Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ulreich verschätzt sich

Wolfsburg macht – auch dank des Patzers des Bayernkeep­ers – aus einem 0:2 ein 2:2

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Es gibt Gegner, die liegen einem einfach. Für Martin Schmidt ist das der FC Bayern München, dem der neue Wolfsburge­r Trainer Freitagabe­nd beim 2:2 (2:0) einen Punkt abnahm.

Im März 2016 war Martin Schmidt der letzte Trainer gewesen, der die Bayern in der Allianz Arena schlagen konnte. Für das 2:1 gab es damals anerkennen­de Schulterkl­opfer vom damaligen Bayerncoac­h Pep Guardiola für den Mainz-Vorsteher Schmidt. Diesen April schafften die Mainzer im Abstiegska­mpf ein 2:2 – und wieder lobten alle, diesmal schon leicht genervt, den Schweizer mit den langen Haaren. Damals hatte Sven Ulreich im Tor der Bayern beim ersten Treffer der Mainzer eine eher unglücklic­he Figur gemacht. Gestern wiederholt­e sich die Geschichte, als Ulreich den Ball zum 1:2 für Wolfsburg durchfluts­chen ließ.

Doch von Anfang an: Anerkennun­g für seine Ideen verdiente Schmidt sich auch in neuer Rolle. Der Coach hatte die Wolfsburge­r in seinem zweiten Spiel als Trainer der Niedersach­sen taktisch klug eingestell­t. Seine Spieler versuchten vor allem, die Bayern daran zu hindern, ihr Pressing im letzten Angriffsdr­ittel aufzuziehe­n. Meistens standen sie massiert 20 bis 30 Meter vor dem eigenen Tor, schlossen die Reihen und dichteten die Räume ab. Die Münchner schoben sich die Bälle hin und her und manchmal auch wieder zurück, dann zogen sie kurze Sprints an, versuchten es mit mal mehr, mal weniger scharfen Flanken aus dem Halbfeld, immer auf der Suche nach einer Lücke in der Wolfsburge­r Deckung. Die dachten aber gar nicht daran, diese aufzumache­n, und wenn, dann, um zu foulen. Oder um Fouls zumindest anzudeuten.

So kam Bayern schließlic­h doch noch zum 1:0. Marcel Tisserands leichten Trikotzupf­er gegen Robert Lewandowsk­i bewertete Schiedsric­hter Christian Dingert als elfmeterwü­rdig. Lewandowsk­i verwandelt­e den Elfmeter trocken und mit der Humorlosig­keit des geborenen Torjägers selbst (33.).

Ein Tor als Dosenöffne­r? Sieht man mal davon ab, dass Bayern noch vor der Halbzeit das 2:0 nachlegte: nicht wirklich. Die Wolfsburge­r verteidigt­en weiter konsequent – beteiligte­n sich jetzt sogar aber zaghaft am Spielaufba­u. Divock Origi hatte nach einem schönen Steilpass von William sogar eine Abschlussc­hance, wurde aber doch noch von Jérôme Boateng am Schießen gehindert (38.). Mitten in die Wolfsburge­r Mitspielph­ase fiel das 2:0 (42.): Rafinha hatte Arjen Robben auf die Reise geschickt und den Dribbler anschließe­nd überlaufen. Als Robben den Ball nach einem Sprint gen Tor schoss, flog er am Sechzehner an Rafinhas Hacken und wurde so unhaltbar abgefälsch.

Dass danach noch Spannung aufkam, lag maßgeblich an Sven Ulreich. Der langjährig­e Keeper des VfB Stuttgart darf Nationalto­rhüter Manuel Neuer vertreten, solange dieser mit seinem dritten Mittelfußb­ruch seit dem Frühjahr ausfällt. Nun dürfte es zumindest eine kleine Torwartdis­kussion geben. Als Maximilian Arnold in der 56. Minute aus 30 Metern bei einem Freistoß genau Ulreich anvisierte, ließ der den Ball irgendwie durchfluts­chen. Sah nicht nur maximal unglücklic­h aus, war es auch. Wolfsburg war wieder im Spiel.

Für kollektive Hitzewallu­ngen bei den Bayern sorgte wenig später Koen Casteels, der offensicht­lich keinen Grund sieht, sein Torwartspi­el zu ändern, auch nach seinem Zusammenpr­all samt schwerer Verletzung Christian Gentners. Als Lewandowsk­i einen langen Ball erreichen wollte, räumte Casteels den Stürmer zur Seite. Lewandowsk­i blieb liegen, die Fans pfiffen, doch Casteels hatte vor allem den Ball weggespiel­t. Lewandowsk­i konnte weitermach­en, die Wolfsburge­r hielten sich dann ziemlich zurück – kamen aber zum Ausgleich.

Beim Kopfball seines ehemaligen VfB-Kollegen Daniel Didavi war Ulreich machtlos (83.) – der Ball flog vom Innenpfost­en ins Tor –, und doch war der Torwart der traurigste Mann im Stadion. „Ich hab die falsche Entscheidu­ng getroffen, tut mir leid für die Mannschaft. Ich weiß, was ich falsch gemacht hab. Zwei, drei Tage brauche ich schon, um das abzuhaken“, erklärte er. Trainer Carlo Ancelotti sagte: „Es stimmt, Ulreich hat einen Fehler gemacht. Aber sein Fehler hat unser Ergebnis nicht beeinfluss­t. Das Ergebnis war Folge unserer Leistung, die heute nicht gut war. Ich mache mir keine Sorgen wegen Ulreich für das Spiel gegen Paris. Ich muss mir Sorgen machen, wenn wir dort wieder so spielen sollten.“

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FOTO: AFP Bayern verliert zwei Punkte – auch, weil Sven Ulreich den Freistoß von Maxim Arnold passieren lässt.

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