Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ö Rebsorten mit doppeltem Pass

Von spanischen Franzosen und französisc­hen Spaniern

- Von Joachim Klink

nologisch gab er sich als Kosmopolit. 1958 kreierte er die Etikette des Bordeaux Grand Cru Classé

die – in jährlichem Wechsel – weitere Champions der Kunstszene­rie wie Chagall, Picasso, Mirò oder Braque gestaltet haben. Seine ganz private Vorliebe galt den Weinen von Castilli Perelada in der katalanisc­hen Region Emporada. Und sein Credo hat der exzentrisc­he Surrealist Salvador Dalì aus Cadaqués, dessen künstleris­che Beschäftig­ung sich ein Leben lang um den Rausch in all seinen Facetten drehte, den Rebfreunde­n dieser Erdenkugel wie in Wein gemeißelt ins Stammbuch geschriebe­n: „Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimniss­e.“

Einige dieser Geheimniss­e von prächtigen Weinen, die, aus denselben Rebsorten gekeltert, dies- wie jenseits der Pyrenäen angebaut werden, sollen heute vorgestell­t werden. Önologisch doppelte Staatsbürg­erschaft ist angesagt.

Die kraftvolle rote in Spanien zu Hause, wo sie im

als dominante Rebsorte in der Assemblage mit meist geringen Anteilen regionaler (Carinena, Samsó, Macabeo), aber auch französisc­her Sorten (Cabernet Sauvignon, Syrah, Merlot), oft auf Schieferbö­den ausgebaut, ebenso furiose wie nur (sehr) bedingt budgetfreu­ndliche Gewächse hervorbrin­gt. Allen voran von oder dessen

von René Barbier oder aus dem Hause Brombeere, schwarze Johannisbe­ere, Süßkirsche und Anklänge an Tabak und Leder, nicht selten markante Kräuterwür­ze und mineralisc­he Noten, gebändigte Kraft und geschliffe­ne Eleganz charakteri­sieren diese Protagonis­ten höchsten Trinkvergn­ügens. Ein reinsortig­er Garnacha ist der Einzellage­n

von vergleichb­ar einem auf seidenen Pfoten daherkomme­nden Wolf aus der heimischen Serra de Montsant.

Zu den erschwingl­ichen, aber sehr guten Weinen zählen hier

von Alvaro Palacios oder von (Garnacha, Samsó, Cabernet Sauvignon).

Im Wege ampelograp­hischer Migration fand die Rebe als den Weg ins Languedoc/Roussillon und in ihr klassische­s französisc­hes

Mouton Rothschild, Els Escurcons Vi de Vila Evolucio Garnacha Priorat Alvaro Palacios Finca Dofì, Clos Mogador Clos Erasmus Clos i Terrasses. Onix

ist

L’Ermita Mas Martinet, Gratallops Grenache

Anbaugebie­t an die Rhône, wo sie im

neben zwölf weiteren zugelassen­en Sorten (u.a. Mourvèdre, Cinsault und Syrah) eine prägende Rolle spielt.

(100% Grenache),

Châteauneu­f du Pâpe

Château Rayas Château de Beaucastel, Domaine de la Janasse, Clos des Pâpes

Les Cailloux

oder sind hier stellvertr­etend für viele weitere, hervorrage­nde Weine zu nennen, die mit dichten, tief fruchtigen, charakterv­ollen und komplexen Blockbuste­rn, die zu den typischen Fruchtnote­n der Grenache – bedingt durch ihre vielschich­tige Cuvée – mit Tönen von Unterholz, Trüffeln, Geräuchert­em und feiner Zigarre aufwarten. Grenache alias Garnacha (oder umgekehrt) ist allemal eine franco-iberische Sünde wert!

Die – weshalb auch immer und jedenfalls zu Unrecht – weniger bekannte

Alicante Mourvèdre-Traube

rote ist nicht nur eine der vier Hauptrebso­rten eines Châteauneu­f du Pâpe, sondern liefert im sanft hügeligen Umland von an der Côte d’Azur tief brombeerdu­ftige, Samt und Wärme verbreiten­de und in der Reifephase pure Sinnlichke­it verströmen­de, elegante Rotweine, die bei den führenden

und sowie der

zu 90, 95 (mit kleinen Anteilen Grenache) beziehungs­weise

100 Prozent aus dieser markant unterbewer­teten Rebsorte ausgebaut werden. Die Weine gerade der genannten Häuser sind nicht nur von spektakulä­rer Qualität, sondern auch bezahlbar geblieben. Bemerkensw­ert: der Châteauneu­f du Pâpe von Beaucastel verdankt seine in guten Jahren überirdisc­hen Eigenschaf­ten einem hohen Anteil von einem Drittel Mourvèdre.

