Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Balsam für schwäbische Herzen
Die „rollende Schwabenkanzel“legt in Sigmaringen ihren Endspurt hin
SIGMARINGEN - Am Reformationstag hat die „rollende Schwabenkanzel“im Zuge des Predigerwettstreits Quartier im Foyer der Sigmaringer Stadthalle bezogen. Es war der fünfte und zugleich letzte Auftritt. Von den fächerartig arrangierten Tischen blickte man zugleich auf das ins warme Licht der Abendsonne eingetauchte Hohenzollernschloss.
Der oberschwäbische, in Wort und Musik geübte Barde Bernhard Bitterwolf begrüßte die rund 100 Gäste und sorgte sogleich für eine lockere Atmosphäre. Da staunten die wenigen „Reigschmeckten“nicht schlecht, als er Geduld anmahnte: Man sei doch noch vier Tage vom Badetag der Schwaben entfernt. Nun lüftete er auch das Geheimnis eines mittelalterlich anmutenden Saiteninstruments: Ein Scheitholz sei es und die Töne ließen sogleich an den Mann erinnern, der als so etwas wie der Pate der neuzeitlichen Prediger fungiert: Barockprediger Abraham a Santa Clara und gebürtiger Kreenheinstettener. Ein hoher Anspruch für die achtköpfige, fidele Truppe aus Mundartautoren, die zum Wettstreit angereist waren.
Bitterwolf erklärte kurz das Prozedere der Stimmenvergabe und das des Ablaufs. Stets gab es ein Leitthema für die Prediger, heute sei es das „Wasser“. Ja, und unveröffentlicht sollten die Texte sein, die gesprochen, gesungen, an die heutige Zeit angepasst, mit schauspielerischem Talent angereichert sein durften. Drei Prediger, Paul Sägmüller, Elisabeth Oswald und Anton Munding nutzten die erste von drei thematisch unterschiedlichen Runden zur Punktejagd.
Skuppin feuert ins Publikum
Pauls Aphorismen erforderten die Aufmerksamkeit einer Predigt. Elisabeths Fürbitten kamen da schon liebreizender. Für alle, auch Antons Gesang, gab es braven Applaus, Punkte gab es noch keine. Runde zwei eröffnete Hugo Breitschmid, der mit seinem Reim über den „Wackeldackel vom Federsee“und die magische Wirkung des Weihwassers einen ersten echten Angriff auf die Lachmuskeln der Gäste startete. Dass er permanent im Ländle auftritt, merkt man. 67 Punkte waren sein Lohn. Michael Skuppin, ein preisverwöhntes Unikat, feuerte gnadenlos Salve für Salve ins Publikum. Kaum ein Thema ließ er aus und bestach durch seine thematische Treffsicherheit – von Stuttgart 21 über Laiz, das in einem Stausee verschwinden könnte – und dass es Leute gäbe, die darüber nicht traurig wären, das Chaos der Elektromobilität und, und, und. Hochverdiente 80 Punkte.
Anton Munding setzte mit melancholischen Maulorgelklängen und scharfer Kritik an den Auswüchsen einer Industriegesellschaft Akzente, die das gerade noch tobende Publikum erstarren ließen. Dass so viel Traurigkeit auf die Stimmung schlagen kann, bewiesen 56 Punkte. Doch eines machte das auch klar: Er blieb konsequent bei seiner Botschaft, vielleicht gar nicht so weit entfernt von den Inhalten der Sondierungsgespräche in Berlin. Da tat ein Biss in die wohlschmeckenden Seelen und ein Schluck des guten Roten wirklich gut.
Paul Sägmüller blieb seinem Konzept treu. Der Religionsunterricht war schwer verdaulich und am Reformationstag allemal. 47 Punkte die Antwort. Elisabeth Oswald nahm sich in herrlichen Reimen der Donau an. 59 Punkte – sie schien zufrieden. In Runde drei waren die sieben Akteure frei jeder thematischen Vorgabe. Hugo gab erfolgreich wieder den Humoristen, Melanie Vollmayer ein gelungenes Debüt. Wolfgang Heyer, ein junger Typ, zeigte mit seinem „Loblied aufs Schwäbische“, worin der Unterschied zu echtem Poetry Slam liegt. Ein Profi, der in einer anderen Liga spielt. Stolze 78 Punkte. Michael Skuppin spornte der Erfolg des Jungspunds an und er kam wortgewaltig und am Ende mit einer Spur Kritik am Format der rollenden Schwabenkanzel auf maximale 80 Punkte.