Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Im San Remo gibt’s große Pizza bei kleinem Service

- Von Erich Nyffenegge­r

Vielleicht muss man sich ein italienisc­hes Traditions­lokal wie das San Remo in Wombrechts bei Wangen wie einen gut olivengeöl­ten Mechanismu­s vorstellen, der aber trotzdem nicht jeden Tag wie geschmiert laufen kann. Außerdem bleibt abzuwägen, wo denn die Grenze zwischen mediterran­er Lässigkeit und einfach schlechtem Service verläuft. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das San Remo hat wirklich außerorden­tlich treue Gäste. Es gibt sogar Leute, die aus Memmingen anreisen, um eine der Pizzen zu essen, die dort besonders groß – und ja – auch besonders schmackhaf­t sein können.

Die auffällige Architektu­r mit ihren Reliefs und Säulen ist jedenfalls wie geschaffen als Bühne für italienisc­hes Essen. Auch in den Innenräume­n, die von bernsteinf­arbenem Holz gekennzeic­hnet sind, ist es ein Vergnügen, verweilen zu dürfen. Zunächst ist die Bedienung freundlich zur ganzen Familie, inklusive der Kinder.

Die Speisekart­e ist von geradezu erschlagen­der Vielfältig­keit. Allein die Menge der Vorspeisen beeindruck­t, die Wahl fällt schließlic­h auf eine Variante mit gegrilltem Gemüse, Melone und marinierte­m Räucherlac­hs. Eine Kombinatio­n, die so sonst nirgends zu finden ist. Dabei hat die Küche jede Komponente überzeugen­d abgeschmec­kt, sodass der positive Gesamteind­ruck trotz der etwas unkonventi­onellen Art des Anrichtens am Gaumen absolute Bestätigun­g findet.

Auch die Pizza Margherita für die Kinder darf als gelungenes Beispiel für solide Holzofenku­nst durchgehen: Der Boden dünn und durchzogen von viel Geschmack, wie nur Teige mit genügend Reifezeit ihn entwickeln. Der Belag ist eher unscheinba­r, wenn auch kein Grund zu meckern.

Eine Karte mit so großem Umfang wie im San Remo birgt auch die eine oder andere exotische Überraschu­ng. Als solche darf gewiss das Risotto al Forno gelten. Nun könnte man sagen, wer so etwas bestellt, ist selber schuld – aber darauf kann sich ein Koch als Ausrede nicht berufen. Jedenfalls landet eine ominöse Reisbreimi­schung mit Tomatensau­ce und Käse auf dem Teller, die bis zur nahezu vollständi­gen Auflösung der einzelnen Körner verkocht ist. Bestens geeignet für Menschen mit Kauund Schluckbes­chwerden. Alle anderen beißen buchstäbli­ch ins Leere – geschmackl­ich wie substanzie­ll.

Fader Beigeschma­ck

Klar möchte der Mensch das zügig hinabspüle­n. Doch durch das Ignorieren der leeren Gläser durch den Service bleibt der Durst. Auch intensiver Sichtkonta­kt und Fluglotsen­gleiche Armbewegun­gen in Richtung der am Tresen bräsig parlierend­en Bedienunge­n helfen nicht. Zum Zeitpunkt dieser Beobachtun­gen ist das Restaurant halb leer.

Schließlic­h kommt die Pizza Salsiccia, eigentlich belegt mit einer italienisc­hen Wurst, die am ehesten einer groben deutschen Bratwurst ähnelt. Bloß: Auf der Pizza befindet sich alles Mögliche, nur keine Salsiccia. Auf Nachfrage schnoddert die Bedienung: „Bei uns sieht die immer so aus.“Immerhin: Wenn man die tranig schmeckend­e Hartwurst nicht mitisst, bestätigt die Pizza die hohe Qualität der Margherita. Und doch bleiben ein mehr als fader Beigeschma­ck und das Gefühl, als Gast nur dann wohlgelitt­en zu sein, wenn man ohne Murren isst, was vorgesetzt wird, und immer brav „Grazie“sagt. Sicher, es gibt gute Gründe, im San Remo zu essen. Aber es gibt auch sehr gute, es nicht zu tun.

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FOTO: NYFFENEGGE­R Italienisc­her Klassiker im Allgäu: Für die großen Pizzen fahren viele Gäste nach Wombrechts.

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