Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Anonyme Briefe mischen Heudorf auf
Seit mehr als zehn Jahren versucht jemand, im Ort Streit und Misstrauen zu säen
HEUDORF - Ein anonymer Briefeschreiber versucht seit mehr als zehn Jahren in Scheer-Heudorf Unfrieden und Streit zu säen. Hauptziel von Beleidigungen, Unterstellungen und Todeswünschen sind Willi Römpp und seine Frau Gisela. Weil ihnen die Anfeindungen in diesem Jahr endgültig zu weit gegangen sind, haben sie sich für den Schritt in die Öffentlichkeit entschieden. Auf eine Veröffentlichung im Amtsblatt folgte eine Versteigerung der Postkarten und Briefe beim Online-Auktionshaus Ebay. Römpp verdoppelte die Summe auf 442 Euro und spendet sie an den Heudorfer Kindergarten.
Die erste Postkarte erhielt Willi Römpp im Jahr 2004. Damals war er noch Geschäftsführer der Kreiskliniken, heute ist er im Ruhestand. „Wir bekamen den anonymen Hinweis, dass unser direkter Nachbar schlecht über uns reden würde“, erinnert sich Römpp. „Ich bin dann gleich rüber und habe erfahren, dass der Nachbar auch Post bekommen hatte.“Man versicherte sich gegenseitig, dass alles in Ordnung sei und ging zur Tagesordnung über. „Doch dann kamen in unregelmäßigen Abständen weitere Karten und Briefe“, sagt Römpp. Er und seine Frau haben bis heute rund 20 Stück erhalten. Darin werden sie als „Depp“und „Hexe“und Schlimmeres bezeichnet. Oft endet das Schreiben mit dem Wunsch, die beiden „mögen endlich verrecken“.
Auch andere Heudorfer erhalten Post. Dabei glänzt der unbekannte Verfasser mit schlechter Rechtschreibung und Detailkenntnis aus dem Privatleben der Betroffenen. So hätten etwa Menschen, bei denen ein naher Angehöriger gestorben ist, Trauerkarten erhalten, in denen stand, dass sich der Verfasser freue, dass derjenige endlich tot sei. „Bei anderen wurden Ereignisse aus der Vergangenheit hervorgeholt, die eigentlich nur ein Alteingesessener wissen kann“, sagt Römpp. Nach verschiedenen Anzeigen bei der Polizei und der freiwilligen Abgabe von Schriftproben von rund 60 Heudorfern werden die Ermittlungen ergebnislos eingestellt.
Natürlich bringe das Ganze Unruhe in den Ort und jeder überlege, wer der Briefeschreiber sein könnte. „Klar, die Leute überlegen, wem sie was erzählt haben und werden misstrauisch“, sagt Römpp. Er glaubt, dass der Verfasser der Schmähbriefe Streit provozieren und den kleinen Ort aufmischen will.
Warum er gerade das Ehepaar Römpp auf dem Kieker hat, wissen die beiden nicht. „Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der ich in Heudorf jemanden auf die Füße getreten wäre“, sagt Römpp. Neben seinem kleinen Stammtisch, den Wanderungen mit anderen Ruheständlern und seiner Kassierertätigkeit in den drei Vereinen sei er nicht im Ort aktiv.
Fass zum Überlaufen gebracht
Genau bei den Vereinen hat der Unbekannte nun angeknüpft und das Fass für Römpp zum Überlaufen gebracht. „Mir wird unterstellt, ich hätte Geld aus den Vereinskassen veruntreut, um mir ein Gartenhaus zu bauen“, sagt er. „Das lasse ich nicht auf mir sitzen.“Die zweite große Geschmacklosigkeit sei eine Geburtstagskarte mit übelsten Beschimpfungen an seine Frau Gisela gewesen.
Römpp hat daraufhin diese zwei Schriftstücke im Amtsblatt veröffentlicht und den Verfasser auf humorvolle Weise gedrängt, zu seinen Aussagen zu stehen und sich zu stellen. Gleichzeitg hat Römpp 13 der Karten und Briefe unter dem Titel „Vulgärer Heudorfer Briefeschreiber“auf dem Online-Marktplatz Ebay zur Versteigerung angeboten. „Das hat richtig Aufsehen erregt“, sagt er lachend. Sogar aus Berlin und Stuttgart seien Gebote eingegangen, er selbst sei von vielen Menschen aus Scheer und Umgebung auf die Aktion angesprochen worden. „Das waren alles positive Reaktionen und Zusprüche, dass wir das so richtig machen“, erzählt er. Nur in Heudorf selbst sei es verhältnismäßig ruhig gewesen. „Es herrschte eine eher abwartende Stimmung“, so Römpp. Er geht davon aus, dass viel mehr Menschen Briefe erhalten, als öffentlich bekannt ist und dass diese aus Scham oder Unsicherheit nicht darüber reden.
Jeder geht anders mit Post dieser Art um. Während Römpp die Briefe locker nimmt und Witze darüber machen kann, ist seiner Frau Gisela nicht zum Lachen zumute. Sie nimmt sich die Briefe sehr zu Herzen, hat viele schlaflose Nächte hinter sich und traut sich kaum zum Briefkasten. Auch die sozialen Kontakte im Ort hat sie weitgehend eingestellt. „Ich schaffe das nicht“, sagt sie.
Bei einem Gebot von 221 Euro hat Römpp die Ebay-Auktion übrigens beendet. Nachdem er Kopien für sich angefertigt hatte, gingen die 13 Originale zu einem Fan nach Bad Saulgau. Römpps verdoppelten die Summe und unterstützen nun den Heudorfer Kindergarten. „Auch für weitere Briefe werden wir Abnehmer finden“, ist sich Römpp sicher. So hätten die Schmähbriefe wenigstens etwas Gutes.