Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Von der Kunst des jähen Abschalten­s

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Ach ja, was ist das für eine wundervoll­e Utopie: einfach abzuschalt­en und zu hoffen, dass in dem Moment, wo wir den Schalter umlegen, dann auch schon alles gut werden wird. Genauso wie Kinder überzeugt sind, unsichtbar zu sein, wenn sie sich bei drohender Gefahr nur fest genug die Augen zuhalten.

Donnerstag­nacht hat ein sympathisc­her Traumtänze­r etwas ähnlich Zauberhaft­es getan und die Welt für einen kurzen, magischen Moment aufatmen lassen, indem er das ohrenbetäu­bende Getöse von Donald Trump für viel zu kurze elf Minuten zum Schweigen brachte. Dazu war kein Würgegriff nötig, keine komplizier­te Geheimoper­ation. Der gute Mann hatte einfach das Konto des Präsidente­n beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter, wo er angestellt ist, für einen süßen Moment verschwind­en lassen. Schwups. Einfach so. Die dadurch eintretend­e Stille erwies sich als fast ebenso ohrenbetäu­bend wie die Tiraden von Mr. Trump.

Inzwischen ist der schöne Spuk schon wieder vorbei. Der Präsident kann wieder ungefilter­t vom Leder ziehen. Und wir reiben uns die Augen, verspüren einen leichten Stich, weil wir jetzt wieder wissen, wie sich das anfühlt, wenn kein Trump mehr auf Sendung ist. Um uns dieses Gefühl für kalte Tage zu konservier­en, träumen wir einstweile­n selbst vom Abschalten. Zum Beispiel den Laubbläser des Nachbarn, nur für elf Minuten. Und wenn das mit dem Abschalten nicht freiwillig klappt, kapern wir eben das Laub-Getöse-Gebläse, nehmen flugs Reißaus, kauern kichernd in einer Ecke, die Hände fest vor die Augen gepresst, weil uns dann ja niemand sehen kann. (nyf)

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FOTO: SZ Zauberhaft­e Momente: Wenn der Laubbläser schweigt – oder Trumps Twitterkon­to verschwind­et.

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