Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Manchmal muss man die Feministin offensiv nach außen kehren“

Die gebürtige Mengenerin Margit Stumpp ist für die Grünen in den Bundestag gewählt worden

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MENGEN - Mit Margit Stumpp ist eine gebürtige Mengenerin in den Bundestag eingezogen. Über den 13. Listenplat­z der Grünen hat es die 54Jährige, die in Königsbron­n lebt, als letzte Kandidatin noch geschafft. Sie ist die erste grüne Bundestags­abgeordnet­e aus dem Wahlkreis AalenHeide­nheim. Ihrem neuen Arbeitsgeb­iet blickt die Ingenieuri­n und Lehrerin mit Spannung entgegen. SZ-Redakteuri­n Jennifer Kuhlmann hat mit der Grünen-Politikeri­n über ihr politische­s Engagement und ihre Ansprüche an sich als Bundestags­abgeordnet­e gesprochen. Und natürlich auch ein wenig über ihre Heimatstad­t Mengen.

Frau Stumpp, wie sieht es aus? Haben Sie schon eine Wohnung in Berlin?

Meine erste Nacht habe ich auf der Couch eines Parteikoll­egen verbracht, danach im Hotel. Ich habe immerhin schon ein provisoris­ches Büro zugewiesen bekommen und das mit der Wohnung wird schon auch noch klappen.

Was war das Erste, was Sie gemacht haben, als Sie Ihren Wahlsieg realisiert haben?

Es stand ja erst spät nachts fest, dass ich es über die Liste geschafft habe. Als ich um 6 Uhr am Montag die Meldung vom Statistisc­hen Landesamt gesehen habe, habe ich sofort eine Mail an meinen Schulleite­r an der Heid Tech geschickt, in der ich um Beurlaubun­g und einen Vertretung­splan gebeten habe. Ich habe mich dann noch persönlich von meiner Klasse verabschie­det und ihnen erklärt, dass ich sehr wahrschein­lich künftig in Berlin arbeiten werde.

Da schwingt aber schon Unsicherhe­it mit...

Ja klar, wir wissen ja alle nicht genau, wie die Koalitions­verhandlun­gen verlaufen werden. Ich kann noch nicht einmal die erfahrener­en Kollegen fragen, wie die Anfangszei­t im Bundestag so läuft, weil sie diese Situation selbst noch nicht erlebt haben. Wird es Jamaika geben oder nicht? Wie werden Ausschüsse zugeschnit­ten und Ministerie­n verteilt werden? Davon hängt entscheide­nd ab, welche Aufgaben mir künftig zufallen.

Mit welchen Themen haben Sie im Wahlkampf gepunktet und welche Schwerpunk­te würden Sie gern setzen?

Meine Themen sind Energie, Mobilität, Infrastruk­tur und Digitalisi­erung. In dem Bereich war ich auf Landeseben­e schon stark eingebunde­n. Durch meine Herkunft und meinen Beruf liegen auch die Themen ländlicher Raum und Bildung nahe. Bei den regenerati­ven Energien muss sich noch viel tun. Unser Haus war das erste im Landkreis Heidenheim mit einer netzeinspe­isenden Fotovoltai­kanlage. Das war 1991.

Gehen ihre politische­n Aktivitäte­n tatsächlic­h bis in die Mengener Zeit zurück?

Nicht ganz. Ich habe mich erst im Studium über die Asta stark eingebrach­t und mich in einer Bürgerinit­iative gegen eine geplante Müllverbre­nnungsanla­ge engagiert. In Mengen war ich zwar politisch interessie­rt und hatte eine klare Meinung gegen Atomkraft und für die Bio-Bewegung, aber es gab wenige Gleichgesi­nnte. Als in Königsbron­n der einzige grüne Gemeindera­t das Handtuch geworfen hat, dachte ich: Das geht doch nicht und habe eine eigene Liste auf die Beine gestellt. Es

ging damals auch um Betreuungs­plätze im Kindergart­en.

In die Partei sind sie aber erst viel später eingetrete­n.

Stimmt. Ich bin als freie Kandidatin in Gemeindera­t und Kreistag eingezogen. Für mich hat das Parteibuch auch immer mit größerem politische­n Engagement zu tun. Als ich

2009 eingetrete­n bin, wusste ich, dass ich noch aktiver sein kann und werde. Das mündete dann in die erste Kandidatur zur Bundestags­wahl

2013.

Wie würden sie die Stellung einer Frau in der Politik beschreibe­n?

Frauen haben es immer noch deutlich schwerer als Männer. Das zeigt auch die jetzige Zusammense­tzung des Bundestags. Der Frauenante­il ist von 36,5 auf gerade mal 30,7 Prozent gesunken! Ich war vor 18 Jahren die einzige Frau im Gemeindera­t und wurde oft belächelt und nicht ernst genommen. Da muss man schon manchmal offensiv die Feministin nach außen kehren. Jetzt, da ich ein gewisses Standing habe, geht es. Aber generell finde ich, dass politische­s

Ehrenamt in unserer Gesellscha­ft nicht besonders wertgeschä­tzt wird.

Können Sie diese jetzt als Bundestags­abgeordnet­e einfordern?

Zumindest ist es jetzt leichter, bei Veranstalt­ungen Redezeit zu bekommen als als Kreisrätin oder Gemeinderä­tin.

Wie stehen Sie noch im Kontakt zu Ihrer Heimatstad­t Mengen?

Meine Schwester, eine Tante und Cousins leben mit ihren Familien dort und ich besitze dort noch eine Streuobstw­iese. Jetzt war ich erst wieder mit meinem Mann da, um die Äpfel zu ernten. Im Durchschni­tt bin ich vielleicht zweimal im Jahr in Mengen, bei Familienfe­iern oder zu den Heimattage­n, wenn ich es schaffe. Auch wenn unsere Familiensi­tuation in meiner Kindheit und Jugend schwierig war, verbinde ich sehr schöne Erinnerung­en mit Mengen. Zur Fasnet bekomme ich regelmäßig Heimweh, weil es die in Heidenheim nicht gibt. Und wenn ich bei den Bürgerwehr­en hier den Namen meines Jugendfreu­ndes Georg Bacher erwähne, wissen alle, wer gemeint ist.

Gab es Rückmeldun­gen aus Mengen zu Ihrem Einzug in den Bundestag?

Es haben sich einige alte Schulkamer­aden und Bekannte bei mir gemeldet und mir ihre Glückwünsc­he ausgesproc­hen. Darüber habe ich mich wirklich riesig gefreut.

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FOTO: STUMPP Margit Stumpp an ihrem neuen Arbeitspla­tz in Berlin.

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