Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hühner-Paten bekommen Eier nach Hause geliefert

Solidarisc­he Landwirtsc­haft nimmt Verbrauche­r in die Verantwort­ung – Informatio­nsveransta­ltung im Stadtforum

- Von Anita Metzler-Mikuteit

BAD SAULGAU - Was kann ich guten Gewissens noch essen? Mit dem Fipronil-Skandal sind Verbrauche­r ein weiteres Mal stark verunsiche­rt worden. Dass es durchaus Möglichkei­ten gibt, das fehlende Vertrauen wieder zurückzuge­winnen, hat am Mittwochab­end Siegbert Gerster bei der Vorstellun­g der Solidarisc­hen Landwirtsc­haft erläutert. Was an diesem Abend schnell klar wurde: Von dieser Form der Bewirtscha­ftung profitiere­n alle Beteiligte­n.

Extra Zeit genommen für diesen Informatio­nsabend im Stadtforum hat sich auch eine Mitarbeite­rin des evangelisc­hen Kinderhaus­es. Die fragt sich nicht erst seit dem jüngsten Eier-Skandal, welche Lebensmitt­el sie mit Blick auf die Gesundheit der Kinder bedenkenlo­s einkaufen kann. In der Kindertage­seinrichtu­ng wird seit jeher in der eigenen Küche täglich frisch gekocht. Schließlic­h tragen sie Verantwort­ung für das Wohl der kleinen Schützling­e.

Ein Weg aus dem Dilemma

Als einen möglichen Weg heraus aus diesem Dilemma stellte Siegbert Gerster aus Ravensburg die Solidarisc­he Landwirtsc­haft vor. „Ich war anfangs auch skeptisch, aber es funktionie­rt“, sagte der gelernte Kaufmann, der sich im Alter von 45 Jahren entschloss­en hatte, nochmal etwas „ganz anderes“zu machen. Das Prinzip dahinter ist im Grunde simpel: Verbrauche­r und Landwirte schließen sich zusammen und einigen sich auf ein Jahres-Budget. Die Gesamtkost­en werden gemeinsam getragen, der Ernte-Ertrag wird unter den Anteilsneh­mern aufgeteilt. Verbrauche­r und Landwirt übernehmen also gemeinsam die Verantwort­ung.

Es besteht jedoch kein Anspruch auf eine bestimmte Menge, schließlic­h gibt es auch „schlechte Erntejahre“. Die werden von der Solidargem­einschaft getragen. „Und der Landwirt kriegt trotzdem sein Geld“, sagte Siegbert Gerster und erzählte vom „Charakterg­emüse“, das aufgrund seines wenig beliebten Aussehens in den Supermärkt­en keinen Platz bekommt. Die Solidarisc­he Landwirtsc­haft sei, so Gerster, in mehrfacher Hinsicht eine „große Chance“. Nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die Verbrauche­r und die Umwelt. Und für die Nutztiere. Denn auch die gibt es im Rahmen dieser landwirtsc­haftlichen Projekte. Rund 90 Hühner hält Siegbert Gerster aktuell in der Solidarisc­hen Hühnergeme­inschaft auf dem Hofgut Hinterstra­uben in Ravensburg. Beim Betrachten der mitgebrach­ten Bilder – auch das mobile Hühnerhote­l auf der grünen Wiese ist zu bestaunen – wird klar: Dieses Federvieh lebt im Paradies.

Gersters neues Hühnerproj­ekt läuft ab Frühjahr 2018 in Bad Waldsee an. Auch in Bad Saulgau haben sich bereits mehrere Hühner-Paten gefunden, die regelmäßig mit Eiern dieser rundweg glückliche­n Hühner beliefert werden wollen.

Doch die Patengemei­nschaft muss noch etwas wachsen, damit sich die Anlieferun­g lohnt. Das Prinzip dahinter ähnelt dem des Bio-Gemüse-Projekts. Die Hühner-Paten zahlen monatlich einen festen Betrag und werden – je nach Legefreude der Hühner – mit bis zu 22 Eiern pro Monat beliefert. Und: Die Bruderhähn­e werden nicht getötet. Deshalb erklären sich die Paten bereit, einmal pro Jahr „Gockel-Delikatess­en“zu kaufen.

Und genauso wie bei den Gemüse-Abnehmern ist der intensive Kontakt zwischen Landwirt und Verbrauche­r ein wesentlich­es Element. Ebenso die Transparen­z. In Rundbriefe­n wird über Aktuelles informiert, Rückmeldun­gen – ob Lob oder Kritik – sind ausdrückli­ch erwünscht. Gerster ergänzte, dass bei all diesen Projekten weder eine „Besserwiss­er-Mentalität“Platz finde noch das Verurteile­n von Landwirten. „Die stecken ja in ihren Zwängen und müssen ihre Familien schließlic­h ernähren“, so Gerster.

Die Kinder des evangelisc­hen Kinderhaus­es dürfen sich derweil schon mal auf den Besuch von glückliche­n Hühnern in ihrem Garten freuen. „Wir wollen die Zusammenar­beit mit Kindergärt­en und Schulen deutlich ausweiten.“

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FOTO: PRIVAT Siegbert Gerster von der Solidarisc­hen Hühnergeme­inschaft sucht in Bad Saulgau Hühner-Paten.

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