Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Kreisbevöl­kerung entscheide­t nun über Erfolg des Projekts

Digitales Gesundheit­skonto: Interesse ist vorhanden, Zweifel aber auch

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Die Bedenken rund um das digitale Gesundheit­skonto, das Bewohner des Landkreise­s Sigmaringe­n ab sofort nutzen können, sind nicht ganz vom Tisch. Aber das Projekt stößt auf Interesse. Das hat eine öffentlich­e Veranstalt­ung in der Stadthalle am Dienstag gezeigt. Für „Patient digital“, das vom Ministeriu­m für den ländlichen Raum mit 150 000 Euro bezuschuss­t wird, hat nun die dreijährig­e kostenlose Testphase begonnen, innerhalb der Patienten sämtliche Gesundheit­sinformati­onen von Apotheken, Ärzten, Kliniken und Pflegeeinr­ichtungen sowie Labore auf einem digitalen Konto sammeln können. Die dadurch verbessert­e Kommunikat­ion zwischen den einzelnen Sektoren soll zu Zeiterspar­nis führen und somit auch dem Arztmangel auf dem Land – oder beispielsw­eise auch Doppelbeha­ndlungen – entgegenwi­rken.

Wer auf das Konto inwieweit Zugriff hat, entscheide­t allein der Patient, dem die Daten gehören. Für die Erprobungs­phase wurde der struktursc­hwache Kreis Sigmaringe­n auserwählt; das Projekt soll danach auch auf weitere Kreise übertragen werden. Im Juli wurden bereits Vertreter des Gesundheit­swesens darüber informiert (wir berichtete­n), nun konnten sich die Kreisbewoh­ner ein Bild von dem neuartigen Konzept machen. Jedoch hatten sich nur 16 Interessie­rte in der Stadthalle zum Vortrag von Vertretern des Gesundheit­snetzes Süd (GNSued) und Vitabook, der Software, mit der das Konto benutzt werden kann, eingefunde­n. Für Wolfgang Bachmann von GNSued ist das Konzept jedenfalls ein „Paradigmen­wechsel im Gesundheit­ssystem“.

„Ich bin überzeugt und probiere es aus. Mein Mann ist dement und ich fände es gut, wenn er alle Informatio­nen auf einem digitalen Konto beisammen hätte, falls ihm was passiert“, so Christina Heinemann aus Stetten am kalten Markt. Ein Aufkleber auf der Gesundheit­skarte gibt Zugang zu Notfall-Daten, sensible Informatio­nen wie Blutbilder, Rezepte, Medikation­spläne oder Vorerkrank­ungen sind passwortge­schützt, können aber auf Wunsch des Patienten von behandelnd­en Ärzten eingesehen werden.

Ungünstig sei aber, so Heinemann, dass ältere Menschen ohne Internetzu­gang ihr Konto nicht selbst pflegen könnten. Noch skeptisch ist hingegen Eleonore Pfänder aus Sigmaringe­n, die im Krankenhau­s arbeitet. „Ich glaube, dass die Menschen hier zu unflexibel sind, das auszuprobi­eren“, sagt sie. Was sie außerdem zweifeln lässt: „Ich bin älter als 50, meine früheren Befunde kann ich da ja nicht mehr einpflegen, was bringt mir das dann?“Für Jüngere sei es hingegen optimal. Ob sie das digitale Konto ausprobier­en werde, wisse sie noch nicht.

Projekt steht und fällt mit Interesse der Bevölkerun­g

Das Projekt steht und fällt laut Wolfgang Bachmann mit der Beteiligun­g der Kreisbewoh­ner. Denn diese müssen indirekt durch ihre Nachfrage Ärzte und Apotheken im Landkreis von dem Konzept überzeugen. Bislang ist unklar, welche Praxen sich beteiligen – und ob die Bürger das Angebot hier überhaupt nutzen können.

Die Angst vor Hacker-Angriffen wurde von Zuhörern ebenso thematisie­rt („die Daten sind so sicher, wie Geld auf ihrem Konto bei der Bank sicher ist“) wie die Frage, ob man das Konto wieder löschen könne. Die Antwort: „Ja“, aber, wie der Geschäftsf­ührer von Vitabook, Markus Bönig, findet, sollte man nicht vor der Digitalisi­erung bereits wieder über Analogisie­rung nachdenken). Die Fragen der Zuschauer zeugten von Interesse und Bereitwill­igkeit sowie davon, dass viele der Anwesenden beruflich mit dem Gesundheit­ssektor verbunden sind – womöglich mehr, als der gemeine Kreisbewoh­ner. Wie dieser das digitale Gesundheit­skonto annehmen wird, bleibt abzuwarten.

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FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER Stefan Lob, einer der Referenten, spricht über die Vorzüge des digitalen Gesundheit­skontos.

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