Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wenn aus Kollegen Freunde werden

Ein Vertrauens­verhältnis erleichter­t die Zusammenar­beit – Im Team mit anderen kann es zu Spannungen führen

- Von Elena Zelle

Man teilt den Schreibtis­ch, geht zusammen in die Pause und gönnt sich nach Feierabend noch das eine oder andere gemeinsame Bier. Dabei plaudert man über die Kollegen, schimpft über zu viel Arbeit, witzelt über den Chef, erzählt von seinen Hobbys oder von zu Hause. Nicht selten werden aus Kollegen Freunde. Das hat viele Vorteile, nicht nur für die Zusammenar­beit. Aber einen guten Freund am Arbeitspla­tz zu haben, kann sich auch negativ auswirken – sowohl privat als auch beruflich.

Grundsätzl­ich spricht nichts dagegen, sich mit Kollegen anzufreund­en, sagt Karriereco­ach Bernd Slaghuis. „Wir bleiben Menschen, auch bei der Arbeit.“Und so eine Freundscha­ft unter Kollegen kann durchaus Vorteile haben: Besprechen, ob der Chef komisch war, oder reflektier­en, wie ein Meeting gelaufen ist – das geht mit einem befreundet­en Kollegen sogar besser als mit dem Partner. Schließlic­h kennt der Kollege die Situation und die Beteiligte­n genau. „Das gegenseiti­ge Verständni­s ist sehr groß und es bedarf wenig Erklärung“, sagt Slaghuis. Außerdem mache die Arbeit mehr Freude, wenn eine gewisse Leichtigke­it im Umgang herrscht.

Gabriele Bringer vom Berufsverb­and Deutscher Psychologi­nnen und Psychologe­n ergänzt: „Freundscha­ften am Arbeitspla­tz erhöhen das Vertrauen untereinan­der und können eine stärkende und stabilisie­rende Funktion haben.“Wichtig sei das gerade in Berufen, in denen man sich sehr aufeinande­r verlassen können muss – bei der Polizei, bei der Feuerwehr oder auch im Krankenhau­s. Ein guter Freund am Arbeitspla­tz kann aber auch anderswo eine Unterstütz­ung sein, sagt Karriereco­ach Kristine Qualen. Wer mal einen schlechten Tag habe, könne sich auch mal etwas hängen lassen, „ohne dass es gleich problemati­sch für das berufliche Image wird“.

Hier setzt allerdings auch eines der vielen „Aber“an: Oft impliziere so eine Freundscha­ft am Arbeitspla­tz, dass man sich gewisse Unverschäm­theiten erlauben kann. Als Beispiel nennt Qualen Morgenmuff­eligkeit: Statt den befreundet­en Kollegen mit „Du weißt doch, wie ich bin“abzuspeise­n, gehöre im Job Selbstkont­rolle dazu. „Und die wird auch erwartet“– auch im Umgang mit Kollegen-Freunden.

Auf sachlicher Ebene bleiben

Freundscha­ften unter Kollegen bergen weitere Gefahren: Dass etwa bei Ärger über Kritik vom Chef Verständni­s und Loyalität erwartet wird, obwohl man die Ansicht des Vorgesetzt­en eigentlich teilt. Da sei es wichtig zu betonen: „Ich habe zwar Verständni­s für deinen Ärger, stimme sachlich dem Chef aber zu“, sagt Qualen. Grundsätzl­ich sollte man im Job keine emotionale­n Ansprüche an die Kollegen stellen, sondern auf der sachlichen Ebene bleiben – Freundscha­ft hin oder her. Alles andere wirkt Vorgesetzt­en und dem Rest des Teams gegenüber schnell unprofessi­onell.

Und wie steht es mit dem Schimpfen über den Chef oder dem Lästern über die Kollegen – muss man sich da zusammenre­ißen? Da sind die Experten unterschie­dlicher Meinung. Laut Slaghuis können Kollegen bei einem guten Vertrauens­verhältnis alles besprechen – „wie in einer guten Partnersch­aft“.

Kennt man den Kollegen noch nicht so gut, sollte man allerdings vorsichtig sein. „Frust muss manchmal raus“, sagt Bringer. Man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass es auch mal Streit geben kann und man sich dann vielleicht fragt: „Was macht derjenige mit dem, was ich gelästert habe?“Qualen rät deshalb grundsätzl­ich zur Vorsicht bei Lästerei: „Wenn sich die Interessen­lage verändert, dann könnte so etwas genutzt werden.“

Belastend für das Klima im Team

Generell fallen Konflikte bei Freundscha­ften am Arbeitspla­tz meist heftiger aus, sagt Bringer. „Sie können das Teamklima stören.“Je enger die Beziehung war, desto schwierige­r seien solche Konflikte zu lösen. Typischer Anlass und eine besondere Belastung sei es oft, wenn man auf der gleichen Hierarchie­ebene gestartet ist, aber nur einer der Freunde befördert wird. „Unterschie­de führen zu Spannungen.“

Aber auch wenn die Freundscha­ft noch intakt ist, kann sie im Kollegenkr­eis für schlechte Stimmung sorgen. Nämlich dann, wenn die Freunde sich ständig abgrenzen – zum Beispiel immer zu zweit Mittagesse­n gehen. „Das ist nicht schön für das Team. Es gibt Getuschel, und die Kollegen fühlen sich ausgegrenz­t“, sagt Slaghuis. Wenn es mal etwas Wichtiges zu besprechen gibt, sei es zwar völlig in Ordnung, sich abzugrenze­n. „Da sollte man dem Team gegenüber dann aber auch für Klarheit sorgen.“Ansonsten gilt: „Kollegiali­tät gehört dazu.“Den Pausen- oder Feierabend­bierkreis also ruhig mal erweitern.

Das gilt im Übrigen nicht nur für die Aufnahme weiterer Kollegen, sondern auch für Menschen, die man nicht über die Arbeit kennt. „Wer nur im Kollegenkr­eis bleibt, bleibt auch in seiner Profession“, warnt Bringer. „Man sieht dann nur noch Probleme, die auf der Arbeit stattfinde­n. Dadurch wird die Weltsicht eingeschrä­nkt.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Gemeinsam durch dick und dünn: Dass aus Kollegen Freunde werden, ist keine Seltenheit.

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