Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein Garten für alle
Serena Engel und Jared Rust bauen auf ihrem Hof in Kißlegg Gemüse an – und verschenken es
KISSLEGG - Mangold, Petersilie, Lauch und Grünkohl. Dunkelgrün zeichnen sich die Pflanzen vor dem blauen Himmel ab. Daneben wachsen Dahlien mit großen gelben und roten Blüten. Am Horizont ist die Alpenkette zu sehen. „DinosaurierGrünkohl heißt die Sorte“, erklärt Jared, zeigt auf ein besonders groß gewachsenes Exemplar mit am Rande gekringelten Blättern und lacht.
Die Begriffe für die einzelnen Pflanzen auf ihrem Acker mussten Jared Rust und seine Frau Serena Engel erst lernen. Er stammt aus den USA, sie aus Australien. Nun leben sie in Rempertshofen bei Kißlegg (Landkreis Ravensburg) und bewirtschaften einen kleinen Hof. Dazu gehört auch der Garten mit Panaromablick übers Allgäu. Ein Garten, den sie für alle geöffnet haben.
Seit genau zwei Jahren lebt das Paar im Allgäu. Kennengelernt haben sie sich allerdings im rund 10 000 Kilometer entfernten Taiwan: Beide traten als Musiker in verschiedenen Bands auf demselben Festival auf. Beiden war klar: Zurück in die jeweilige Heimat wollen sie nicht. Die Wahl für eine neue, gemeinsame Heimat fiel auf Deutschland. Zum einen, weil Serena familiäre Wurzeln nahe Stuttgart hat, zum anderen, weil ihnen die vielfältige Kultur in Deutschland gut gefällt. „In den USA und auch in Australien kam uns das Leben oft oberflächlich vor. Hier helfen sich die Menschen gegenseitig, achten auf die Umwelt. Das gefällt uns“, sagt die 22-jährige Serena. Sie ist die inoffizielle Gartenchefin des Duos. Auf einem Hof in Kißlegg hat sie gelernt, wie man heimische Pflanzen anbaut, hegt, pflegt und erntet. Seit einem Jahr nun läuft ihr eigener Garten gut und wirft Ernte „ohne Ende“ ab, bestätigen die beiden. „Im Sommer hatten wir Wochen, da hätten wir täglich 20 Kilogramm Zucchini essen können“, erinnert sich Serena.
Eine Menge, die das Paar und Sohn Iroh selbst gar nicht alleine essen können. Und das wollen sie auch nicht: Ihr Acker und die Ernte sind für die Allgemeinheit gedacht. Alles, was die kleine Familie nicht selbst isst und über den Winter einlagert, ist für Nachbarn, Freunde und Fremde gedacht. „Wir freuen uns, wenn Menschen vorbeikommen, sich Gemüse aus unserem Garten holen und sich dann wiederum darüber freuen“, erklärt Serena. Das selbst angebaute Gemüse sei ein Grundrecht für jeden, sagt sie. Einige Nachbarn aus Kißlegg würden mittlerweile auch regelmäßig vorbeikommen. Manche gehen einfach selbstständig auf den Acker, manche klingeln und fragen nach Gemüse. „Es gibt so viel, sie dürfen gerne kommen und einfach ernten“, sagt Jared. Der Sinn ihres Ackers sei schließlich ein Gemeinschaftsgarten. Besonders freue es sie, wenn Kinder mitkämen, vielleicht zum ersten Mal eine Karotte selbst ernten und dann direkt im Garten essen, sagt Serena. Etwa zehn Prozent der Ernte verkaufen sie außerdem an vier Restaurants aus der näheren Umgebung. Vor allem Salat würden diese abnehmen, erzählt Jared. Noch habe der Hof zwar kein offizielles Bio-Siegel, die Zertifizierung laufe aber.
Doch der Garten ist nicht ihr einziges Projekt. Die beiden Musiker treten gemeinsam als Band „Die Stangenbohnen Partei“auf. Bei Festivals in der Region, auf Kleinkunstbühnen und auf privaten Feiern spielen sie Folk, Bluegrass, Jazz und Blues. Mit diesen Auftritten finanzieren sie sich und den Garten hauptsächlich. „Ganz am Anfang waren wir auch als Straßenkünstler unterwegs“, erinnert sich Jared. Doch bald klingelte das Telefon und E-Mails mit Aufträgen trudelten ein. „Es hat geklappt.“Er ist der inoffizielle Musikchef des Duos, organisiert ihre Auftritte. Doch auf der Bühne gibt es sie nur im Duett: Serena am Cello und Jared an der Gitarre. Ihr ganzer Stolz ist derzeit die erste gemeinsame CD, die kurz vor der Fertigstellung steht. Zwölf selbst komponierte Stücke werden unter anderem darauf zu hören sein, aufgenommen im selbst renovierten Musikraum in Rempertshofen. Musikerfreunde aus der ganzen Welt, von Taiwan über Australien bis nach England, haben daran mitgewirkt. Der Name „Stangenbohnen Partei“für ihr Duo entstand vor rund zehn Jahren. „Wir als Band sind auch so etwas wie eine Partei, haben wir gescherzt,“erinnert sich Serena. Denn die Konzertbesucher hören zu, was man zu sagen hat.
Wintergarten für Setzlinge
Den Winter über wird es nun ruhiger werden. Das Gemüse auf dem Acker wird bis auf ein paar Kohlsorten, Zwiebeln und Kartoffeln nach und nach weniger. Auch Konzerte spielen sie seltener als im Sommer. Dann haben sie Zeit für Renovierungsarbeiten. Nach dem Musikraum steht als nächstes ein Wintergarten auf dem Plan. Hier wollen die beiden ihre empfindlichen Setzlinge für den Garten anzüchten. Damit im kommenden Sommer noch mehr Nachbarn, Freunde und Fremde von ihrer Ernte abhaben können.
Wie die beiden musizieren, sehen Sie in einem Video unter www.schwäbische.de/stangenbohnen