Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Nasenbeißer“wird zu Haft verurteilt
Ein 44-jähriger Meßkircher beißt einem 28-Jährigen die Nasenspitze ab.
MESSKIRCH - Im Prozess um die abgebissene Nasenspitze eines 28-Jährigen ist der 44-jährige Mann am Dienstagabend vom Sigmaringer Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden. Der Meßkircher Angeklagte gestand am zweiten Prozesstag, dem 28-jährigen Opfer und Nebenkläger in einer Juninacht 2016 während eines Streits die Nasenspitze abgebissen zu haben. Allerdings sei dies aus Angst heraus geschehen, als das Opfer ihn vor einer Meßkircher Bar nach andauernden Provokationen und Drohungen festhielt und bedrängte, sagte der Angeklagte. Sein Verteidiger plädierte daher auf Freispruch und verwies auf eine Notwehrsituation. Im vergangenen Jahr war der mehrfach vorbestrafte 44Jährige bereits in zwei zivilrechtlichen Prozessen zu einer Schadensersatzzahlung an das Opfer in Höhe von 10 000 Euro verurteilt worden. Dieses vorangegangene Urteil war für den jetzigen Strafprozess zwar ohne Bedeutung, jedoch konnten die beiden Verteidiger des Täters auch hier keine Notwehr nachweisen. An der Entstehung des Streits im vergangenen Jahr war das 28-jährige Opfer allen Zeugenaussagen zufolge beteiligt. Lediglich er selbst schilderte die Tatnacht im Juni 2016 anders. Der Verteidiger fasste den Abend in seinem Plädoyer mit einem Spruch aus seinem Heimatdorf zusammen: „Wenn zwei sich schlagen, sind beide schuld.“Die beiden Männer kannten sich bereits von vergangenen Auseinandersetzungen. Den gleichlautenden Aussagen von Täter und Opfer zufolge kam es vor etwa acht Jahren bereits zu einer Schlägerei, bei der das jetzige Opfer dem Verurteilten in einer Bar einen Kopfstoß verpasste. In der Juninacht 2016 soll der 28-Jährige den Angeklagten immer wieder mit dessen Narbe auf der Nase konfrontiert und damit geprahlt haben: „Das habe ich dir angetan, weißt du noch!?“Dabei soll die Narbe auf der Nase des 44-Jährigen nach eigener Aussage bei einem Sturzunfall entstanden sein, der sich einige Jahre zuvor ereignete. Die Situation eskalierte, nachdem der stark angetrunkene 28-Jährige den Täter immer wieder provoziert, ihm an die Nase gefasst und sogar einen Bauchschlag versetzt haben soll. Als der
44-Jährige die Bar verlassen wollte, sei ihm der Provokateur gefolgt, um sich für den Bauchschlag zu entschuldigen und ihn wieder zurück in die Bar zu holen. Als beide zurückgehen wollten, habe der
28-jährige angefangen, auf Russisch zu schreien, den Täter am Arm gepackt, ihn gegen die Eingangstür gedrückt und sich mit dem Kopf in Richtung des Gesichts vom Täter gelehnt. „Ich hatte Angst und biss einfach zu“, gestand der 44-Jährige.
„Ich hatte Angst und biss einfach zu“, sagt der 44-jährige Mann über seinen Nasenbiss im Juni 2016.
Verteidiger legen voraussichtlich Berufung gegen das Urteil ein
Der Vertreter der Nebenklage monierte, es sei bereits die dritte Version der Aussage des Angeklagten, die er zu hören bekomme. Sowohl der Polizeibericht als auch die Aussage beim Prozess um Schadensersatz seien andere gewesen. Im Plädoyer der Staatsanwältin hieß es, dass für das Opfer nun anderthalb Jahre des Wartens, der Schmerzen und der Ungewissheit vorüber seien. Er musste viermal stationär und ambulant operiert werden und werde von der mit Eigengewebe der Stirn transplantierten Nase eine grobe Narbe behalten, die sein Gesicht dauerhaft entstelle. Dem Hinweis des Verteidigers in seinem mehr als 30-minütigen Plädoyer, „in Notsituationen werben alle Selbstverteidigungskurse mit Kratzen, Schlagen, Treten und auch Beißen“, schenkte der Richter im Urteilsspruch keine Beachtung. Eine Notwehrsituation sei durch die Vorwärtsbewegung des Kopfes des 28Jährigen nicht gegeben, sagte der Richter. Außerdem gebe es für den kraftvollen Biss keine Rechtfertigung. Die beiden Verteidiger des Verurteilten haben eine Woche lang Zeit, um Berufung gegen das Urteil einzulegen, wovon auszugehen ist. Der Prozess würde dann erneut in der nächsthöheren Instanz vor dem Landgericht Hechingen verhandelt.