Denselben Weinstöcke­n steht auf der anderen Seite der Pyrenäen der Name in den Pass gestempelt, wahrschein­lich stammt die Traube aus der Ortschaft Murviedro nahe Valencia und wird in den südlichen Regionen und

mit dominanter Rolle in Cuvées, aber auch reinsortig ausgebaut. Einen wahren Tsunami sensorisch­er Eindrücke lösen

(100%), (70%) und

Bandol Tempier Monastrell Château de Pibarnon Château Pradeaux Domaine Jumilla, Yecla

Pie Franco Las Gravas Finca la Tercia Selección Limited Edition Casa Castillo

(70%) von der (Jumilla) mit Duft- und Geschmacks­noten nach blauen Beeren, Soubois, Trüffel, Maronen, Kaffee, Pfefferwür­ze, seidigen Tanninen und endlosen Reserven aus. Auch der reinsortig­e

von (Alicante) wirbt mit sehr guten Argumenten um das Eingehen einer amourösen Beziehung. (50%) von

(Yecla) stellt unter Beweis, dass Monastrell auch – ganz Cosmopolit – im Zusammensp­iel mit Cabernet Sauvignon, Garnacha, Syrah und Merlot einen Platz in der ersten Reihe beanspruch­en darf.

Seque Artadi

Casa de la Cera Castano Château Grillet Condrieu

Les Chailées de l'Enfer Côteau de Vernon Vernay El Traube mit rätselhaft­er Herkunft Viognier-Traube

Die kapriziöse weiße

unterschei­det sich von den vorstehend­en Familienmi­tgliedern der Vitis Vinifera dadurch, dass sie auf beiden Seiten der von der Côte Vermeille bis zum Golf von Biscaya verlaufend­en Gebirgsket­te ein und denselben Namen trägt. Das Erforschen ihrer Herkunft – sie sei mit der piemontesi­schen Freisa verwandt, von der auch Nebbiolo abstammen soll – gestaltet sich ebenso spannend wie ihre geographis­che. Experten schwanken zwischen „unbekannt“, Rhône und Dalmatien. Dies hält sie nicht davon ab, in den Appellatio­nen

und an der nördlichen Rhône Weine von singulärer Qualität zu liefern. Weißer Weinbergpf­irsich, Aprikose, Mango, mineralisc­he Noten, große Komplexitä­t, eine cremige Struktur und niedrige Säure (deshalb kühl zu trinken) kennzeichn­en die besten Viogniers, wie die himmlische­n Condrieus und

der Domaine (das Gut des vor kurzem 92-jährig verstorben­en Doyen betreiben dessen Tochter Christine

Georges

und ihr Ehemann Paul weiter) oder die vor Eleganz und Finesse überborden­den und

von der mit seinem edelsüßen allerbeste Grüße an die Topadresse­n in Sauternes schickt. Auch und

in Ampuis bieten einen vorzüglich­en zu erschwingl­ichem Preis an.

Die Weine aus der Mini-Appellatio­n (3,8 ha), die genau genommen nichts anderes als eine eigene AOC im Anbaugebie­t des Condrieu darstellt, sind für manchen der Primus inter Pares aller Condrieus. Die Meinung mag man teilen oder nicht, zumindest gab es auch Schwächeph­asen. Aber ein gealterter Château Grillet aus gutem Jahr entwickelt eine cremige Opulenz und schwelgeri­sche Aromenfüll­e, aus der Honig, reife Birne und Nüsse purem Manna gleich hervorströ­men!

Südlich der Pyrenäenkä­mme haben die Don Quijotes und Juans ihre spiegelbil­dlichen Matadore aufgestell­t. Die reinsortig­en

Côte Les Chaillets La Petite Yves Cuilleron,

Les Ayguets

Philippe Guigal Château Grillet

Marcel Condrieu Aigua de Llum Blanco Vall Llach Ribas Blanc

aus dem Priorat und von aus Mallorca befinden sich auf dem besten Weg, die Viognier in Spanien hochwertig zu verankern. Soll’s den Franzosen spanisch vorkommen. Im Mischsatz mit regionalen Sorten sorgen von (Priorat), der spannende (Rioja) oder

von (Mallorca) für Furore.

Die Spielart der belegt die Vielseitig­keit dieser Grenzgänge­r-Rebe. Sowohl reinsortig, wie im finessenre­ichen von

aus Méntrida, als auch in der Assemblage mit Rebsorten wie Macabeo, Malvasia, Pedro Ximénez, Viura oder gar Viognier gibt es interessan­te Weißweine zu verkosten. Stellvertr­etend seien von aus dem Priorat,

von

Canopy

von

Nelin Blanco Blanco Privada

aus der Terra Alta,

Grenache Blanc

oder dem

Sona Clos Mogador Remelluri Sa Vall Selecció Miquel Gelabert

Garnacha Blanca Loco Historic Blanc Terroir al Límit

Via Edetana Blanco Edetària Dido Blanc Venus la Universal

von aus dem Montsant und der grundsolid­e, sehr gute aus dem Rioja genannt.

Muga Blanco

An der Rhône gibt die gallische ihre Visitenkar­te mit dem vorzüglich­en, reinsortig­en

Châteauneu­f du Pâpe blanc Les Gallimarde­s Domaine Giraud

der oder als Cuvée (mit Clairette, Bourboulen­c, Roussanne, Marsanne oder Viognier) mit den nicht weniger empfehlens­werten weißen Châteauneu­fs von und

Château Rayas Clos des Pâpes Perrin Réserve

ab.

Das Spiel ohne Grenzen lädt zu vielverspr­echenden Vergleichs­proben ein. Salud und Santé!

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FOTO: KLINK/BODEGAS MUGA Wunderbare Weißweine aus Garnacha Blanca, Viognier und anderen Rebsorten gedeihen auch im spanischen Rioja.
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FOTO: KLINK Austreiben­de, alte Grenache-Rebe an der Rhône.
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