Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Warten auf das Gutachten
Schadenersatz-Prozess um Shredderwerk-Brand zieht sich hin – Brunnen ist nach wie vor außer Betrieb
ERTINGEN - Das Shredderwerk Herbertingen muss auf Anordnung des Sigmaringer Landratsamts nicht nur Boden und Grundwasser auf seinem Gelände sanieren (die SZ berichtete). Parallel dazu sieht es sich einer Schadenersatz-Forderung von 3,4 Millionen Euro seitens der Gemeinde Ertingen gegenüber. Einer der drei Brunnen der Gemeinde ist mit giftigen PFC, Perfluorierten Chemikalien, belastet. Ursache ist der Brand des Shredderwerks vor zehn Jahren, bei dem PFC-haltiger Löschschaum eingesetzt wurde. Gut zweieinhalb Jahre sind seit Einreichung der Klageschrift beim Landgericht Ravensburg vergangen, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Das Shredderwerk sperrte sich gegen einen Vergleich. Nun soll ein schon lang erwartetes Gutachten den Rechtsstreit voranbringen.
„Man wartet im Moment auf die Stellungnahme des Sachverständigen“, sagt Therese Müller-Rezbach, stellvertretende Pressereferentin am Landgericht Ravensburg, wo der Fall verhandelt wird. Die Wartezeit beträgt inzwischen schon 15 Monate. Damit war wohl zu rechnen. Denn als das Shredderwerk im Juli vergangenen Jahres den vom Landgericht vorgeschlagenen Vergleich widerrief, erklärte der damalige Pressereferent des Landgerichts, Mathias Geiser, dass es meistens Monate dauere, bis solche Gutachten vorlägen. Sie sind jedoch eine wichtige Grundlage für das Gericht, um zu einer Entscheidung zu kommen. Nun soll tatsächlich diesen Monat noch die Stellungnahme des Sachverständigen vorgelegt werden.
Die Vergleichssumme, die das Landgericht bei der sogenannten Güteverhandlung im April 2016 angeboten hatte, belief sich auf 1,4 Millionen Euro. „Die Gemeinde Ertingen hätte den Vergleich angenommen“, sagte Bürgermeister Jürgen Köhler zum damaligen Zeitpunkt. Nach Rücksprache mit der Versicherung befürchtete das Shredderwerk jedoch, aus der Annahme des Vergleichs könne ein Fass ohne Boden werden. Ertingen könnte über die 1,4 Millionen hinaus weitere Forderungen erheben – für den Bau und Betrieb eines neuen Brunnens etwa. Also widerrief das Unternehmen den Vergleich.
Ein Vertreter betonte dennoch: „Wir bedauern die Sache sehr und verstehen die Gemeinde.“Doch das Shredderwerk sei der falsche Adressat für Ertingen. Man sehe die Feuerwehr und das Sigmaringer Landratsamt in der Verantwortung. „Das Gefahrenpotenzial des Löschmittels war bekannt“, sagte der Unternehmensvertreter. Der Schaum sei zum Zeitpunkt des Brandes nicht mehr zum Verkauf zugelassen gewesen, man durfte lediglich Restbestände aufbrauchen. Das war auch der Grund für die Klage des Shredderwerks gegen das Land Baden-Württemberg, das die Verwendung der Restbestände zugelassen hatte. Verhandelt wurde vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen. Im November vergangenen Jahres konnten sich Shredderwerk und Landratsamt schließlich einigen, das Verfahren wurde abgeschlossen. Wie vom Gericht festgelegt, obliegt die Sanierungsplanung nun dem Unternehmen. Wie es im Rechtsstreit um den Brunnen der Gemeinde Ertingen weitergeht, ist indes noch völlig offen. Wenn das Gutachten des Sachverständigen vorliege, müsse unter Umständen noch einmal verhandelt werden, erklärt Therese Müller-Rezbach. „Wie lange das im Einzelnen dauern kann, ist schwer zu sagen.“