Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Keine Windkraft auf dem Atzenberg
EnBW stellt Planung für zwei Windräder ein – Keine Genehmigung wegen Rotmilanen
AULENDORF/BAD SCHUSSENRIED/ EBERSBACH-MUSBACH - Die EnBW hat ihre Planungen für zwei Windräder auf der Atzenberger Höhe zwischen Bad Schussenried und Aulendorf eingestellt. „Wir verfolgen das Projekt nicht weiter“, bestätigte EnBW-Sprecher Ulrich Stark am Dienstag auf Nachfrage. Den Ausschlag für die Entscheidung hätten artenschutzrechtliche Erwägungen gegeben. Auf dem Atzenberg gibt es nahe des geplanten Standorts Brutgebiete von Rotmilanen.
Zwei Anlagen mit einer Nabenhöhe von 149 Meter hatte der Energieversorger auf der Anhöhe westlich von Otterswang vorgesehen. Der erwartete Ertrag von über 17 Millionen Kilowattstunden entspräche rechnerisch dem Bedarf von rund 5000 Haushalten. Gegen das Projekt hatte sich die Bürgerinitiative (BI) „Gegenwind Atzenberger Höhe e.V.“gegründet. Sie sah das Naherholungsgebiet durch den Bau von Windkraftanlagen bedroht und führte verschiedene Argumente ins Feld – darunter zuletzt auch gesundheitliche Belastungen durch den von Windrädern verursachten Infraschall. „Ich persönlich bin sehr froh“, sagt Beatrix Sommer-Locher von der BI über das Aus für die Windkraftanlagen. Es sei ein Grund zu feiern.
Rotmilane und Sonderauflagen
Aufgegeben hat das Energieunternehmen das Projekt, da eine der beiden Anlagen wegen nahegelegener Brutreviere von Rotmilanen nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Bei der zweiten rechnete die EnBW mit Sonderauflagen und damit einem so hohen Zusatzaufwand, dass es sich nicht mehr rechnet.
Die EnBW war 2016 zunächst von nur einem Rotmilan-Paar in Standortnähe ausgegangen und hatte ein Konzept zur Vertreibung und Ablenkung der geschützten Vögel diskutiert. Die Bürgerinitiative „Gegenwind“hatte das bezweifelt und ein eigenes Gutachten beauftragt. Sommer-Locher spricht von einem „Dichtezentrum“mit mehr als drei Brutpaaren. Nachkartierungen der EnBW ergaben nun in der Brutperiode 2017 zumindest einen zweiten Milanhorst. Einen offiziellen Genehmigungsantrag hatte das Unternehmen daher gar nicht erst eingereicht.
Eine Nachricht, die auch beim Loipenverein Atzenberger Höhe für Aufatmen sorgt. Wegen der Gefahr durch Eiswurf von den Rotorblättern der Windkraftanlagen hatte der Verein über eine Verlegung und Teilschließung einiger Loipen nachgedacht. Zwar habe man mit der EnBW zusammen konstruktiv nach Lösungen gesucht, vor allem Teile der Genussloipe wären aber nicht zu halten gewesen, erklärt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Roland Roth. „Für die Loipen ist es sicher von Vorteil“, zieht er sein Fazit. Zudem hatte der Verein in jüngster Zeit in Streckentafeln und gedruckte Loipenpläne investiert, „die hätten wir einstampfen lassen können.“
Die Standortflächen waren im Februar 2015 von ForstBW ausgeschrieben worden. Nach Erteilung des Zuschlags hatte die EnBW zunächst die Windgeschwindigkeit gemessen und war zu dem Schluss gekommen, dass sich dort der Bau zweier Windkraftanlagen lohnt. Wie es nun mit der Fläche weitergehen wird, ist unklar. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, zu dem ForstBW gehört, äußerte sich am Dienstag nicht zu dem Thema.
Auch wie es mit der Bürgerinitiative „Gegenwind“nun weitergehen wird, ist offen. Für Sommer-Locher ist ein weiteres Engagement in Sachen Naturschutz denkbar. Genaueres werde spätestens bei der Jahreshauptversammlung im November beschlossen.
„Neue, alte Erfahrung“
In den Augen von Roland Haug, Bürgermeister der Gemeinde Ebersbach-Musbach, ist das Aus des geplanten Windparks nicht ganz überraschend. „Wir sind jetzt um eine neue, alte Erfahrung reicher“, sagt er. Denn Ebersbach-Musbach hatte gemeinsam mit dem Gemeindeverwaltungsverband Altshausen und den Gemeinden Wilhelmsdorf, Horgenzell, Wolpertswende und Fronreute ebenfalls an einem Teilflächennutzungsplan gearbeitet. Damals rückte die Atzenberger Höhe als Konzentrationszone für Windkraftanlagen in den Fokus. Wegen des Artenschutzes wurden die Planungen wieder auf Eis gelegt, denn es waren Rotmilane und Wanderfalken nachgewiesen worden. Außerdem hatte die Bundeswehr aufgrund einer Tiefflugzone Bedenken geäußert.
Umso überraschender war, dass die EnBW nun doch auf der Atzenberger Höhe einen Windpark plante – allerdings einige Hundert Meter weiter auf der Gemarkung des Bad Schussenrieder Teilorts Otterswang. Während Ebersbach-Musbach noch zum Regionalverband BodenseeOberschwaben gehört, in dem baden-württembergische Gesetze gelten, zählt Otterswang schon zum Regionalverband Donau-Iller. In dessen Wirkungsbereich gilt ein bayerischer Staatsvertrag. Der sieht vor, dass der Regionalverband das alleinige Planungsrecht für Windkraftanlagen hat. Auch die Hubschraubernachtflugschneise der Bundeswehr soll von den neuen Planungen nicht betroffen gewesen sein.
Auch Aulendorfs Bürgermeister Matthias Burth hat die Ankündigung der EnBW nicht überrascht. „Es war klar, dass es sehr, sehr schwer wird, das Projekt umzusetzen.“Die Auswirkungen für die Stadtbewohner seien nach den Plänen der EnBW allerdings ohnehin „sehr überschaubar“gewesen. Bad Schussenrieds Bürgermeister Achim Deinet war für eine Stellungnahme am Dienstag nicht erreichbar.