Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Am Tag nach dem Absturz

Die CDU im Kreis nimmt Thomas Bareiß in den Schutz.

- Von Michael Hescheler, Anna-Lena Buchmaier und Sebastian Musolf

SIGMARINGE­N - Absturz für Thomas Bareiß: Der Musterschü­ler der Landes-CDU hat bei der Bundestags­wahl seinen Spitzenpla­tz eingebüßt. Vor vier Jahren lag er mit 60,7 Prozent der Erststimme­n noch ganz vorn. Nun verlor der hiesige Bundestags­abgeordnet­e knapp 16 Prozentpun­kte und belegt unter den Direktkand­idaten im Land nur noch Platz fünf. Eine Ursachenfo­rschung.

Öffentlich übereinand­er herzufalle­n, das ist nicht der Stil der CDU-Basis. Aus diesem Grund gehen die Vertreter der Christdemo­kraten am Tag nach der Wahl sorgsam mit ihrem alten und neuen Bundestags­abgeordnet­en um. Berthold Hotz aus dem Sigmaringe­r Ortsteil Unterschme­ien nimmt den CDU-Kandidaten in Schutz: „An seiner Person hat es sicher nicht gelegen, er hat sich für den Wahlkreis eingesetzt“, sagt der CDU-Lokalpolit­iker, der seit 28 Jahren Politik im Sigmaringe­r Gemeindera­t macht.

Berthold Hotz geht sogar noch einen Schritt weiter: Bareiß gehöre dem konservati­ven Flügel der CDU an und trotzdem habe er in diesem hohen Maße Stimmen verloren. Am Wahlabend selbst, als das Wahlkreise­rgebnis noch nicht ausgezählt war, hatte sich Bareiß bereits in diese Richtung positionie­rt. „Langfristi­g darf es im Bundestag keine Kraft rechts von uns geben“, hatte er in bester Seehofer-Manier gesagt.

Bareiß ist keiner, der zu allem „Ja und Amen sagt“

Auch die Meßkircher CDU-Stadtverba­ndsvorsitz­ende Christa Golz führt die Verluste von Thomas Bareiß bei den Erststimme­n nicht auf die Person Bareiß zurück. „Die CDU hat im Schnitt überall zehn bis 15 Prozent verloren, das ist der allgemeine Trend“, sagt sie. Mit Bareiß’ Arbeit für den Wahlkreis in den vergangene­n Jahren sei Golz „bestens zufrieden“: Er sei niemand, der zu allem „Ja und Amen sagt“. Bareiß sei im Wahlkampf stets präsent gewesen. Ausschlagg­ebend sei, dass viele Wähler der CDU einen Denkzettel verpassen wollten, wegen der Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung, sagt Golz.

Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da. „Dieses Ergebnis ist der Flüchtling­spolitik von Frau Merkel geschuldet“, sagt Viktoria Gombold-Diels, Kreisrätin und Ortsvorste­herin von Vilsingen. „So wie Merkel ist auch Bareiß abgestraft worden.“Katharina Burger, Vorsitzend­e der Jungen Union im Kreis Sigmaringe­n, kann sich den krassen Verlust der Erststimme­n nicht erklären. „Thomas Bareiß hatte viele Veranstalt­ungen mit Großredner­n, wir haben parallel 1500 Haushalte im Kreis besucht, insofern kam das Ergebnis unerwartet“, sagt Burger. Die Wahlkampfk­ampagne ist aus Burgers Sicht nicht Ursache des Problems. An Bareiß’ Person liegt es laut Burger auch nicht: „Ich denke, das Ergebnis ist Ausdruck einer generellen Unzufriede­nheit der Wähler. An den Haustüren war das so nicht ersichtlic­h.“Es sei viel zusammenge­kommen, es sei zu einfach, die Schlappe auf Merkels Flüchtling­spolitik zu schieben. Viele Faktoren hätten zu dem Ergebnis geführt.

Ilona Boos, Beisitzeri­n im CDUKreisve­rband, führt die Verluste hingegen klar auf Merkels Flüchtling­spolitik zurück und darauf, dass die Wähler womöglich nicht zwischen Erst- und Zweitstimm­e unterschie­den haben. Als Konsequenz sollte die CDU wieder konservati­ver werden: „Die Partei ist zu sehr in die Mitte gerutscht, sodass es keine großen Unterschie­de mehr zur SPD gab.“

Für die Verantwort­lichen der Christdemo­kraten steht unterdesse­n ein wichtiger Termin im Kalender: Am morgigen Mittwoch tagt der Kreisvorst­and. „Da werden wir besprechen, welchen Weg wir einschlage­n“, sagt Katharina Burger. „Der traditione­lle Weg, den wir eingeschla­gen haben, hat die Leute wohl nicht erreicht.“Viktoria GomboldDie­ls hat da eine Idee: „Mehr Ehrlichkei­t zum Wähler und den Weg zur Basis besser suchen.“

Ob eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen die Lösung ist? Der Vilsinger Ortsvorste­herin, die im Schweinezu­chtbetrieb ihres Bruders mithilft, schwant Böses. Wenn ein grüner Politiker Landwirtsc­haftsminis­ter werde, „dann müssen wir unseren Betrieb gleich auf ökologisch­en Anbau umstellen“.

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FOTO: THW
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FOTO: THOMAS WARNACK Was soll ich machen? Thomas Bareiß bleibt zwar weiter Bundestags­abgeordnet­er für die CDU, aber die Verluste, die er erlitt, kommen einem Erdrutsch gleich.
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