Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schwarze Null und grüner Ärger
Einig, nicht einig, einig – bei den Sondierungsverhandlungen wächst die Nervosität
BERLIN - Am Mittwochmorgen kommt das Papier der Jamaika-Sondierungsgespräche an die Öffentlichkeit. Es beinhaltet gute Nachrichten für die Steuerzahler: Die Gesprächspartner seien sich einig, heißt es da, untere und mittlere Einkommen und Familien mit Kindern zu entlasten, den Solidaritätszuschlag abzubauen, die energetische Gebäudesanierung und den Mietwohnungsbau zu fördern. Doch schon im Morgenmagazin gießt der Grüne Jürgen Trittin Wasser in den Wein. „Ich bin sehr pessimistisch, was den kompletten Abbau des Soli angeht.“Den aber hat sich die FDP auf die Fahnen geschrieben und schon nächtens als Erfolg vermeldet.
Wenn es um Geld geht, hört gemeinhin die Freundschaft auf. Doch bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin sah es erst einmal nicht so aus. „Es war ein langer Abend, aber er hat sich gelohnt“, so CDU-Generalsekretär Peter Tauber eine Viertel Stunde nach Mitternacht. Die Sondierungsrunde zum Thema Finanzen und Europa war die erste Runde, bei der es konkreter wurde.
Einig sind sich alle Beteiligten auch noch am nächsten Morgen, dass der ausgeglichene Haushalt kommen soll und die Schuldenbremse eingehalten werden muss. Auf dieser Basis sollten die Spielräume festgestellt werden.
Ist zum Beispiel die von der CSU gewünschte Mütterrente drin? „Ich habe nichts dagegen“, sagt Jürgen Trittin, gibt aber dann zu bedenken, dass sie jede Dimension sprengen würde. Auch die Verteidigungsausgaben stehen auf dem Prüfstand. Man müsse überlegen, ob man 14 Milliarden für Rüstung oder acht Milliarden für Entwicklungszusammenarbeit ausgebe, so Trittin.
Grünes Misstrauen
Die grüne Basis beäugt unterdessen misstrauisch die Verhandelnden. Dass Parteichef Cem Özdemir, besonders aber Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in Ministerämter streben, stößt einigen übel auf. Um so vorsichtiger agieren die beiden.
Als nun noch in der Nacht FDPVize Wolfgang Kubicki verspricht, dass der Soli „in dieser Legislaturperiode komplett abgebaut“werde, rudern die Grünen zurück.
Katrin Göring-Eckardt stellt am späten Morgen klar: Man habe eine Interpretation zur Kenntnis bekommen, die nicht dem entspreche, was verabredet worden sei. „Ich will klarstellen: Wir haben keine Verabredung in der Sache getroffen, sondern wir haben eine Verabredung über den Fahrplan getroffen, über diejenigen Themen, die wir im Finanzbereich auf die Agenda setzen werden.“
Ja, man habe sich darauf geeinigt, dass man eine solide Finanz- und Haushaltspolitik brauche, so Katrin Göring-Eckardt weiter. „Und wir haben uns auf Punkte geeinigt, die wir miteinander diskutieren wollen. Dazu gehört definitiv die Entlastung für Familien, besonders im unteren und mittleren Einkommensbereich. Dazu gehört die Diskussion über ökologisch schädliche Subventionen, die wir auch brauchen, um die Klimaschutzziele einzuhalten. Und dazu gehört selbstverständlich auch die Forderung der FDP nach dem Solizuschlag.“Doch alles sei am Schluss unter einem Finanzierungsvorbehalt zu diskutieren.
Das entspricht so ziemlich genau der grünen Linie, dass nichts verhandelt ist, bevor nicht alles verhandelt ist. Die Grünen wollen schließlich schon das Sondierungsergebnis auf einem Parteitag zur Abstimmung stellen. Die CDU will es allerdings auch auf ihrer Klausurtagung Mitte November auf dem Tisch haben. Am heutigen Donnerstag geht es mit den schwierigen Themen Klima, Umwelt und Flüchtlinge weiter. Hier liegen insbesondere die Union und die Grünen auseinander. Während die Union ein klares Signal geben will, dass man die Zahl der Flüchtlinge begrenzt, bestehen die Grünen auf dem Familiennachzug. Kompromisslinien deuten sich allerdings an. Es könnte Kontingentlösungen für Familiennachzügler geben, heißt es. Allerdings nur unter der Prämisse, dass die Zahlen insgesamt nicht weiter wachsen. Klar ist aber jetzt schon, dass dieses Thema besonders CSU und Grüne entzweit.
Für CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer geht es darum, den Bürgern auch angesichts des Bundestagswahlergebnisses zu zeigen: „Ja, wir haben verstanden, es kann kein „Weiter so“an dieser Stelle geben.“
In der Klimapolitik wiederum wollen die Grünen punkten. Deshalb erwarten sie von Union und FDP ein klares Zeichen, dass Deutschland seine Klimaziele erreichen will. Beim Kohleausstieg, den die Union ja auch will, ist auf jeden Fall eine Beschleunigung zu erwarten.