Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kanada wirbt um junge Zuwanderer
Ahmed Hussen kam einst als Flüchtling aus Somalia nach Kanada. Anfangs ohne Geld, ohne Wohnung, ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Hussen jobbte für sieben Dollar pro Stunde an einer Tankstelle, bekam einen Studienkredit und lernte nebenher fleißig Englisch und Französisch. Später studierte er Rechtswissenschaften.
Heute ist der Flüchtling von einst Minister für Staatsbürgerschaft und Einwanderung in der Regierung von Premierminister Justin Trudeau. Es ist ein Posten, der ihm auf den Leib geschnitten ist. Schließlich hatte er einst selbst von der liberalen Einwanderungstradition seines Landes profitiert und es weit gebracht.
Am Mittwoch nun setzte Hussen die liberalen Traditionen fort und stieß mit neuen Zuwanderungsquoten die Türen seines Landes weit auf: Knapp eine Million Menschen will Hussen in den nächsten drei Jahren neu ins Land holen. „Wir glauben, dass Zuwanderer für die Zukunft unseres Landes eine entscheidende Rolle spielen“, betonte er in Toronto. Sein Land brauche deutlich mehr Einwanderer, um angesichts der niedrigen Geburtenraten und der alternden Gesellschaft die demographischen Herausforderungen zu bewältigen und die Sozialsysteme zu sichern, betonte Hussen. Auch für das wirtschaftliche Wachstum und die Innovationsfähigkeit Kanadas spielten die Neubürger eine wichtige Rolle.
Kanada geht mit dem neuen DreiJahres-Plan dabei einen ausdrücklich anderen Weg als der Nachbar USA, wo Präsident Donald Trump die Zuwanderung einschränken und Einbürgerungen erschweren will. Auch in vielen Ländern Europas wird die Zuwanderung angesichts der weltweiten Flüchtlingskrise zunehmend kritisch diskutiert. Nicht so in Kanada.
Punktesystem und Online-Pool
Als traditionelles Einwanderungsland will Kanada auch zukünftig um junge Zuwanderer mit guter Ausbildung und Qualifikation werben. Knapp 60 Prozent aller Neuankömmlinge sollen anhand beruflicher Kriterien und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausgewählt werden. Das sind pro Jahr zwischen 177 000 und 196 000 Fachkräfte. Dazu hat Kanada unter anderem das Express-Entry System geschaffen, eine Art Punktesystem und Online-Bewerberpool.
Aus diesem Pool können sich Staat und Arbeitgeber die passenden Bewerber auswählen. Gefragt sind derzeit unter anderem Handwerker, Techniker, IT-Spezialisten, Krankenschwestern, Physiotherapeuten und Angehörige von Pflegeberufen. Auch die einzelnen Regionen Kanadas dürfen sich Zuwanderer gemäß ihren regionalen Erfordernissen aussuchen.
Um die Integration der Neuankömmlinge zu beschleunigen, hat die kanadische Regierung außerdem die Regeln zur Einbürgerung gelockert. Ab sofort können Zuwanderer mit einem permanenten Aufenthaltsstatus schon nach drei Jahren in Kanada einen kanadischen Pass beantragen. Bislang waren es vier Jahre gewesen. Ältere Familienangehörige können ohne Spracherfordernisse eingebürgert werden.
Für Ahmed Hussen, den Einwanderungsminister, gehört auch das zu einer guten Einwanderungspolitik dazu. „Wir dürfen uns nicht nur Gedanken machen, wie wir Zuwanderer ins Land holen“, sagte er. „Wir müssen ihnen auch die Mittel dazu geben, bei uns erfolgreich zu sein.“