Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Wilsberg ist ständig abgebrannt“

Der Herberting­er Drehbuchau­tor Georg Ludy hat einen Spielfilm für die beliebte ZDF-Krimireihe geschriebe­n

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HERBERTING­EN - Der Herberting­er Drehbuchau­tor Georg Ludy hat einen Spielfilm für die beliebte ZDFKrimire­ihe „Wilsberg“geschriebe­n. In diesem Film versucht der gleichnami­ge Privatdete­ktiv und Antiquar mit seinen Freunden Ekki und Alex die Hintergrün­de zum Tod eines Bankers zu ermitteln. Barbara Baur hat sich mit Georg Ludy über den Film unterhalte­n, der derzeit gedreht wird.

Herr Ludy, in was für einem Fall lassen Sie Wilsberg ermitteln?

Es geht um das Thema Altersvors­orge. Die könnte in Deutschlan­d deutlich besser sein. Für unsere Gesellscha­ft ist das ein relevantes Thema, und deshalb habe ich für Wilsberg einen Fall konstruier­t, der in diesem Milieu spielt.

Warum ist Altersvors­orge solch ein brisantes Thema?

Zwar gibt es das Drei-Säulen-Modell, bestehend als gesetzlich­er, betrieblic­her und privater Vorsorge. Doch das scheint nicht immer zu reichen. Die Zahl der Menschen, die zusätzlich zur Rente die Grundsiche­rung brauchen, hat sich laut dem Armutsberi­cht des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbands in Deutschlan­d in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Das ist eine enorme Zahl. Viele Betriebe bieten keine Betriebsre­nte an, und wenn, nehmen viele Arbeitnehm­er sie nicht in Anspruch. Außerdem ist es ein Problem, dass viele Menschen im Monat zu wenig übrig haben für eine private Rentenvers­icherung. Es gibt eine Versorgung­slücke, die wir nicht geschlosse­n kriegen. Hinzu kommt, dass die Rente in einigen Jahren voll steuerpfli­chtig sein wird. Dann haben die Rentner noch weniger. Sie sparen sich also Rente an, die sie dann nochmal versteuern. Wir geraten in eine Situation, die nicht unbedingt sozial ist.

Wie haben Sie das in einen Krimi verpackt?

Es gibt zwei Handlungss­tränge: Im einen wird ein Banker ermordet. Auf der Suche nach dem Mörder stellt sich heraus, dass es viele Menschen gibt, die einen Zorn auf ihn haben. Denn der Banker muss für seine Bank gewisse Zahlen erfüllen und bankeigene Rentenvers­icherungsp­rodukte verkaufen. Es gibt da aber auch noch einen privaten Vermögensb­erater, der, wie sich herausstel­lt, ein falsches Spiel spielt. Wilsberg deckt dann eine kleine Verschwöru­ng innerhalb der Bank auf.

Und was hat das mit der Rente zu tun?

Im zweiten Handlungss­trang kommt ein Rentnerehe­paar vor, das keine Kinder hat. Es stellt sich heraus, dass ihnen die Rente nicht zum Leben reicht, weil das ersparte Geld, das sie in einem Fonds angelegt haben, weg ist. Anhand des Paars wird gezeigt, welche Konsequenz­en falsche Beratung hat und welches menschlich­e Schicksal sich hinter solchen Zahlen verbergen kann. Außerdem berührt es Wilsberg persönlich, weil der Rentner sein Kumpel ist. Übrigens, Wilsberg selbst ist ja auch dem Risiko ausgesetzt, in Altersarmu­t abzurutsch­en. Er ist ständig abgebrannt, das wird in der Krimi-Reihe immer wieder thematisie­rt.

Bei „Wilsberg“sind einige Charaktere sehr stereotyp. Die Kommissari­n Anna Springer hat ständig schlechte Laune und ihre rechte Hand Overbeck macht immer die gleichen Fehler. Hat es Sie nicht gestört, sich an solche Vorgaben zu halten?

