Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Ich bin seit meinen Hilfseinsä­tzen glückliche­r“

Thomas Nuding spricht über seinen dritten Einsatz als Rettungshe­lfer für Flüchtling­e auf dem Mittelmeer

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MESSKIRCH - Der Meßkircher Unternehme­r und Stadtrat Thomas Nuding ist kürzlich von seinem dritten Einsatz als Rettungshe­lfer auf dem Mittelmeer zurückgeke­hrt. Vor der libyschen Küste hat Nuding zwei Wochen lang ein Rettungsbo­ot der Hilfsorgan­isation „Sea-Eye“gesteuert und zusammen mit acht anderen Helfern Flüchtling­e vor dem Ertrinken gerettet. Seinen ersten Einsatz hatte er im Oktober vergangene­n Jahres. Mit SZ-Redaktions­mitglied Simon Siman spricht er über seine Eindrücke auf dem Mittelmeer und den aktuellen Stand der Flüchtling­snot und -hilfe.

Herr Nuding, mit welchem Eindruck kehren Sie von Ihrem dritten Hilfseinsa­tz zurück?

Die EU trägt massiv dazu bei, dass Menschenre­chte in höchstem Maße von den Libyern verletzt werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die EU die libysche Küstenwach­e ausstattet. Die Küstenwach­e wiederum fängt die Flüchtling­e auf dem Meer ab und verlangt Geld von ihnen, um sie erneut mit verbündete­n Schleusern loszuschic­ken. Wenn die Flüchtling­e nicht zahlen können, werden sie als Zwangsarbe­iter verkauft. Das haben mir die Flüchtling­e auf den Booten erzählt.

War Ihnen das neu?

Mir war vorher bereits klar, dass die Flüchtling­e zurückgeha­lten und Menschenre­chte verletzt werden. Was mir nicht klar war, ist, dass die Flucht über das Mittelmeer mittlerwei­le mehr als dreimal so teuer geworden ist wie noch vor ein paar Monaten. Vorher hat die Flucht etwa 1500 Dollar gekostet, mittlerwei­le sprechen die Flüchtling­e von 5000 Dollar. Die Schleuser müssen die Flüchtling­e mit Booten ausstatten, mit denen sie durch diese vermeintli­chen Küstenwach­en durchschlü­pfen können. Dafür verlangen sie mehr Geld, was sich immer weniger Schwarzafr­ikaner leisten können. Dafür kommen jetzt immer mehr Nordafrika­ner, besonders Libyer, die zum Beispiel vor dem Bürgerkrie­g in Bengasi fliehen.

Warum helfen Sie bei der Flüchtling­srettung auf dem Mittelmeer?

Die relative Zahl der Toten steigt immens an. Die absolute Zahl der Flüchtling­e geht stark zurück, doch im Verhältnis dazu sterben mehr Menschen. Früher lag die Zahl der Toten im Mittelmeer unter den Flüchtling­en bei etwa fünf Prozent. Mittlerwei­le stirbt jeder Dritte. Das ist absolut inakzeptab­el. Aus humanitäre­n Gründen ist die Hilfe notwendig, weil es das Richtige ist und auch das Richtige bleibt. In Europa geht es uns extrem gut und das wissen auch alle Menschen auf der Flucht, egal wovor sie fliehen. Als jemand, dem es gut geht, möchte ich anderen, denen es nicht gut geht, zumindest die Chance zum Überleben geben. Das liegt auch in der Verantwort­ung der europäisch­en Staaten. Mir bleibt da nur das freiwillig­e Engagement übrig. Ich bin seit meinen Hilfseinsä­tzen glückliche­r. Wir haben bei dem jetzigen Einsatz 42 Menschen von zwei Booten gerettet. Durch die insgesamt drei Einsätze haben mir mittlerwei­le mehr als 2000 Menschen ihr Leben zu verdanken. Mit dieser Tatsache lässt es sich sehr gut leben.

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FOTO: THOMAS NUDING Auf dem Rettungssc­hiff der Organisati­on „ Sea- Eye“sind die beiden Mütter mit ihren Kindern in Sicherheit und werden betreut.

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