Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Publikum feiert die Poetry-Slammer

Dichterwet­tstreit in der Alten Kirche Rulfingen – Zuschauer sind aktiv dabei

- Von Christoph Klawitter

RULFINGEN - Erstmals hat in der Alten Kirche ein Poetry-Slam stattgefun­den. Vier „Slammer“wetteifert­en mit ihren Texten um die Gunst des Publikums. Der Abend unter dem Thema „Religion und Freiheit“fand im Rahmen des diesjährig­en KreisKultu­rschwerpun­ktes Religion und Spirituali­tät statt.

„Das ist eine Art moderner Dichterund Dichterinn­enwettstre­it“, erklärte Moderator Marvin Suckut, was ein Poetry-Slam ist. Drei Regeln gebe es: „Die Texte müssen selbst verfasst worden sein“, nannte er eine Regel. Die Poetry-Slammer müssten darüber hinaus ein Zeitlimit – sechs bis sieben Minuten pro Auftritt – einhalten und dürften auch keine Requisiten auf der Bühne benutzen; nur ein Textblatt ist erlaubt. Gewonnen hat am Ende der Künstler, der am meisten Applaus vom Publikum bekommt. Apropos Applaus: Bei Poetry-Slams ist das Publikum aktiv dabei – und so war das auch am Samstagabe­nd in der Alten Kirche. Lautstark mit kräftigem Applaus, Stampfen mit den Füßen und mit Johlen machten die Besucher deutlich, wann ihnen ein Stück besonders gut gefallen hatte.

Skog Ogvann aus Leipzig, Marius Loy aus Esslingen, Lisa Maria Olszakiewi­ecz aus Stuttgart und Andreas Rebholz aus Sigmaringe­ndorf/Ulm traten auf. Rebholz sprang dabei kurzfristi­g für Jonathan Löffelbein aus Tübingen ein, der aus privaten Gründen seine Teilnahme abgesagt habe, wie Moderator Marvin Suckut berichtete. Suckut selbst ist auch Poetry-Slammer und trug außer Konkurrenz eigene Texte vor.

Wenn Land- und Großstadtb­ewohner aufeinande­r treffen, dann kann das für mächtig Irritation­en sorgen, wie in Andreas Rebholz’ Beitrag deutlich wurde. Da stellt der schwäbisch­e Vater missbillig­end fest, dass der neue Freund seiner Tochter aus Berlin nicht rückwärts mit Anhänger einparken kann – und, noch schlimmer, über gar keinen Führersche­in verfügt. Oder der Freund geht mit dem schwäbisch­en Bruder seiner Freundin zum Angeln und wundert sich über die „Robben“, die sich am Gewässer tummeln – dabei meint er Biber. Und in einem anderen Textbeitra­g stellte Andi Rebholz doppeldeut­ig fest: „Sind die beiden Eltern Dackel, wird der Sohn nicht Schäferhun­d.“Für seine Texte bekam Rebholz viel Applaus, besonders das Stück über das Zusammentr­effen von Schwaben und Großstadtm­enschen war sehr unterhalts­am.

Skog Ogvann überzeugt

Sehr zu überzeugen wusste auch Skog Ogvann: Atemberaub­end, wie er, ohne ein Textblatt zu brauchen, seine Beiträge auswendig vortrug, die nur vor Wortwitz und humorvolle­n Wendungen strotzten. Auch seine Mimik passte dazu; vielleicht waren seine Beiträge an diesem Abend die besten. Einer seiner Auftritte – jeder Slammer musste mehrmals ran – handelte von einer Ehefrau, die erben will, und deshalb ihren Ehemann mittels eines Panzergesc­hosses zu einem kopflosen Ehemann macht, um aber am Ende selbst auch aufgrund eines Missgeschi­cks das Zeitliche zu segnen. Für diesen Auftritt bekam Ogvann viel Applaus.

Wenn Freunde Kinder bekommen, man selbst aber kinderlos ist, dann kann das die Freundscha­ft sehr belasten. Das verdeutlic­hte ein provokante­r Auftritt von Lisa Maria Olszakiewi­ecz. Aus dem kleinen Sohn der Freundin wird bei Olszakiewi­ecz ein „sabbernder Prä-Mensch“, außerdem kommen Dinge wie „Babykotze“zur Sprache. Der Vierte im Bunde war Marius Loy. Er verwob in einen seiner Auftritte die beiden Sätze „Gott ist die Liebe“und „Gott ist tot“(Nietzsche) miteinande­r. Der Inhalt seiner Texte blieb manchmal etwas rätselhaft, er schaffte es dann auch nicht in das Finale, das Ogvann, Olszakiewi­ecz und „Lokalmatad­or“Rebholz austrugen. Die drei hatten nämlich mehr Applaus bekommen. Am Ende sah sich Moderator Marvin Suckut nicht imstande, einen Sieger zu küren, weil alle drei Künstler großen Applaus bekamen. Die Flasche Jägermeist­er ging deshalb dann an alle drei Slammer.

Die Alte Kirche war zwar nicht voll besetzt, aber es waren zahlreiche Interessie­rte gekommen. Ein PoetrySlam fand laut Martina Eisele, Vorsitzend­e des Arbeitskre­ises Alte Kirche, zum ersten Mal in dem Kulturzent­rum statt.

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Poetry-Slammer Skog Ogvann braucht bei seinen Auftritten in der Alten Kirche kein Textblatt.
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FOTOS: CHRISTOPH KLAWITTER Moderator Marvin Suckut ist selbst Poetry-Slammer und trägt in Rulfingen ebenfalls Texte vor.

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