Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die Kreisbevölkerung entscheidet nun über Erfolg des Projekts
Digitales Gesundheitskonto: Interesse ist vorhanden, Zweifel aber auch
SIGMARINGEN - Die Bedenken rund um das digitale Gesundheitskonto, das Bewohner des Landkreises Sigmaringen ab sofort nutzen können, sind nicht ganz vom Tisch. Aber das Projekt stößt auf Interesse. Das hat eine öffentliche Veranstaltung in der Stadthalle am Dienstag gezeigt. Für „Patient digital“, das vom Ministerium für den ländlichen Raum mit 150 000 Euro bezuschusst wird, hat nun die dreijährige kostenlose Testphase begonnen, innerhalb der Patienten sämtliche Gesundheitsinformationen von Apotheken, Ärzten, Kliniken und Pflegeeinrichtungen sowie Labore auf einem digitalen Konto sammeln können. Die dadurch verbesserte Kommunikation zwischen den einzelnen Sektoren soll zu Zeitersparnis führen und somit auch dem Arztmangel auf dem Land – oder beispielsweise auch Doppelbehandlungen – entgegenwirken.
Wer auf das Konto inwieweit Zugriff hat, entscheidet allein der Patient, dem die Daten gehören. Für die Erprobungsphase wurde der strukturschwache Kreis Sigmaringen auserwählt; das Projekt soll danach auch auf weitere Kreise übertragen werden. Im Juli wurden bereits Vertreter des Gesundheitswesens darüber informiert (wir berichteten), nun konnten sich die Kreisbewohner ein Bild von dem neuartigen Konzept machen. Jedoch hatten sich nur 16 Interessierte in der Stadthalle zum Vortrag von Vertretern des Gesundheitsnetzes Süd (GNSued) und Vitabook, der Software, mit der das Konto benutzt werden kann, eingefunden. Für Wolfgang Bachmann von GNSued ist das Konzept jedenfalls ein „Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem“.
„Ich bin überzeugt und probiere es aus. Mein Mann ist dement und ich fände es gut, wenn er alle Informationen auf einem digitalen Konto beisammen hätte, falls ihm was passiert“, so Christina Heinemann aus Stetten am kalten Markt. Ein Aufkleber auf der Gesundheitskarte gibt Zugang zu Notfall-Daten, sensible Informationen wie Blutbilder, Rezepte, Medikationspläne oder Vorerkrankungen sind passwortgeschützt, können aber auf Wunsch des Patienten von behandelnden Ärzten eingesehen werden.
Ungünstig sei aber, so Heinemann, dass ältere Menschen ohne Internetzugang ihr Konto nicht selbst pflegen könnten. Noch skeptisch ist hingegen Eleonore Pfänder aus Sigmaringen, die im Krankenhaus arbeitet. „Ich glaube, dass die Menschen hier zu unflexibel sind, das auszuprobieren“, sagt sie. Was sie außerdem zweifeln lässt: „Ich bin älter als 50, meine früheren Befunde kann ich da ja nicht mehr einpflegen, was bringt mir das dann?“Für Jüngere sei es hingegen optimal. Ob sie das digitale Konto ausprobieren werde, wisse sie noch nicht.
Projekt steht und fällt mit Interesse der Bevölkerung
Das Projekt steht und fällt laut Wolfgang Bachmann mit der Beteiligung der Kreisbewohner. Denn diese müssen indirekt durch ihre Nachfrage Ärzte und Apotheken im Landkreis von dem Konzept überzeugen. Bislang ist unklar, welche Praxen sich beteiligen – und ob die Bürger das Angebot hier überhaupt nutzen können.
Die Angst vor Hacker-Angriffen wurde von Zuhörern ebenso thematisiert („die Daten sind so sicher, wie Geld auf ihrem Konto bei der Bank sicher ist“) wie die Frage, ob man das Konto wieder löschen könne. Die Antwort: „Ja“, aber, wie der Geschäftsführer von Vitabook, Markus Bönig, findet, sollte man nicht vor der Digitalisierung bereits wieder über Analogisierung nachdenken). Die Fragen der Zuschauer zeugten von Interesse und Bereitwilligkeit sowie davon, dass viele der Anwesenden beruflich mit dem Gesundheitssektor verbunden sind – womöglich mehr, als der gemeine Kreisbewohner. Wie dieser das digitale Gesundheitskonto annehmen wird, bleibt abzuwarten.