Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Friseurin schult zur Betonbauerin um
Die Frau tritt bei den Deutschen Meisterschaften in Sigmaringen an.
SIGMARINGEN - 63 Nachwuchshandwerker und auch zwei Handwerkerinnen haben in den vergangenen Tagen in Sigmaringen die Deutschen Meisterschaften der Bauberufe ausgetragen. Ob es die 24-jährige Jolene van Son aufs Treppchen geschafft hat, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest, aber die Betonbauerin aus Hessen ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Bauberufe zuletzt in der Gunst der Jugendlichen wieder gestiegen sind. Jolene van Son war Friseurin und sattelte um. In Baden-Württemberg lassen sich 5700 Lehrlinge im Baugewerbe ausbilden, die Verbände beziffern den Anstieg auf knapp fünf Prozent.
Aus Spaß wurde Ernst für Jolene van Son, die in Halle 8 des Ausbildungszentrums Bau an einer Holzschalung sägt: Als es im Friseurberuf für die junge Frau schlecht lief, sagte Jolene van Son im Spaß: „Wenn’s hier nicht klappt, gehe ich auf den Bau.“Als sie die Kündigung erhielt, orientierte sie sich neu. Heute arbeitet die Frau aus Fulda bei einem Fertigteilhersteller und macht einen zufriedenen Eindruck. Zwei Argumente sprechen für den neuen Beruf. Die Arbeitszeiten: Die Betonbauerin fängt um 6 Uhr an und macht um 15 Uhr Feierabend, samstags arbeitet sie nur noch selten. Die Bezahlung: Statt wie von ihrem ehemaligen Betrieb den Mindestlohn in Höhe von knapp 9 Euro erhält sie heute rund 15 Euro pro Stunde. Macht bei einer 40-Stunden-Woche einen Monatsverdienst von rund 2300 Euro brutto. In ihrem alten Beruf hatte van Son 1000 Euro weniger.
„Schon die Ausbildungsvergütungen zählen in der Baubranche zu den höchsten in Deutschland“, sagt Heribert Jöris, einer der Geschäftsführer des Bundeszentralverbandes. Doch Geld allein macht einen Arbeitnehmer nicht glücklich, und deshalb leiten die Verantwortlichen durch eine andere Quote eine hohe Zufriedenheit ihrer Auszubildenden ab: Zwei Drittel aller Azubis streben nach der Lehre eine Weiterbildung an, hat der Verband ermittelt.
Viele der rund 60 Nachwuchshandwerker, die in Sigmaringen in sieben Branchen um Edelmetall kämpfen, wollen auf die Meisterschule. So wie der Maurergeselle Joel Großmann aus dem Nordschwarzwald, der in Sigmaringen als Landessieger Baden-Württemberg vertritt. Die Maurer müssen zwei Tage ran: Am Sonntag errichteten
„Die Vergütungen zählen zu den höchsten in Deutschland“, sagt Heribert Jöris, einer der Geschäftsführer des Zentralverbandes des Baugewerbes.
sie eine Mauer mit einem Turm, der ans Sigmaringer Schloss erinnert. Als Rohstoff wurden Klinker verwendet, die aufgrund des Brennvorgangs bei der Größe eine höhere Toleranz haben als andere Steine. Über die Fugen muss Joel Großmann die Unterschiede ausgleichen. „Dass alles kombiniert ist, macht die Schwierigkeit des Wettbewerbs aus“, sagt der Maurergeselle aus dem Nordschwarzwald. Am Montag wird die aktuelle Jahreszahl in gefärbten Klinkern in eine Mauer eingelassen. Zusätzliche Schwierigkeit: Die weißen Steine der Jahreszahl müssen einige Millimeter nach vorne gesetzt werden.
Zurück in Halle 8 zu den Betonbauern, wo sich Jolene van Son quälen muss. „Der zehnte Platz ist mir sicher“, sagt die Teilnehmerin aus Hessen. In ihrer Stimme klingt Galgenhumor durch, denn der Bau einer Rahmenschalung bereitet ihr große Schwierigkeiten. Da sie vor dem Sigmaringer Wettbewerb so etwas noch nicht gemacht hat, tut sie sich entsprechend schwer. Die Betonbauer müssen eine herkömmliche Holzschalung mit einer Rahmenschalung kombinieren. Sie bauen die Form für einen runden Pfeiler samt einer Mauer. „Damit es schwieriger wird, hat die Mauer eine Einbuchtung“, erklärt Werner Luther, der Vorsitzende der Prüfungskommission. Knapp die Hälfte der rund sieben Stunden, die Jolene van Son Zeit hat, sind um. Ihr Ziel: „Ich möchte die Schalung heute noch fertig kriegen.“
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