Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Reutlinger Tunnel löst längst nicht alle Probleme

Ab heute rollt der Verkehr durch den Tunnel – Der Bau von weiteren Umfahrunge­n soll folgen

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REUTLINGEN - Ab Samstag rollt der Verkehr durch den Scheibengi­pfeltunnel Reutlingen. Der Tunnel ist das zentrale Bauwerk der 3,1 Kilometer langen Stadtumfah­rung. Wer über die Schwäbisch­e Alb kommt und durch Reutlingen in Richtung Stuttgart fährt, für den soll der Tunnel Verbesseru­ngen bringen. Doch es gibt auch skeptische Stimmen, die der Meinung sind, dass der Tunnel erst die gewünschte Entlastung bringt, wenn die sogenannte Dietweg-Trasse fertig ist. Welche Verkehrspr­ojekte sonst noch rund um Reutlingen angedacht sind und wie sich dies für die Autofahrer aus dem Landkreis Sigmaringe­n auswirken könnte? Antworten auf wichtige Fragen.

Welche Entlastung erhoffen sich die Planer durch den Scheibengi­pfeltunnel?

Der baden-württember­gische Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) sprach bei der Eröffnung von 20 000 Fahrzeugen, die täglich durch den Tunnel rollen. Pro Tag quälen sich momentan rund 35 000 Fahrzeuge durch die Reutlinger Innenstadt auf der bestehende­n Bundesstra­ße vorbei an der Stadthalle in Richtung der nach Stuttgart führenden Bundesstra­ßen 27/312.

Wie erfolgt die Verkehrsfü­hrung künftig?

Von Sigmaringe­n in Richtung Stuttgart geht es über die Stadtumfah­rung durch den Tunnel. Am Tunnelende erfolgt die Beschilder­ung in Richtung Metzingen und über die B 312 durch das Aichtal auf die Bundesstra­ße 27. Der Vorteil: Die Reutlinger City kann künftig umfahren werden.

Wie wirkt sich dies auf die Fahrzeit aus?

Dies ist schwierig zu sagen. Der Projektlei­ter des Regierungs­präsidiums, Norbert Heinzelman­n, kann sich vorstellen, dass der Tunnel den Autofahrer­n bis zu 15 Minuten bringt. Vor allem in der Hauptverke­hrszeit sei die Entlastung spürbar, sagte Heinzelman­n der SZ.

Worin ist die Skepsis der Kritiker begründet?

Der Sigmaringe­ndorfer Bürgermeis­ter Philip Schwaiger, der aus Pliezhause­n im Kreis Reutlingen stammt und deshalb die Verhältnis­se kennt, ist der Meinung, dass die bestehende zweispurig­e B 312/313 in Richtung Metzingen diese Verkehrsme­nge nicht schlucken kann. „Die Straße ist jetzt schon voll“, sagt er. Schwaiger befürchtet Staus auf der B 312 im Aichtal. Die Folge: Autofahrer würden sich Ersatzrout­en suchen. Dann würde der Verkehr die Reutlinger Stadtteile Sondelfing­en, OrschelHag­en und Rommelsbac­h verstopfen. „Lokalpolit­iker sehen dies auch so“, sagt Schwaiger.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Die Lösung heißt Dietweg-Trasse. Ab dem Nordportal des Scheibengi­pfeltunnel­s müsste die Ortsumfahr­ung weitergeba­ut werden. Und zwar durch das Gewerbegeb­iet und die Wohngebiet­e als Verbindung­sstraße in Richtung der B 464. Der Verkehr würde vom Tunnelende also auf die bestehende B 464 geführt. Das ist der Zubringer, über den momentan schon die Anbindung an die B 27 erfolgt. Laut Bundesverk­ehrswegepl­an ist dieses 2,5 Kilometer lange Teilstück im vordringli­chen Bedarf und würde knapp 50 Millio- nen Euro kosten. Ohne diesen Lückenschl­uss ist der Scheibengi­pfeltunnel also nur halb so viel wert.

Warum ist die Dietweg-Trasse noch nicht umgesetzt?

Dies liegt am Reutlinger Gemeindera­t, der sich gegen die Trasse ausgesproc­hen hatte. Und zwar mit einer Stimme Mehrheit. Das Zünglein an der Waage war mit ihrem Nein Oberbürger­meisterin Barbara Bosch. Aus diesem Grund stellte der Bund die Planungen zurück. Jetzt sollen sie wieder aufgenomme­n werden – auf einer verbessert­en Linie.

Wie sähe ein optimaler Ausbau der aus dem Kreis Sigmaringe­n in Richtung Stuttgart führenden Straßen aus?

Hier kommen die Ortsumfahr­ungen von Honau und Unterhause­n ins Spiel. Untersucht wurden sechs Varianten. Laut Lichtenste­ins Hauptamtsl­eiter Steffen Sautter ist die Variante 1b der Favorit. Die beiden Ortschafte­n könnten komplett umfahren werden. Laut Bundesverk­ehrswegepl­an ist eine 8,7 Kilometer lange Straße vom Beginn der Honauer Steige durch das Echaztal bis zum Ortsende von Unterhause­n geplant. Eine Kehre der Honauer Steige wird über einen 380 Meter langen Tunnel umgangen. Die Umgehung würde dann an Honau vorbei parallel zur stillgeleg­ten Zahnradbah­n ins Tal führen. Vor Unterhause­n fädelt der Verkehr dann in einen rund 1,8 Kilometer langen Lärmschutz­tunnel ein. Die Gesamtkost­en des Projekts werden auf rund 140 Millionen Euro geschätzt.

Was würde dies für die Fahrzeit von Sigmaringe­n in Richtung Stuttgart bringen?

Die Aussichten sind verlockend. Wenn alle Ortsumfahr­ungen – also Honau, Unterhause­n und die Dietweg-Trasse – fertiggeba­ut wären, würde man es über den bestehende­n Scheibengi­pfeltunnel und den Ursulaberg­tunnel von Sigmaringe­n bis zum Flughafen nach Stuttgart problemlos in weniger als einer Stunde Fahrzeit schaffen. Doch damit sich kein Autofahrer aus dem Kreis zu früh freut: Bis dies soweit ist, werden Jahrzehnte vergehen.

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FOTO: FXH Ab heute fließt der Verkehr durch den Scheibengi­pfeltunnel.

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