Das erfordert einen gewissen Spagat: Einerseits sollen Anna Springer und Overbeck ja kompetent ermitteln, anderersei­ts sollte aber Wilsberg als die Hauptfigur den Fall lösen. Overbeck ist arrogant und ständig überschätz­t er sich selbst. Deswegen ist er meistens auf der falschen Fährte und behindert sogar Annas Ermittlung­en. Das nervt sie natürlich. In dieser Folge macht Overbeck aber ausnahmswe­ise mal nicht alles falsch. Diesmal hat er auch mal Recht.

Welche Funktion hat die Figur Overbeck in der Reihe?

Overbeck ist schon unsympathi­sch und macht viele schlimme menschlich­e Fehler. Ich glaube, die Figur funktionie­rt trotzdem, weil jeder in seinem Bekanntenk­reis jemanden hat, der so ist. Deshalb kann man auch darüber lachen, wenn er von einem Fettnäpfch­en ins nächste tritt. Ähnlich funktionie­rt die Figur des Ekki, der ja auch oft ungeschick­t ist. Er ist ja eigentlich Finanzbeam­ter und soll dieses Mal verdeckt ermitteln und als Vermögensb­erater anheuern. Das liegt ihm überhaupt nicht, was zu witzigen Situatione­n führt. Der Unterschie­d zu Overbeck ist aber, dass Ekki der „funny bone“(englisch für „lustiger Knochen“) und damit sehr sympathisc­h ist.

Wie kann man sich Ihre Arbeit als Drehbuchau­tor vorstellen?

Ich beginne nie mit einem leeren weißen Blatt. Ich nehme Karteikart­en oder Postings und lasse meinen Gedanken freien Lauf, völlig unstruktur­iert und pinne alles an meine Wand. Tagelang. Irgendwann ist dann was im Kopf soweit gereift, dass ich es mit mehreren verschiede­nen Computerpr­ogrammen durchgehe, wieder und wieder. Das ist wie ein Kreislauf, wo ich immer wieder von vorne anfange und dabei das bisherige ständig verändere. Ideen zur Figur korrigiere­n den Plot (Handlungsv­erlauf, d. Red.) und umgekehrt, der Titel ändert den Inhalt und umgekehrt. Dann wird strukturie­rt, weil die Struktur ebenfalls alles, Figur und Plot, wieder verändern kann. Alles bleibt im Fluss und dauert so lange, bis ich mich hinsetzen kann, und alles runtertipp­e. Die Software darf nie Diktator werden, sie darf nur Assoziatio­nspartner sein.

Wann wird Ihr „Wilsberg“gedreht?

Der Dreh hat Anfang Oktober begonnen, der Drehschlus­s ist auf etwa 10. Dezember terminiert. Das ist ein recht langer Zeitraum, weil bei Wilsberg immer zwei Filme gleichzeit­ig gedreht werden. Für einen 90-minütigen Film werden in der Regel etwa

20 bis 22 Drehtage eingeplant. Was mich besonders freut: Simon Schwarz spielt den Vermögensb­erater, die gesamte Besetzung ist ziemlich klasse.

Haben Sie schon Ideen für einen weiteren „Wilsberg“?

Ja, die wird auch nach dem Dreh genauer besprochen. Ich würde es spannend finden, Wilsberg in eine Zeitschlei­fe zu versetzen, ähnlich wie bei „Täglich grüßt das Murmeltier“. Das muss natürlich dann aber auch zum Thema des Krimis passen. Da bin ich an was dran. Es kann aber sein, dass wir die Ausführung in dieser Art dann doch kippen, weil es zu experiment­ell wäre. Die Zuschauer schätzen Wilsberg ja so, wie er ist.

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FOTO: BARBARA BAUR Georg Ludy, Drehbuchau­tor aus Herberting­en, hat einen Spielfilm für die ZDF-Krimireihe „Wilsberg“geschriebe­n.

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