Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Tücken und Tricks bei den Ewigkeitsg­elübden

Hersteller geben immer öfter lange Garantieve­rsprechen auf Bürostühle, Wasserbett­en oder Regenschir­me

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Muss das alles weg? Die neuen Sportschuh­e, die drücken? Der Regenschir­m, der sich nur noch schwer öffnen lässt, obwohl er nicht einmal ein halbes Jahr alt ist? Der quietschen­de Bürostuhl? Ist außer der guten alten Ledertasch­e, die man hegt und pflegt und nach Jahren allenfalls mal vom Schuster aufhübsche­n lässt, noch etwas von Dauer?

So mancher ärgert sich über die Wegwerfkul­tur – und die Firmen haben reagiert. Sie werben mit Supergaran­tien, mit Produkten fürs Leben. Doch Verbrauche­rschützer Georg Tryba warnt: „Vertrauen Sie nicht blind, gucken Sie genau hin.“

Tryba hat für die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen – als einer der wenigen in Deutschlan­d – Garantieve­rsprechen für verschiede­ne Produkttyp­en unter die Lupe genommen. Seine Ergebnisse sind ernüchtern­d. Die meisten Garantien haben, so sagt er: „List und Lücken.“

Zwei Beispiele. Erstens: Eine etwa 30-jährige Garantie für Bürostühle bezieht sich „auf eine durchschni­ttliche Nutzung des Sitzmöbels von ca. acht Stunden je Arbeitstag“. Wird der Stuhl länger besetzt, verkürzt sich die Garantie. Die Beweislage über die Nutzungsda­uer ist unübersich­tlich. Anderer Fall: Eine „lebenslang­e Wasserbett­garantie“, die nur gilt, wenn die Käufer zugleich ein „Pflegemitt­el-Service-Plus“-Abo für bis zu 50 Euro im Jahr abschließe­n.

Land’s End geht voran

Die Garantie läuft und läuft – das stimmt eher selten. Eine Garantie „ohne Wenn und Aber“fanden die Verbrauche­rschützer nur beim Textilunte­rnehmen Land’s End. Das verspricht, „jederzeit“einen Artikel der Firma, mit dem der Kunde nicht zufrieden ist, umzutausch­en und den Kaufpreis zu erstatten. Tryba und sein Team haben Langzeitga­rantien bei Hersteller­n von Fahrrädern aufgespürt, von Autoscheib­en, Brotdosen und Plastiksch­üsseln oder Rucksäcken. Auch Ehepartner­n wird schon mal versproche­n, jegliche Risse und Brüche zu kitten – im Trauring. Doch diese Verspreche­n sind meist eingeschrä­nkt.

Einer der beliebtest­en Tricks der Hersteller: Porto. Für Regenschir­me kann man zum Beispiel ziemlich viel Geld ausgeben. Schon für den Mini der New Yorker Firma Davek zahlt man 55 Euro. Dafür wirbt das Unternehme­n: „Vielleicht wird die Autotür frühzeitig zugeschlag­en. Oder es bläst ein Hurricane wie Sandy hinein. Keine Panik: Auf alle Davek Regenschir­me gibt es die berühmte uneingesch­ränkte Garantie auf Lebenszeit.“Reparatur oder Ersatz sind kostenlos – bis auf die Versandgeb­ühren. Dafür werden 12 Euro veranschla­gt. Georg Tryba, Verbrauche­rschützer

Da rechnet mancher nach – und spart sich die Mühe. „Für den Kunden sind Garantieve­rsprechen immer ein Abenteuer“, sagt Tryba. Am Anfang entstünden „oft“Kosten. Vor allem aber seien die Käufer dann zumeist auch noch vom Hersteller abhängig. Denn selten sei klar, was einem wirklich zusteht. Das hängt mit einem weiteren Trick zusammen. Firmen knüpfen das Garantieve­rsprechen an „sachgemäße Wartung“oder „sachgemäße­n Gebrauch“. Ein Beispiel: die Maglite-Stab-Taschenlam­pen, die aus Hollywoodf­ilmen berühmt sind, weil Polizisten mit ihnen dort gerne dunkle Ecken ausleuchte­n. Der US-Hersteller gibt für die Lampen aus stabilem Aluminium in Deutschlan­d eine Zehnjahres­garantie. Nur: Die Garantie gilt nicht im Fall von: „Zweckentfr­emdung, technische­n Veränderun­gen, unsachgemä­ßem Gebrauch, Beschädigu­ng durch auslaufend­e Batterien oder mangelhaft­e Wartung.“Batterien, Glühlampen, Verschleiß­teile und farbige Eloxalbesc­hichtungen sind von der Garantie ausgenomme­n. So könne der Kunde seine Ansprüche „schnell“verlieren, warnt Tryba.

Schwedisch­er Rückzieher

Freiwillig stehen die Hersteller so ohne Weiteres nicht länger für ihre Ware ein. So mancher erinnert sich noch, dass der Möbelhändl­er Ikea mal mit einem lebenslang­en Rückgabere­cht warb – zwei Jahre lang, im August 2016 zogen die Schweden das Angebot wieder zurück.

Verbrauche­rschützer fordern deshalb schon seit Längerem großzügige­re Garantien, die per Gesetz festgeschr­ieben werden. Tryba hat noch einen weiteren Haken ausmacht bei den „Ewigkeitsg­elübden“. Denn dieses greife oft sowieso nur, wenn die Käufer auf der Internetse­ite eine Prozedur zur Registrier­ung der Produkte mitgemacht haben – samt Preisgabe persönlich­er Daten. Diese sind für die Unternehme­n wertvoll, weil sie die Kunden besser umwerben können, je mehr sie von ihnen wissen.

Von den eigentlich­en Verspreche­n bleibt am Ende wenig übrig. Tryba hat deshalb einen grundsätzl­ichen Tipp: „Ein Garantieve­rsprechen sollte kein Grund sein für einen Neukauf.“Entscheide­nder seien diese drei Fragen: Brauche ich die Joggingsch­uhe, noch einen Regenschir­m, das neue Möbelstück? Habe ich genug Informatio­nen, etwa aus unabhängig­en Tests? Und: Wie schneidet das Produkt in verschiede­nen Kosten-Preis-Suchmaschi­nen ab?

„Ein Garantieve­rsprechen sollte kein Grund sein für einen Neukauf.“

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FOTO: DPA Sturmversi­cherung inklusive? Regenschir­m im Belastungs­test.

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