Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gesundheitsschutz: Betriebsräte gefordert
Arbeitnehmervertreter können Gefährdungsbefund einfordern – Treffen im Landratsamt
SIGMARINGEN - Arbeiten soll im besten Fall nicht zur Gefahr für die Gesundheit werden. Hohe Krankheitszahlen und zunehmender Druck auf Arbeitnehmer durch neue digitale Arbeitsmittel und neue Arbeitsformen zeigen aber, dass die Realität anders aussieht. Moriz Boje Tiedemann, politischer Sekretär der IG Metall in Frankfurt, sieht deshalb Handlungsbedarf für Betriebs- und Personalräte. Den formulierte er bei einem Treffen von Vertretern von Gewerkschaften, Berufsverbänden sowie Betriebs- und Personalräten aus dem Landkreis im Landratsamt Sigmaringen. Landrätin Stefanie Bürkle hatte dazu eingeladen.
Der unscheinbare Buchstabe „n“sollte in der Einladung den Unterschied verdeutlichen. Um die „alternsgerechte“Arbeitsplatzgestaltung ging es ebenso wie um die „altersgerechte“. Während es bei Letzterer darum geht, älteren Beschäftigten trotz gesundheitlicher Einschränkungen möglichst lange einen Verbleib in ihrem Beruf zu ermöglichen, betont die erste Variante das Ziel, das Älterwerden am Arbeitsplatz möglichst ohne Gefährdungen der Gesundheit zu ermöglichen. Stärker in den Fokus treten deshalb präventive Maßnahmen „zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten“.
Mitbestimmungsrechte hält der Referent für weitreichend
„Die Altersverteilung in der Gesellschaft legt nahe, dass in den Unternehmen der Anteil älterer Arbeitnehmer steigen wird“, so Tiedemann. Derzeit erreichen aber 23 Prozent der Arbeitnehmer nicht das reguläre Eintrittsalter für die gesetzliche Rente. Diese Mitarbeiter gehen den Unternehmen verloren. Auf der anderen Seite bedeutet der frühere Renteneintritt für die Beschäftigten Einkommenseinbußen. Ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement, altersgerechte Arbeitsplätze und die gesundheitsverträgliche Reduzierung von Leistungsanforderungen könnten helfen, ältere Arbeitnehmer länger im Betrieb zu halten.
„Innovative Unternehmen brauchen gesunde, motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter“, so Tiedemann. Für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber deshalb „konstruktiv zusammenarbeiten“.
Die Mitbestimmungsrechte im Bereich Gesundheitsschutz sind nach Ansicht des Referenten weitreichend. So könnten die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber sogenannte Gefährdungsbeurteilungen verlangen. Dabei werden Arbeitsbedingungen ermittelt, die gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge haben können. Besondere Beachtung gelte dabei den Belastungen, die zu psychischen Krankheiten führen könnten. Der Druck, Aufgaben unter starkem Zeitdruck bewältigen zu müssen, nennt Tiedemann als einen Grund für die Zunahme psychischer Erkrankungen.
Dass die Betriebs- und Personalräte ihre Möglichkeiten in diesem Bereich noch nicht ausgeschöpft haben, zeigt Tiedemann mit einer Statistik. Bundesweit wurde nur in jedem zweiten Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Nur in jedem vierten wurden Maßnahmen ergriffen, um gesundheitsgefährdende Situationen zu verbessern. Schon bei der Begrüßung hatte Rudolf Christian vom DGB-Kreisverband deshalb die Bedeutung von Betriebs- und Personalräten betont. Nur mit Arbeitnehmervertretung gebe es die Möglichkeit, für die Arbeitnehmer beim Gesundheitsschutz Verbesserungen zu verlangen. Von guten Erfahrungen im Zusammenwirken mit dem Personalrat berichtete auch Stefanie Bürkle. So sei über das Gesundheitsmanagement eine Vereinbarung mit der Arbeitnehmervertretung geschlossen worden. Inzwischen ist der Krankenstand im Landratsamt leicht gesunken.