Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der schwierige Weg der Union zur Jamaika-Koalition
Kanzlerin Merkel buhlt weiter um die SPD – CSU, FDP und Grüne stellen Bedingungen
BERLIN - Nach den massiven Verlusten bei der Bundestagswahl rumort es in der Union. Die in Bayern abgestrafte CSU hält zwar an der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag fest, in Sondierungsgespräche mit Koalitionspartnern möchten die Christsozialen aber erst gehen, wenn der Kurs mit der Schwesterpartei geklärt ist. Dabei zeichnen sich Konflikte ab – sowohl darüber, wie die zur AfD abgewanderten Wähler zurückzugewinnen sind als auch in Sachen Koalition. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, dies sagte sie am Montag, möchte daher nicht nur mit FDP und Grünen über eine stabile Regierung sprechen, sondern auch mit der koalitionsunwilligen SPD. Parteichef Martin Schulz lehnte dieses Ansinnen jedoch prompt erneut ab.
Es deutet viel auf Schwarz-GelbGrün, eine Jamaika-Koalition, hin. Doch alle wissen, dass ein Koalitionspoker ansteht – und taktieren. „Wir müssen an der liberalen und konservativen Flanke Antworten liefern“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Parteichef Seehofer insistierte: „Wir werden bestehen auf den Dingen, die wir der Bevölkerung versprochen haben.“Dazu zählt die bei CDU, FDP und Grünen ungeliebte Obergrenze für Flüchtlinge.
Die FDP, so Parteichef Christian Lindner, sei zur Regierungsbildung bereit. Lindner forderte aber eine Trendwende: „Wenn das nicht möglich ist, wäre unser Platz die Opposition.“Sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki klang diplomatischer. „Wenn wir mit einem Wahlergebnis wie diesem nicht umgehen können, haben wir ein demokratisches Problem“, sagte er zur „Schwäbischen Zeitung“. Kubicki verwies auf die in seiner Heimat Schleswig-Holstein auf Landesebene funktionierende Jamaika-Koalition. „Alle werden Kompromisse machen müssen.“Manches stehe jedoch nicht zur Debatte. „Ohne ein Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz wird es mit uns keine Koalition geben“, so Kubicki. „Jede Koalition ist darauf angewiesen, dass man einen Kompromiss findet“, sagte auch Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Aber sie fügte hinzu: „Das wird in dieser Konstellation nicht einfach werden.“
Das glaubt auch Stefan Wurster, Politologe an Münchens Hochschule für Politik. „Es wird sehr komplexe Verhandlungen geben“, sagte er zur „Schwäbischen Zeitung“. „Die Konflikte liegen nicht nur zwischen FDP und Grünen in Bezug auf Umweltund Wirtschaftspolitik, sondern auch im Hinblick auf die CSU. Die CDU wird viele Kompromisse eingehen, um dieses Bündnis möglich zu machen.“
BERLIN (dpa/AFP) - Die Grünen stellen sich für Sondierungsgespräche mit Union und FDP breit auf und setzen dabei auch auf Jürgen Trittin. Der Parteilinke und Ex-Bundesminister soll Teil eines 14-köpfigen Teams werden, das die Möglichkeiten für eine Jamaika-Koalition auslotet. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Fraktionschef Anton Hofreiter und die ehemalige Parteivorsitzende Claudia Roth sind dafür vorgesehen. Ein kleiner Parteitag am kommenden Samstag muss noch zustimmen. Die Leitung der Gespräche liegt bei den Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir.
Diese haben signalisiert, für eine Jamaika-Koalition Kompromisse einzugehen. Göring-Eckardt sagte am Montag in Berlin: „Wir werden nur in eine Regierung gehen, wenn der Auftrag, den uns die Wähler mitgegeben haben, auch soweit erfüllt ist, wie er in einer Koalition erfüllt werden kann.“Natürlich müssten in einem Regierungsbündnis Kompromisse eingegangen werden. Die Gespräche würden kompliziert, doch die Grünen würden sich ihrer Verantwortung stellen, fügte GöringEckardt hinzu. Co-Spitzenkandidat Özdemir betonte, es gebe „keinen Automatismus“für oder gegen die Bildung eines Jamaika-Bündnisses.