Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Am Tag nach dem Absturz
Die CDU im Kreis nimmt Thomas Bareiß in den Schutz.
SIGMARINGEN - Absturz für Thomas Bareiß: Der Musterschüler der Landes-CDU hat bei der Bundestagswahl seinen Spitzenplatz eingebüßt. Vor vier Jahren lag er mit 60,7 Prozent der Erststimmen noch ganz vorn. Nun verlor der hiesige Bundestagsabgeordnete knapp 16 Prozentpunkte und belegt unter den Direktkandidaten im Land nur noch Platz fünf. Eine Ursachenforschung.
Öffentlich übereinander herzufallen, das ist nicht der Stil der CDU-Basis. Aus diesem Grund gehen die Vertreter der Christdemokraten am Tag nach der Wahl sorgsam mit ihrem alten und neuen Bundestagsabgeordneten um. Berthold Hotz aus dem Sigmaringer Ortsteil Unterschmeien nimmt den CDU-Kandidaten in Schutz: „An seiner Person hat es sicher nicht gelegen, er hat sich für den Wahlkreis eingesetzt“, sagt der CDU-Lokalpolitiker, der seit 28 Jahren Politik im Sigmaringer Gemeinderat macht.
Berthold Hotz geht sogar noch einen Schritt weiter: Bareiß gehöre dem konservativen Flügel der CDU an und trotzdem habe er in diesem hohen Maße Stimmen verloren. Am Wahlabend selbst, als das Wahlkreisergebnis noch nicht ausgezählt war, hatte sich Bareiß bereits in diese Richtung positioniert. „Langfristig darf es im Bundestag keine Kraft rechts von uns geben“, hatte er in bester Seehofer-Manier gesagt.
Bareiß ist keiner, der zu allem „Ja und Amen sagt“
Auch die Meßkircher CDU-Stadtverbandsvorsitzende Christa Golz führt die Verluste von Thomas Bareiß bei den Erststimmen nicht auf die Person Bareiß zurück. „Die CDU hat im Schnitt überall zehn bis 15 Prozent verloren, das ist der allgemeine Trend“, sagt sie. Mit Bareiß’ Arbeit für den Wahlkreis in den vergangenen Jahren sei Golz „bestens zufrieden“: Er sei niemand, der zu allem „Ja und Amen sagt“. Bareiß sei im Wahlkampf stets präsent gewesen. Ausschlaggebend sei, dass viele Wähler der CDU einen Denkzettel verpassen wollten, wegen der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, sagt Golz.
Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da. „Dieses Ergebnis ist der Flüchtlingspolitik von Frau Merkel geschuldet“, sagt Viktoria Gombold-Diels, Kreisrätin und Ortsvorsteherin von Vilsingen. „So wie Merkel ist auch Bareiß abgestraft worden.“Katharina Burger, Vorsitzende der Jungen Union im Kreis Sigmaringen, kann sich den krassen Verlust der Erststimmen nicht erklären. „Thomas Bareiß hatte viele Veranstaltungen mit Großrednern, wir haben parallel 1500 Haushalte im Kreis besucht, insofern kam das Ergebnis unerwartet“, sagt Burger. Die Wahlkampfkampagne ist aus Burgers Sicht nicht Ursache des Problems. An Bareiß’ Person liegt es laut Burger auch nicht: „Ich denke, das Ergebnis ist Ausdruck einer generellen Unzufriedenheit der Wähler. An den Haustüren war das so nicht ersichtlich.“Es sei viel zusammengekommen, es sei zu einfach, die Schlappe auf Merkels Flüchtlingspolitik zu schieben. Viele Faktoren hätten zu dem Ergebnis geführt.
Ilona Boos, Beisitzerin im CDUKreisverband, führt die Verluste hingegen klar auf Merkels Flüchtlingspolitik zurück und darauf, dass die Wähler womöglich nicht zwischen Erst- und Zweitstimme unterschieden haben. Als Konsequenz sollte die CDU wieder konservativer werden: „Die Partei ist zu sehr in die Mitte gerutscht, sodass es keine großen Unterschiede mehr zur SPD gab.“
Für die Verantwortlichen der Christdemokraten steht unterdessen ein wichtiger Termin im Kalender: Am morgigen Mittwoch tagt der Kreisvorstand. „Da werden wir besprechen, welchen Weg wir einschlagen“, sagt Katharina Burger. „Der traditionelle Weg, den wir eingeschlagen haben, hat die Leute wohl nicht erreicht.“Viktoria GomboldDiels hat da eine Idee: „Mehr Ehrlichkeit zum Wähler und den Weg zur Basis besser suchen.“
Ob eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen die Lösung ist? Der Vilsinger Ortsvorsteherin, die im Schweinezuchtbetrieb ihres Bruders mithilft, schwant Böses. Wenn ein grüner Politiker Landwirtschaftsminister werde, „dann müssen wir unseren Betrieb gleich auf ökologischen Anbau umstellen“.