Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Weihnachts­stimmung im September: Schmecken Lebkuchen jetzt schon?

- ●» s.haefele@schwaebisc­he.de ●» a.merke@schwaebisc­he.de

Oh, du fröhliche: Der Sommer ist vorbei, wir zählen nicht mal mehr 100 Tage bis Weihnachte­n. Ein untrüglich­es Zeichen dafür sind nicht etwa Sturmböen, die übers Land fegen, Kürbisverk­aufsstände am Straßenran­d oder die aktuelle Wintermode in den Schaufenst­ern. Nein, wir wissen, dass die heißen Tage in diesem Jahr endgültig vorbei sind und das Fest der Feste naht, weil der Supermarkt­verkäufer die Wassermelo­ne gegen die gefüllten Schokoherz­en in den Regalen tauscht. Und weil jetzt wieder das Lebkuchen-mitten-im-Sommer-Gemosere und das Lamentiere­n über den Verlust deutscher Traditione­n anheben. Als ob Aldi der Hüter unserer Werte ist, und Rewe unser Weltbild prägt! Ich muss ganz sicher kein schlechtes Gewissen haben, bloß weil ich schon Ende September genussvoll in einen Spekulatiu­s beiße und sein herrliches Aroma genieße. Nein, ich verstecke die Lebkuchenp­ackung nicht unterm Salatkopf, sondern lege sie geradezu triumphier­end aufs Kassenband. Es gibt keinen Grund, sich für den Lebkuchen im September zu schämen. Er wächst nicht zu bestimmten Zeiten auf Feldern, besteht aus Zutaten, die das ganze Jahr verfügbar sind, und muss nicht aus fernen Ländern herangekar­rt werden. So denke übrigens nicht nur ich: Im frühen Herbst ist der Absatz von Lebkuchen am größten ...

Es wird Herbst, und mit ein wenig Glück bekommen wir noch ein paar Sonnenstun­den ab. Sehr wertvoll, nachdem der Sommer im Südwesten aus meiner Sicht eher so lala war. Er war zu kurz, zu kalt, zu nass, irgendwie zu wechselhaf­t. Und jetzt auch noch Lebkuchen in den Geschäften! Haben wir nicht schon genug gelitten?

Hand aufs Herz – wer im September schon Lebkuchen mampft, für den ist das würzig-schokolier­te Gebäck in der Adventszei­t doch nichts Besonderes mehr. Zu Lebkuchen gehören gefälligst trübe Tage mit Schneetrei­ben, Tee oder Glühwein und Kerzenlich­t. Forscher haben übrigens herausgefu­nden, dass das im Lebkuchen enthaltene Backtriebm­ittel namens Hirschhorn­salz im Backofen mit den typischen Gewürzen wie Anis, Nelken, Zimt und Kardamom reagiert und dabei Amphetamin­e, also stimmungsa­ufhellende Substanzen, entstehen. Und damit steigt das weihnachtl­iche Wohlbefind­en. Das ist sein Erfolgsgeh­eimnis.

Ich versteh’ das nicht. Kann nicht einfach alles zu seiner Zeit passieren? Ich möchte Spargel im Frühjahr, Erdbeeren im Sommer und dieses ganze Weihnachts­gedöns bitte erst ab November. Für alle, die es nicht erwarten können, kann es meinetwege­n einen ganzjährig­en Weihnachts­laden geben. Den gibt es in Salzburg oder London ja auch.

Kein Grund, Lebkuchen unterm Salatkopf zu verstecken.

Von Simone Haefele

Mit Lebkuchen steigt das weihnachtl­iche Wohlbefind­en.

Von Antje Merke

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