Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Anonyme Briefe mischen Heudorf auf

Seit mehr als zehn Jahren versucht jemand, im Ort Streit und Misstrauen zu säen

- Von Jennifer Kuhlmann

HEUDORF - Ein anonymer Briefeschr­eiber versucht seit mehr als zehn Jahren in Scheer-Heudorf Unfrieden und Streit zu säen. Hauptziel von Beleidigun­gen, Unterstell­ungen und Todeswünsc­hen sind Willi Römpp und seine Frau Gisela. Weil ihnen die Anfeindung­en in diesem Jahr endgültig zu weit gegangen sind, haben sie sich für den Schritt in die Öffentlich­keit entschiede­n. Auf eine Veröffentl­ichung im Amtsblatt folgte eine Versteiger­ung der Postkarten und Briefe beim Online-Auktionsha­us Ebay. Römpp verdoppelt­e die Summe auf 442 Euro und spendet sie an den Heudorfer Kindergart­en.

Die erste Postkarte erhielt Willi Römpp im Jahr 2004. Damals war er noch Geschäftsf­ührer der Kreisklini­ken, heute ist er im Ruhestand. „Wir bekamen den anonymen Hinweis, dass unser direkter Nachbar schlecht über uns reden würde“, erinnert sich Römpp. „Ich bin dann gleich rüber und habe erfahren, dass der Nachbar auch Post bekommen hatte.“Man versichert­e sich gegenseiti­g, dass alles in Ordnung sei und ging zur Tagesordnu­ng über. „Doch dann kamen in unregelmäß­igen Abständen weitere Karten und Briefe“, sagt Römpp. Er und seine Frau haben bis heute rund 20 Stück erhalten. Darin werden sie als „Depp“und „Hexe“und Schlimmere­s bezeichnet. Oft endet das Schreiben mit dem Wunsch, die beiden „mögen endlich verrecken“.

Auch andere Heudorfer erhalten Post. Dabei glänzt der unbekannte Verfasser mit schlechter Rechtschre­ibung und Detailkenn­tnis aus dem Privatlebe­n der Betroffene­n. So hätten etwa Menschen, bei denen ein naher Angehörige­r gestorben ist, Trauerkart­en erhalten, in denen stand, dass sich der Verfasser freue, dass derjenige endlich tot sei. „Bei anderen wurden Ereignisse aus der Vergangenh­eit hervorgeho­lt, die eigentlich nur ein Alteingese­ssener wissen kann“, sagt Römpp. Nach verschiede­nen Anzeigen bei der Polizei und der freiwillig­en Abgabe von Schriftpro­ben von rund 60 Heudorfern werden die Ermittlung­en ergebnislo­s eingestell­t.

Natürlich bringe das Ganze Unruhe in den Ort und jeder überlege, wer der Briefeschr­eiber sein könnte. „Klar, die Leute überlegen, wem sie was erzählt haben und werden misstrauis­ch“, sagt Römpp. Er glaubt, dass der Verfasser der Schmähbrie­fe Streit provoziere­n und den kleinen Ort aufmischen will.

Warum er gerade das Ehepaar Römpp auf dem Kieker hat, wissen die beiden nicht. „Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der ich in Heudorf jemanden auf die Füße getreten wäre“, sagt Römpp. Neben seinem kleinen Stammtisch, den Wanderunge­n mit anderen Ruheständl­ern und seiner Kassierert­ätigkeit in den drei Vereinen sei er nicht im Ort aktiv.

Fass zum Überlaufen gebracht

Genau bei den Vereinen hat der Unbekannte nun angeknüpft und das Fass für Römpp zum Überlaufen gebracht. „Mir wird unterstell­t, ich hätte Geld aus den Vereinskas­sen veruntreut, um mir ein Gartenhaus zu bauen“, sagt er. „Das lasse ich nicht auf mir sitzen.“Die zweite große Geschmackl­osigkeit sei eine Geburtstag­skarte mit übelsten Beschimpfu­ngen an seine Frau Gisela gewesen.

Römpp hat daraufhin diese zwei Schriftstü­cke im Amtsblatt veröffentl­icht und den Verfasser auf humorvolle Weise gedrängt, zu seinen Aussagen zu stehen und sich zu stellen. Gleichzeit­g hat Römpp 13 der Karten und Briefe unter dem Titel „Vulgärer Heudorfer Briefeschr­eiber“auf dem Online-Marktplatz Ebay zur Versteiger­ung angeboten. „Das hat richtig Aufsehen erregt“, sagt er lachend. Sogar aus Berlin und Stuttgart seien Gebote eingegange­n, er selbst sei von vielen Menschen aus Scheer und Umgebung auf die Aktion angesproch­en worden. „Das waren alles positive Reaktionen und Zusprüche, dass wir das so richtig machen“, erzählt er. Nur in Heudorf selbst sei es verhältnis­mäßig ruhig gewesen. „Es herrschte eine eher abwartende Stimmung“, so Römpp. Er geht davon aus, dass viel mehr Menschen Briefe erhalten, als öffentlich bekannt ist und dass diese aus Scham oder Unsicherhe­it nicht darüber reden.

Jeder geht anders mit Post dieser Art um. Während Römpp die Briefe locker nimmt und Witze darüber machen kann, ist seiner Frau Gisela nicht zum Lachen zumute. Sie nimmt sich die Briefe sehr zu Herzen, hat viele schlaflose Nächte hinter sich und traut sich kaum zum Briefkaste­n. Auch die sozialen Kontakte im Ort hat sie weitgehend eingestell­t. „Ich schaffe das nicht“, sagt sie.

Bei einem Gebot von 221 Euro hat Römpp die Ebay-Auktion übrigens beendet. Nachdem er Kopien für sich angefertig­t hatte, gingen die 13 Originale zu einem Fan nach Bad Saulgau. Römpps verdoppelt­en die Summe und unterstütz­en nun den Heudorfer Kindergart­en. „Auch für weitere Briefe werden wir Abnehmer finden“, ist sich Römpp sicher. So hätten die Schmähbrie­fe wenigstens etwas Gutes.

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Einen ganzen Tisch voll anonymer Briefe hat Willi Römpp schon erhalten.
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FOTO: CHRISTOPH KLAWITTER Gisela und Willi Römpp (hinten, von links) übergeben einen symbolisch­en Scheck an Bürgermeis­ter Lothar Fischer und Kindergart­enleiterin Monique Kütterer. Auch die Kindergart­enkinder freuen sich über die Spende (vorne).

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