Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

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Debatte um Feuerwehrm­ann, der Schaulusti­ge an Unfallstel­le bespritzte

- Von Linda Vogt und Wera Engelhardt

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ASCHAFFENB­URG (dpa) - Die Strafen werden härter, mancherort­s werden Unfälle mit Sichtschut­zwänden vor neugierige­n Blicken geschützt – wirklich Erfolg zeigen die Maßnahmen gegen Gaffer im Straßenver­kehr bislang aber nicht. Nach einem schweren Unfall auf der A 3 in Unterfrank­en hatte ein Feuerwehrm­ann am Donnerstag die Initiative ergriffen und Schaulusti­ge mit Wasser bespritzt. Die Polizei kritisiert­e nun diese Aktion, die nicht abgesproch­en gewesen sei. „Für die Unterbindu­ng und Ahndung bei Verkehrsbe­hinderunge­n sind ausschließ­lich wir zuständig“, betonte ein Sprecher des unterfränk­ischen Präsidiums.

Dem Feuerwehrm­ann droht wohl kein Strafverfa­hren. Bislang habe keiner der betroffene­n Lastwagenf­ahrer Strafanzei­ge gestellt, teilte die Staatsanwa­ltschaft Aschaffenb­urg am Montag mit. Außerdem sieht die Behörde allein wegen der Medienberi­chterstatt­ung über den Vorfall aktuell keinen Anlass, ein Verfahren von Amts wegen einzuleite­n. Auf Bildern und Videoaufna­hmen sei ersichtlic­h, dass die Gaffer „in der sehr langsam fahrenden Fahrzeugko­lonne mit dem Schlauch mit geringem Spritzdruc­k besprüht worden“seien, hieß es. Das Wasser habe vor allem die geschlosse­nen Fenster der Beifahrers­eite getroffen. Einen gefährlich­en Eingriff in den Straßenver­kehr könne die Behörde nicht erkennen.

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) kritisiert­e die feuchte Erziehungs­maßnahme. Die Feuerwehr habe Aufgaben übernommen, die eindeutig bei der Polizei liegen, sagte ein Sprecher. Es müsse klare Abläufe an der Unfallstel­le geben.

„Das war natürlich keine geplante Aktion“, erklärte Otto Hofmann, der den Einsatz der Freiwillig­en Feuerwehre­n bei Weibersbru­nn im Landkreis Aschaffenb­urg geleitet hatte. „Dem Feuerwehrm­ann ist der Kragen geplatzt.“Ungefähr jeder dritte Lastwagenf­ahrer habe versucht, Bilder von den Toten und der Unfallstel­le zu machen.

Menschlich nachvollzi­ehbar

Nach dem Vorfall habe Hofmann das Gespräch mit dem Feuerwehrm­ann gesucht. „Solche Aktionen dürfen auf keinen Fall Schule machen“, sagte er – auch wenn dieser unkonventi­onelle Fall bei Kollegen und in der Bevölkerun­g durchaus auf Sympathie traf. Hofmann stellte klar, es sei zwar menschlich nachvollzi­ehbar, gegen Gaffer einschreit­en zu wollen, aber „die gehen uns eigentlich nichts an“. Der Deutsche Feuerwehrv­erband sieht die Angelegenh­eit differenzi­ert: Einerseits sei es nicht die Aufgabe der Feuerwehr, gegen Gaffer vorzugehen, sagte Sprecherin Silvia Darmstädte­r. „Menschlich kann ich es aber verstehen.“Über mehrere Stunden hätten die Einsatzkrä­fte Tote aus dem Wrack auf der A 3 geschnitte­n. „Und dann gaffen und filmen da welche. Menschlich ist das völlig unverständ­lich.“Für die Einsatzkrä­fte sei es schwierig, Gaffen zu verhindern. „Es gibt zwar Sichtschut­zwände, aber die sind oft zu niedrig, oder die Autofahrer fahren noch langsamer, um durch die Ritzen zu gucken“, sagte Darmstädte­r. Andere Kollegen hätten Unfallopfe­r mit Decken von neugierige­n Blicken abgeschirm­t und seien dann angepöbelt worden – von Passanten und auch von Journalist­en. Helfen könne allein ein Umdenken in der Gesellscha­ft. „Man muss sich nur vorstellen, es wären die eigenen Kinder, die eigene Familie“, sagte Darmstädte­r.

In den sozialen Medien wird der Vorfall kontrovers diskutiert. Bei Facebook teilten einige Nutzer die Haltung der Polizei. Vielfach gab es aber auch Sympathieb­ekundungen für den Feuerwehrm­ann.

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FOTO: COLOURBOX
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FOTO: DPA Feuerwehrl­eute auf der Autobahn 3 bei Weibersbru­nn im Landkreis Aschaffenb­urg an der Unfallstel­le: Rechtlich hat die Aktion, bei der Gaffer mit Wasser bespritzt wurden, wohl keine Konsequenz­en.

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