Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bingen hat wieder eine öffentliche Bücherei
Mit der Lesewelt für die Schule ist sie in einem früheren Klassenzimmer untergebracht
BINGEN - Schmökern, stöbern, Lust aufs Lesen bekommen, das Buch der Begierde ausleihen: Das ist in Bingen ab morgen wieder möglich. Nach mehreren Jahren ohne eröffnet in der Grundschule wieder eine öffentliche Bücherei. Parallel dazu tut sich im selben Raum auch etwas nur für Schüler: Die Lesewelt soll ab sofort den Deutschunterricht ergänzen.
Trägerin der katholischen öffentlichen Bücherei ist die Kirche, die Gemeinde stellt die Räume zur Verfügung und beteiligt sich mit vorläufig 750 Euro im Jahr an der Beschaffung neuer Medien, sagt Bürgermeister Jochen Fetzer – genausoviel wie die Kirche. Dass es soweit kam, ist vor allem der Initiative von Simone Napierala zu verdanken, deren Sohn den Impuls gab, die brach liegende Bücherei im Gemeindehaus wieder aufzubauen. „Das war die Initialzündung“, sagt Napierala. Seitdem wurden etliche Gespräche geführt und Anträge gestellt. Seit die Formalitäten geklärt sind, investieren die Bingerinnen Simone Napierala und Vanessa Baumgärtner viel Zeit und Herzblut in den Aufbau der Bücherei und werden von weiteren Mitstreitern unterstützt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Von Pappbilderbüchern für die Kleinsten über Erstlesebücher bis hin zu Kindersachbüchern und Kinderliteratur ist in dem einladenden Raum für jedes Lesealter etwas dabei. Der Altbestand sei ganz gut gewesen, „dazu haben wir recht viel neu gekauft“, sagt Napierala. In der Bücherei sei selbstverständlich jedes Kind willkommen, „aber der Schwerpunkt liegt auf Büchern für Kinder bis circa elf Jahre“. Für Erwachsene gibt es ausgewählte Romane sowie Sachliteratur wie Ratgeber, Koch- oder Bastelbücher. Derzeit stehen und liegen knapp 1000 Medien in der Bücherei, auch CDs oder Zeitschriften gehören dazu.
Bestand soll aktuell sein
Das Büchereiteam legt Wert darauf, dass sich keine uralten Schinken in die Regale mogeln, von Klassikern einmal abgesehen. „Die Anzahl der Bücher soll in etwa gleich bleiben, aber diesen Bestand wollen wir sehr aktuell halten“, sagt Napierala. Das gilt auch für das Bibliothekssystem: „Das System mit Karteikarten wie früher wollten wir nicht mehr.“Das kirchliche Büchereiwesen im Erzbistum bezuschusst das Projekt und liefert beispielsweise die Bibliothekssoftware; so kann jedes Medium digital erfasst werden. Auch entsprechende EDV-Schulungen gehören zum Paket. Künftige Nutzer der Bücherei müssen sich registrieren und erhalten eine Nummer.
Die Bücherei wird ehrenamtlich geführt und hat künftig immer freitags von 15.30 bis 17.30 Uhr für die Öffentlichkeit geöffnet. Die Schulkinder der Grundschule können das Medienangebot auch während der Ganztagsbetreuung nutzen. „Wir können aber noch ein paar helfende Hände gebrauchen“, sagt Napierala. Ideal seien fünf bis sechs Leute, „sodass man vielleicht einmal im Monat die Ausleihe hat. Es wäre einfach nett, wenn ein Büchereiteam entstehen würde“.
Simone Napierala und Vanessa Baumgärtner sind Überzeugungstäterinnen: „Wir möchten einen Ort der Begegnung schaffen, zu dem man gerne kommt“, schreiben sie in ihrer Einladung zur Eröffnung. „Kinder sollen dadurch ihre Lust aufs Lesen entdecken und Erwachsene einen Wohlfühlort finden, an dem man in die spannende Welt der Bücher eintauchen kann.“
Lesewelt soll Leselust steigern
Im selben Raum, einem frisch renovierten ehemaligen Klassenzimmer, ist die Lesewelt untergebracht. „Sie ist inhaltlich von der Bücherei getrennt“, sagt Schulleiter Frank Saur. Sie soll fester Bestandteil des Deutschunterrichts an der Schule werden, „jede Klasse hat eine Stunde Lesewelt pro Woche“. Das Konzept sieht eine Einteilung in vier Lesestufen vor, in jeder Stufe sind laut Saur circa 20 Bücher vorrätig. Die Kinder finden beispielsweise zum Thema Ritter in jeder Stufe ein Buch. Dazu gibt es jeweils eine von den Lehrern erarbeitete Mappe mit verschiedenen Arbeitsaufträgen, die sich dem Alter und der Lesekompetenz der Kinder anpassen. Saur ist Fan der Lesewelt, die es auch an seiner vorherigen Schule gab. „Sie unterscheidet sich vom Klassenzimmer“, sagt er. Sie habe klar Wohlfühlcharakter und solle so die Lust aufs Lesen fördern. Dass sie an der Binger Grundschule eingerichtet wird, ist da nur folgerichtig: Die Schule hat den „Schwerpunkt Lesen“. Die Lesewelt soll das Gesamtkonzept ergänzen, zu dem bereits regelmäßige Vorlesestunden und Büchereibesuche sowie die Teilnahme am Fredericktag gehören.