Zuletzt kündigte Altkanzler Gerhard Schröder an, den Chefposten im Aufsichtsrat des umstrittenen Quasi-Staatskonzerns Rosneft zu übernehmen. Angesichts der Tatsache, dass auch die nächste Regierung wohl von
Angela Merkel geführt werden wird, wäre demnach eine Neuauflage der Großen Koalition aus russischer Sicht wünschenswert – so wären die Sozialdemokraten immerhin noch am Kabinettstisch. Außerdem könnte Sigmar Gabriel dann Außenminister bleiben. Dem Kreml sagt es zu, wie der oberste deutsche Diplomat aus russischen Ankündigungen – wie jüngst die Aufstellung einer Friedenstruppe in der Ostukraine – sogleich ernst gemeinte Friedensinitiativen herausliest.
Nur Balten und Polen unbequemer
Respekt hat Wladimir Putin vor allem vor Angela Merkel. Die Kanzlerin hält Europa bei der Stange. Mit den übrigen Europäern hätte es der Kreml nach Einschätzung russischer Berater leichter – ausgenommen allenfalls Balten und Polen.
Auch mit einer Koalition aus CDU und FDP könnte sich der Kreml arrangieren. Immerhin hatte FDP-Chef Christian Lindner Russland damit gelockt, für die annektierte Krim ein dauerhaftes Provisorium zu finden. Schwarz-Grün wäre dagegen für Moskau ein Schreckensszenario. Die Grünen sind Wladimir Putins schärfste Kritiker. Avancen der russischen Diplomatie konnten ihnen bisher nichts anhaben.
Gute Kontakte zu AfD und Linken
Am nächsten stehen Moskau die AfD und die Linke. Mit beiden Parteien unterhält der Kreml enge Kontakte. Gefragt sind beide Parteien jedoch nicht als potenzielle Politikgestalter, sondern als Verstärker gesellschaftlichen Unmuts. Zweck der Unterstützung ist es aus Moskauer Sicht nicht, einen alternativen Politikentwurf zu unterstützen. Vielmehr geht es dem Kreml darum, Unruhe zu stiften.