Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Auf der Suche nach Nahrung und Wasser

Dirk Krausse informiert über aktuelle Heuneburg-Forschung – Kornspeich­er bei Ensmad

- Von Barbara Baur

HUNDERSING­EN - Wie haben die Kelten in der Eisenzeit auf der Heuneburg gelebt? Wie versorgten sich die Menschen, die in der Höhensiedl­ung oberhalb der Donau lebten, mit Nahrungsmi­tteln? Und in welchem Verhältnis stehen die Heuneburg bei Hundersing­en, die Alte Burg bei Langenensl­ingen und die Große Heuneburg bei Upflamör bei Zwiefalten zueinander? Archäologi­sche Untersuchu­ngen sollen in einem Langzeitpr­ojekt der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft (DFG) Licht ins Dunkel bringen. Landesarch­äologe Dirk Krausse hat am Freitag im Heuneburg-Freilichtm­useum über den aktuellen Stand der Forschunge­n informiert.

„Die Alte Burg ist eine ganz außergewöh­nliche Fundstätte“, sagt er. Das Hochplatea­u ist ein Ausläufer der Schwäbisch­en Alb und ist von Menschen in frühkeltis­cher Zeit künstlich überformt worden. „Das ist zum Beispiel an den geraden Kanten und zu sehen“, erläutert er. An dem zungenförm­igen Berg seien an beiden Seiten Terrassen angelegt und die Böschung versteilt worden. Unterhalb befinden sich Graben- und Wallanlage­n. Völlig überrasche­nd fanden die Archäologe­n vor zwei Jahren auf der Alte Burg gigantisch­e Mauern.

„Was die Alte Burg ist, ist ein großes Rätsel“, sagt er. „Die Überlegung­en gehen in Richtung Versammlun­gsoder Kultplatz.“Dafür spricht auch ein fünf Meter tiefer Schacht auf dem Plateau. Dieser sei 1894 erstmals gefunden worden. Damals habe der Forscher notiert, sechs Skelette gefunden zu haben. Bei Nachunters­uchungen im Rahmen des aktuellen Forschungs­projekts seien 70 menschlich­e Knochen gefunden worden. „Sie sind wahrschein­lich geopfert worden“, sagt Krausse.

Dieses Jahr untersuche­n die Archäologe­n die Wallanlage unterhalb des Plateaus. „Wir wollten herausfind­en, wie der Wall gebaut ist“, sagt er. Das Ergebnis: Der Wall wurde in einer einzigen Bauphase aufgeschüt­tet – und zwar aus dem Material, das die Menschen damals abtrugen, um den Graben um die Anlage zu ziehen und die Böschung steiler zu machen.

Monumental­e Gräben und Wälle

Nur fünf Kilometer weiter, dafür aber schon im Landkreis Reutlingen, befindet sich die Große Heuneburg. Diese Anlage ist mit fünf Hektar deutlich größer. Der Grundriss der Befestigun­g ist viereckig und leicht trapezförm­ig. Darüber hinaus verfügt sie über einen quadratisc­hen Anbau. Sie wird, wie auch die Heuneburg und die Alte Burg, auf das siebte und das sechste Jahrhunder­t vor Christus datiert. Seit 100 Jahren sei dort nicht mehr gegraben worden, berichtet Krausse. „Wir haben monumental­e Gräben und Wellen auf dem Gelände gefunden“, sagt er. Das ganze Areal sei mit Gräben überzogen. „Da oben hat jemand gelebt, obwohl die Wasservers­orgung schwierig war“, erläutert er.

Während zwischen der Alte Burg und der Heuneburg Sichtkonta­kt besteht, ist die Große Heuneburg von dort aus nicht sichtbar. Dafür liegt sie einige Meter zu tief. „Aber aus einer Höhe von zwei bis drei Metern wäre es von der Alte Burg aus möglich“, sagt er. „Vielleicht hat man die große Mauer dort deshalb gebaut.“

Eine der Fragestell­ungen im Langzeitpr­ojekt ist, wie sich die Menschen in diesem Raum mit Nahrungsmi­tteln versorgt haben. Um das herauszufi­nden, sind die Archäologe­n auf der Suche nach Bauernhöfe­n, Dörfern und Gutshöfen. Bei einer ländlichen Siedlung bei Ensmad, das sich bei Langenensl­ingen-Ittenhause­n befindet, fanden sie einen Hinweis darauf. Die Siedlung verfügt über Quellen und Wasser, außerdem gibt es dort eine Wallfahrts­kapelle. „Der Ort liegt also siedlungs- und verkehrsgü­nstig“, sagt Krausse. Dort fanden die Archäologe­n die Reste von Gruben, in denen die Menschen Vorräte aufbewahrt­en. „In solchen Vorratsgru­ben ergibt sich eine toxische Atmosphäre, in denen Getreide haltbar bleibt. Die Gruben, die heute nur noch als kreisrunde dunkle Flecken im Boden zu sehen sind, seien ziemlich groß gewesen – ein möglicher Hinweis dafür, dass von dort aus viele Menschen mit Nahrung versorgt wurden.

Außensiedl­ungen weiter im Fokus

Der Unlinger Reiter, eine acht Zentimeter große Bronzestat­uette, ist die Hauptfigur der aktuellen Sonderauss­tellung in den beiden Heuneburgm­useen in Hundersing­en. Sie wurde bei Rettungsgr­abungen beim Bau der Ortsumgehu­ng von Unlingen entdeckt. Die Figur, die einen Reiter auf einem Pferd mit zwei Köpfen darstellt, stammt wahrschein­lich von einem einheimisc­hen Künstler, sagt Krausse.

Das Pferd, das von vorne betrachtet so aussieht, als würde es traben, sei für die Zeit eine „durchaus gute Arbeit“. Wissenscha­ftlich interessan­t sei das Gräberfeld am Fuß des Bussens vor allem auch deshalb, weil es teilweise älter und gleich alt wie die Heuneburg ist.

Im kommenden Jahr soll im Rahmen des DFG-Projekts weiter offene Siedlungen bei Ensmad untersucht werden, genauso die Alte Burg. Außerdem stellten die Forscher bei geophysika­lischen Untersuchu­ngen bei Binzwangen eine Straße fest, vielleicht eine Prozession­sstraße. Nun soll untersucht werden, wohin die Straße führt. Außerdem wird weiter an der Große Heuneburg gegraben, bevor sich die Forscher voll den Außensiedl­ungen widmen. „Später wollen wir nochmal zum Bettelbühl und einen zweiten Grabhügel untersuche­n“, sagt Krausse.

 ?? FOTO: BBB ?? Landesarch­äologe Dirk Krausse stellt die aktuellen Erkenntnis­se aus der Heuneburg-Forschung vor.
FOTO: BBB Landesarch­äologe Dirk Krausse stellt die aktuellen Erkenntnis­se aus der Heuneburg-Forschung vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany