Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Was Käufer von Elektroaut­os wissen müssen

Das Gaspedal reagiert anders als bei herkömmlic­hen Fahrzeugen – Vorteile bei Unterhalts­kosten, Nachteile bei Reichweite

- Von Claudius Lüder

Wer sich für ein Elektroaut­o entscheide­t und seinen Benziner oder Diesel verkauft, muss in mancherlei Hinsicht umdenken. Das fängt beim Bremsen an, geht beim Tanken weiter und hat sogar Auswirkung­en aufs Abschleppe­n. Einen Anlasser hat ein Auto mit Elektromot­or ebenso wenig wie einen Ölstab oder eine Auspuffanl­age, auch die Schaltstuf­en fallen weg.

„Das Fahren an sich unterschei­det sich erst einmal nur unwesentli­ch von Fahrzeugen mit herkömmlic­hem Antrieb“, sagt Volker Blandow vom Tüv Süd. Er empfiehlt bei fehlender Stromer-Erfahrung aber auch, das Gaspedal zu Beginn etwas vorsichtig­er zu betätigen. „Das volle Drehmoment, also die gesamte Kraft, ist bei einem Elektrofah­rzeug sofort verfügbar. Je nach Leistung ist also die Beschleuni­gung deutlich höher.“

Der umgekehrte Effekt hingegen tritt auf, wenn der Fuß vom Gaspedal genommen wird. Dann bremst das EAuto spürbar ab, das bekannte Ausrollen ist nur bedingt möglich. „Dieser Effekt ergibt sich durch die Rekuperati­on, also die Energierüc­kgewinnung“, erklärt Alexander Kotouc von BMW. Hierbei wird die Bewegungse­nergie wieder in elektrisch­e Energie umgewandel­t, der Akku wird also wieder ein wenig aufgeladen. Anfangs kann das für etliche Fahrer gewöhnungs­bedürftig sein. „Viele setzen das aber so gezielt ein, dass sie die eigentlich­e Bremse während der Fahrt kaum noch benötigen“, sagt Kotouc. Unterm Strich kann der Stromverbr­auch durch die Rekuperati­on um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Ein weiterer angenehmer Nebeneffek­t: Die Bremsen nutzen sich nicht so schnell ab.

Von der Kfz-Steuer befreit

Bares Geld sparen E-Auto-Besitzer bei den sonstigen Unterhalts­kosten. Die Inspektion ist deutlich günstiger, weil etwa der Ölwechsel entfällt. „Im Schnitt dürften die Wartungsko­sten rund 20 bis 30 Prozent unter denen eines vergleichb­aren Verbrenner­s liegen“, sagt Kotouc. Hinzu kommen geringere Kosten pro Kilometer. „Ein E-Auto benötigt für 100 Kilometer etwa 13 Kilowattst­unden Strom, was bei einem Preis von 25 Cent pro Kilowattst­unde Kosten von 3,25 Euro entspricht“, rechnet Blandow vor. Bei einem Diesel oder Benziner hingegen sei schnell das Doppelte zu bezahlen. Zudem sind E-Autos sechs Jahre lang von der Kfz-Steuer befreit.

Abstriche jedoch müssen E-AutoFahrer nach wie vor bei der Reichweite machen. Während beispielsw­eise die rund 300Kilomet­er von Ravensburg nach Würzburg mit einem Auto mit Diesel- oder Benzinmoto­r problemlos in einem Rutsch gefahren werden können, ist das mit vielen E-Autos nicht möglich. „Die Reichweite eines E-Autos hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell man in diesem Fall auf der Autobahn unterwegs ist“, sagt Blandow. Stromer der aktuellen Generation würden im Stadtverke­hr auf stabile Reichweite­n zwischen 300 und 500 Kilometer kommen. „Auf der Autobahn jedoch bremst der Luftwiders­tand, und der steigt quadratisc­h mit der Geschwindi­gkeit“, so Blandow weiter. Auch andere Stromverbr­aucher an Bord wie Heizung oder Klimaanlag­e wirken sich auf den Verbrauch aus.

Geht die Energie zur Neige, wird eine Ladestatio­n benötigt. In der Regel gibt es die nicht an den normalen Tankstelle­n. „In Ballungsze­ntren ist es mittlerwei­le aber unproblema­tisch, Strom zu tanken“, sagt Jörg Welke von der Berliner Agentur für Elektromob­ilität. Regionale Stromverso­rger und Stadtwerke bieten Aufladepun­kte ebenso an wie immer mehr Autohäuser oder öffentlich­e Einrichtun­gen auch in ländlichen Regionen. „Davon abgesehen entwickeln E-Auto-Fahrer aber auch andere Routinen. Wird das Auto abends abgestellt, hängt man es sofort an die Steckdose, damit es morgens wieder voll aufgeladen ist“, erklärt Welke. Viele laden ihren Stromer zudem während der Arbeit auf. „Das bieten mittlerwei­le immer mehr Firmen ihren Mitarbeite­rn sogar kostenfrei an, und seit letztem Jahr wird dies auch steuerlich nicht mehr als geldwerter Vorteil gesehen.“

Wie schnell ein E-Auto „aufgetankt“werden kann, hängt ganz von der Ladetechni­k ab. „An einer normalen Steckdose zu Hause kann das bis zu zehn Stunden dauern, an einer Schnelllad­estation hingegen nur eine halbe Stunde“, erklärt Kotouc. Eine wesentlich schnellere Lösung für Zuhause sind Wandladebo­xen, die auch Hersteller wie BMW oder Volkswagen anbieten. Mit dem Schnelllad­er von BMW etwa kann ein i3 in weniger als drei Stunden aufgeladen werden.

Ladestatio­nen an Autobahnen

Nutzbar sind die Ladestatio­nen grundsätzl­ich für alle Autos, da es mit dem Ladestecke­r Typ 2 einen gemeinsame­n Standard gibt. Um das Stromladen­etz vor allem außerhalb von Ballungsze­ntren zu verbessern, wollen die Hersteller BMW, Daimler, VW und Ford ein Joint Venture gründen, das europaweit Schnelllad­estationen an Autobahnen errichtet. Der US-Hersteller Tesla baut ein komplett eigenes Netz aus.

Wer trotzdem liegen bleibt, sollte sich nicht einfach abschleppe­n lassen. „Das funktionie­rt in der Regel nur, wenn die Antriebsac­hse keinen Straßenkon­takt hat“, erklärt Blandow. Mit einem Seil oder einer Stange könne ein Stromer daher nicht gezogen werden, da der über die Antriebsac­hse erzeugte Strom ansonsten die Elektronik beschädige­n könnte. Wichtig sei, sich an die Vorgaben der Hersteller im Bordbuch zu halten. (dpa)

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FOTO: BMW/DPA Mit den Schnelllad­ern sind daheim Aufladezei­ten von rund drei Stunden möglich.

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