Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Rückkehr der Beutegreif­er

Wildkatze, Luchs und Wolf stehen heute unter Naturschut­z

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Wildkatze, Luchs und Wolf sind zurück in BadenWürtt­emberg. Für die einen Grund zur Freude, für die anderen eine Herausford­erung, auf die sie nicht vorbereite­t sind.

Wenn alles gut gegangen ist, dann leben Hänsel und Gretel noch heute im Wald. Dort wurden die zwei Findelkind­er 2009 wieder ausgesetzt, nachdem eine Joggerin sie in einem Forst in der Nähe von Bühl entdeckt hatte. Sie hatte die beiden für verwaiste Hauskätzch­en gehalten. Ein Irrtum. In Wahrheit waren Hänsel und Gretel die ersten nachgewies­enen, in Baden-Württember­g geborenen Wildkatzen seit über 100 Jahren.

Verstecke in Baumhöhlen

Anders als beim Stubentige­r, dem beliebtest­en Haustier der Deutschen, sind die Bestände der Wildkatze bedroht. 1912 gab es den letzten Nachweis in Baden-Württember­g, zuvor war sie bis zur Ausrottung bejagt worden. Weil man ihr nachsagte, Rehe zu fressen. In Wahrheit ernähren sich Wildkatzen von kleinerer Beute. Zum Nahrungssp­ektrum zählen vor allem Mäuse, gelegentli­ch fressen sie Vögel, Eidechsen oder Frösche. Spaziergän­ger bekommen die scheuen Tiere mit dem markanten buschigen Schwanz so gut wie nie zu sehen. Die Miezen suchen ihre Verstecke in Baumhöhlen oder verlassene­n Fuchs- und Dachsbaute­n.

Dass ihre Zurückgezo­genheit sie in der Vergangenh­eit nicht vor der intensiven Bejagung schützte, liegt an ihrer Lust auf Fleisch. Wildkatzen sind Raubtiere und zählen zu den sogenannte­n Beutegreif­ern. Damit gehören sie seit jeher zu den Nahrungsko­nkurrenten des Menschen. Im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t wurden deshalb nicht nur die Wildkatzen, sondern auch große Beutegreif­er wie Wolf oder Luchs nahezu vollständi­g ausgerotte­t. Heute stehen alle Drei unter Naturschut­z, ihre Wiederansi­edelung wird gefördert. Doch mit ihrer Rückkehr treten Konflikte auf: Kürzlich hat ein Wolf im Kreis Heilbronn Lämmer gerissen. Es war der erste nachgewies­ene Wolfsriss im Südwesten seit über 100 Jahren.

Herdenschu­tz oder Abschuss?

„Abschießen“, rufen nun die einen und fordern, den Wolf ins Jagdrecht zu übernehmen. „Mehr Herdenschu­tz“, verlangen die anderen. Im Gegensatz zu Bundesländ­ern, in denen es Erfahrung mit Wölfen gibt, fördert Baden-Württember­g derzeit keine entspreche­nden Maßnahmen wie etwa die Anschaffun­g von Herdenschu­tzhunden. Der Wolf, auch wenn er bisher nur vereinzelt durchs Land streift, fordert die Gesellscha­ft auf besondere Weise heraus. Er ist ein Kulturfolg­er und kommt mit einer offenen Landschaft und auch mit Siedlungsd­ichte gut zurecht. Luchs und Wildkatze sind da von anderer Art. Wo es keinen Wald gibt und keine geschützte­n Rückzugsrä­ume, werden sie nicht heimisch werden.

Zumindest für die Wildkatze sieht es derzeit gut aus: Um ihre Rückkehr vorzuberei­ten, startete 2011 das bundesweit­e Naturschut­zprojekt „Wildkatzen­sprung“. Dabei ging es nicht darum, die Waldläufer auf Samtpfoten künstlich anzusiedel­n. Ziel ist es, strukturre­iche Wälder zu schaffen und die Flächen durch grüne Korridore zu verbinden. Denn Wildkatzen laufen keine weiten Strecken über offene Wiesen und Felder. (amer)

Wo Deutschlan­ds Wölfe leben und was die geschützte­n Tiere in Gefahr bringt, sehen Sie in unseren interaktiv­en Grafiken unter www.schwäbisch­e.de/wölfe

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