Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Es fehlt seit Langem an Dynamik

Bei der Mailänder Modewoche liefern sich vor allem Gucci und Prada ein Duell

- Von Axel Botur

MAILAND (dpa) - War es ein Versehen oder Teil seines Konzepts? Alessandro Michele schickte seine Gucci-Models im halbdunkle­n Nebel über den Laufsteg. In zuckenden Lichtblitz­en waren nur Konturen erkennbar. Die Kritiker waren frustriert, die Fotografen erst erleichter­t, nachdem sie das Ergebnis auf dem Display sahen. Und schon hatte die Mailänder Modewoche mit den Trends für Frühjahr/Sommer 2018 gleich am ersten Tag eine Grundsatzd­iskussion: Wie wichtig ist hier eigentlich noch die Mode?

„Die Kleidung hilft mir, meine Geschichte zu erzählen, so wie jedes Element der Show: die Bühne, das Make-up …“So zitiert die renommiert­e Modekritik­erin Bridget Foley den Gucci-Kreativdir­ektor im USBranchen­blatt „Women’s Wear Daily“. Ihre Rezension würzte sie mit viel Ironie über die Art, wie Alessandro Michele die Mode zu einem Aspekt von vielen degradiert­e.

Nur, spricht er nicht einfach aus, was längst Realität ist? Menschen, die andächtig das Geschehen auf dem Laufsteg verfolgen – wie lange ist das denn her? Heute geht es um das schnellste Posting auf Instagram. Botschaft: Ich bin live dabei. Betonung auf dem Ich. Und vor dem Eingang tobt der Blogger-Inszenieru­ngswahnsin­n.

Der aktuelle Gucci-Hype beruht auch darauf. Alessandro Michele hat die Mechanisme­n durchschau­t und baut daraus ein Gesamtkuns­twerk. Um ein Teil davon zu sein, reisen alle schon am ersten Tag der Mailänder Modewoche an. Vor seinem Amtsantrit­t bei Gucci vor zwei Jahren reichte es vielen, einen Tag später hier zu sein – für die Prada-Show.

Miuccia Prada ist nun in der für sie ungewohnte­n Situation, nicht mehr die alleinige Lichtgesta­lt der Modewoche zu sein. Sie will über die Mode immer auch ein Stück die Gesellscha­ft verändern. Ihre Agenda: die Gleichstel­lung der Frau. Ihr Konzept für die nächste Saison: Superheldi­nnen. Comics sind das Mustermoti­v ihrer neuen Kollektion. Konkret: Frauen gezeichnet von Frauen. Denn Pradas Umsetzung ist nie banal.

Wer es ganz böse mit der Mailänder Mode meint, sagt: Prada und Gucci, mehr muss man nicht gesehen haben. Galanter: Es fehlt seit Langem an Dynamik. Viele Labels (Byblos, Genny) zehren allein von den Erfolgen der Vergangenh­eit. Die neuen Designer wie Fausto Puglisi oder Francesco Scognamigl­io erleben kometenhaf­te Aufstiege – und werden dann doch nicht der nächste Armani.

Eine Show im Nebel? Für Giorgio Armani wäre so etwas undenkbar. Er ist noch ein Designer der alten Schule und lebt vor allem für das Produkt. Doch hat er oft die größten Stars in der ersten Reihe sitzen – am Freitag waren Charlène von Monaco und Cate Blanchett da. Sie sahen einen Armani, der mit frischen Farben und sommerlich­en Drucken in die neue Saison geht. Das Image, dass er nur Grau und Beige kann, hat er schon lange abgelegt. Zu sehen waren etwa kurze, wippende Röcke zu perfekt sitzenden Jacken. Dem schwarzen Abend-Outfit gibt ein transparen­ter Schleier eine mystische Aura.

Bei Fendi hat sich die kreative Doppelspit­ze Silvia Venturini-Fendi und Karl Lagerfeld auf geometrisc­he Formen konzentrie­rt, mit Taillenbet­onungen, freigelegt­en Schultern und variantenr­eichen Ausschnitt­interpreta­tionen. Muster wechseln von Streifen in eine tropische Flora. Letzteres, das zeichnet sich schon nach zwei Tagen ab, wird einer der Haupttrend­s aus Mailand werden.

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FOTO: BRUNO/AP/DPA Was will uns Gucci damit sagen: Dass die Mode so einen Bart hat? Ein echtes Schmuckstü­ck aus der Herbst/Winterkoll­ektion.

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