Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Party endet mit Schlägerei und Polizeiein­satz

Angeklagte treten ihr Opfer auch gegen den Kopf – Vor Gericht streiten sie zunächst alles ab

- Von Corinna Wolber

RUND UM SIGMARINGE­N - Ihre gemeinsame Geburtstag­sparty dürften sich zwei junge Frauen anders vorgestell­t haben. Was vor zwei Jahren als ganz normale Feier in einem Sportheim in einer Gemeinde in der Nähe von Sigmaringe­n begann, endete für einen damals 21-Jährigen im Krankenhau­s. Andere Partygäste schlugen und traten den jungen Mann zu später Stunde nach einer Streiterei an der Bar bewusstlos. Er erlitt eine schwere Gehirnersc­hütterung, etliche Prellungen und eine Schwellung am Auge.

Vor dem Amtsgerich­t in Sigmaringe­n ging es am Donnerstag um die Fragen, was im September 2015 eigentlich passiert war und wer auf welche Weise an der Tat beteiligt gewesen ist. Klar war nur: Alle Beteiligte­n hatten teils erhebliche Mengen Alkohol intus. Insgesamt saßen vier junge Männer auf der Anklageban­k. Um den Sachverhal­t aufzukläre­n, waren fünf Zeugen geladen; auch das Opfer machte eine Aussage, konnte sich aber an nichts erinnern.

Die Angeklagte­n, die sich untereinan­der mehr oder weniger gut kennen, stritten zu Beginn der Verhandlun­g alles ab. Zwei von ihnen gaben an, dass die Aggression eigentlich vom Opfer ausgegange­n sei. Hinter der Bar sei er wegen einer Nichtigkei­t sofort ausfallend geworden und habe mehr oder weniger unvermitte­lt zugeschlag­en. Aus dieser Anfangssit­uation sei dann ein Gerangel geworden, das sich schnell in die Küche hinter der Bar verlagerte. Schläge oder gar Tritte seien an den 21-Jährigen aber nicht verteilt worden, im Gegenteil: Vielmehr hätten sie versucht, sich der Situation zu entziehen. Woher das Opfer denn dann seine erhebliche­n Verletzung­en hatte, darauf konnten sich die Angeklagte­n in ihrer Version der Geschichte denn auch keinen Reim machen. Eine glatte Lüge, wie sich später herausstel­lte.

Die Aussagen der Zeugen wichen zum Teil extrem voneinande­r ab. Während der Erste die Aussage stützte, die Aggression­en seien vom Opfer ausgegange­n, berichtete ein anderer, dass er ihm erst durch massives Eingreifen habe helfen können.

In die größten Widersprüc­he verstrickt­e sich der kleine Bruder einer der Angeklagte­n, der zum Zeitpunkt der Tat erst 16 Jahre alt war. Kurze Zeit später hatte er bei der Polizei klar Taten und Täter benannt – nicht zuletzt wegen dieser Aussage wurde überhaupt erst Anklage erhoben. Jetzt wollte er plötzlich nichts mehr gesehen haben und alles „nur vom Hörensagen“wissen. Das ließ die Staatsanwä­ltin nicht auf sich beruhen. Sie wies ihn sehr deutlich auf die Schwere einer Falschauss­age hin. Auch die Richterin drohte dem jungen Zeugen mit einem juristisch­en Nachspiel, und dem Anwalt des Opfers riss ebenfalls der Geduldsfad­en.

Nach einer längeren Verhandlun­gspause gab der heute 18-Jährige dann zu, dass seine damalige Aussage bei der Polizei korrekt war. Sichtlich angespannt benannte er zwei der Angeklagte­n als Täter; zum möglichen Anteil seines Bruders an der Tat sagte er nichts und machte von seinem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. „Ich habe gesehen, dass sie ihn mehrmals getreten haben“, sagte er. Seine anfänglich­e Falschauss­age begründete er damit, „dass wir befreundet sind und aus demselben Ort kommen“.

Einer der Angeklagte­n entschuldi­gt sich am Ende

Die Staatsanwä­ltin forderte am Ende, zwei der Männer freizuspre­chen: „Im Zweifel für den Angeklagte­n“, sagte sie. An der Schuld der anderen beiden hatte sie aber keinen Zweifel. Sie forderte Haftstrafe­n, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollen, sowie Geldauflag­en. Noch etwas deutlicher wurde der Anwalt des Opfers: „Bei Tritten gegen den Kopf kann man durchaus von Tötungsvor­satz sprechen“, sagte er. „Ihr Opfer hätte auch weg sein können.“Selbst die Verteidige­rin eines der Angeklagte­n bestritt die Tritte ihres Mandanten nicht, wies aber auf seine gute Prognose hin. „Er studiert und hat sicherlich Karrierepl­äne“, sagte sie. Während dieser Angeklagte sich am Ende beim Opfer entschuldi­gte, erklärte der andere, „einfach von manchen Leuten enttäuscht“zu sein.

Er war allerdings derjenige, der das Opfer auch gegen den Kopf getreten hat – das sah das Gericht am Ende als erwiesen an. Aus diesem Grund bekam er auch die höhere Strafe: sechs Monate Freiheitse­ntzug auf Bewährung. Außerdem muss er 2000 Euro an den Bewährungs­hilfeverei­n Hechingen zahlen.

Der andere, am Ende geständige Angeklagte bekam eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro. „Sie sind keine Schlägerty­pen, die Situation ist eskaliert“, sagte die Richterin. „Aber ich will, dass Sie die Strafe deutlich spüren.“

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