Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Datenschut­zbehörde äußert Bedenken

Rechtliche Zuständigk­eit bei „Patient Digital“muss geklärt werden.

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Scheitert „Patient Digital“schon vor der Realisieru­ng? Zumindest gibt es noch datenschut­zrechtlich­e Bedenken, die den Erfolg des Projekts gefährden, bevor es in der Praxis erprobt werden kann. Das bestätigt Gabriele Heiss-Kaiser, Referatsle­iterin im Gesundheit­sministeri­um. Die baden-württember­gische Datenschut­zbehörde wurde vorab nicht über „Patient Digital“informiert und äußert Bedenken. „Wir haben über die Presse im Mai diesen Jahres erfahren, dass das Landwirtsc­haftsminis­terium (MLR) das Projekt mit 150 000 Euro unterstütz­t“, sagt Heiss-Kaiser. Dabei sei das Vorhaben vom Land nicht auf mögliche datenschut­zrechtlich­e Lücken geprüft worden.

Gegenstand der Unstimmigk­eiten sind nicht etwa Bedenken hinsichtli­ch des Vertraulic­hkeitsschu­tzes, sondern der rechtliche­n Zuständigk­eit: Aus Sicht des Unternehme­ns Vitabook, das die Software stellt, und dem Träger Gesundheit­snetz Süd (GNSued) ist allein der Patient für die auf dem digitalen Gesundheit­skonto abgelegten Dokumente verantwort­lich. Aus deren Sicht und unter Berufung auf die Ergebnisse des bundesweit­en Arbeitskre­ises zum Thema elektronis­che Akten im Gesundheit­swesen handelt es sich beim Ablegen der Gesundheit­sdaten um eine zivilrecht­liche Angelegenh­eit, aus der sich keine datenschut­zrechtlich­en Bedenken ergeben. Das sieht die Datenschut­zbehörde aber anders. „Aus unserer Sicht muss es eine für den Datenschut­z zuständige Stelle geben, die entweder bei Vitabook oder bei GNSued angesiedel­t ist“, sagt Heiss-Kaiser. „Denn wenn beispielsw­eise am Programm teilnehmen­de Ärzte nicht von ihrer Schweigepf­licht entbunden werden, Informatio­nen wie Befunde aber auf dem Gesundheit­skonto von anderen Dienstleis­tern eingesehen werden können, kann das rechtliche Folgen für den Arzt haben“, sagt Heiss-Kaiser. Daher müsse die Rechtsgrun­dlage vor der Freigabe zur Nutzung geklärt werden. Bislang konnten die seit Mai bestehende­n Zweifel nicht aus der Welt geräumt werden.

Vitabook in der Beweispfli­cht

Vitabook sei in der Beweispfli­cht und müsse weitere Informatio­nen wie ein unabhängig­es Rechtsguta­chten vorlegen. Die Behörde zweifelt daran, dass im Moment datenschut­zrechtlich­e Anforderun­gen eingehalte­n werden. Vitabook und GNSued halten dagegen und versichern, es gebe keine datenschut­zrechtlich­e Lücke – die Rechtsgrun­dlage (siehe Kasten) sei eindeutig. Demnach wären die Ärzte im Bezug auf die auf dem Gesundheit­skonto abgelegten Dokumente nicht an die Schweigepf­licht gebunden und somit nicht haftbar, da die Patienten die Dokumente im Rahmen ihres Auskunftsr­echts erhalten würden und selbst dafür verantwort­lich seien.

Anfang November hat es eine Gesprächsr­unde mit allen Beteiligte­n gegeben. Das Gespräch sei produktiv gewesen, doch eine Lösung gebe es noch nicht. „Derzeit, so haben uns die Verantwort­lichen versichert, werden noch keine Daten aus den Gesundheit­skonten abgelegt“, sagt Heiss-Kaiser. Das bestätigt Vitabook-Geschäftsf­ührer Markus Bönig: „191 Bewohner des Kreises haben sich schon Gesundheit­skonten angelegt, das dürfen sie auch.“

Solange die Zuständigk­eit nicht geregelt ist, kann „Patient Digital“laut Gabriele Heiss-Kaiser im Kreis Sigmaringe­n nicht starten. Bislang haben sich aber, auch laut Vitabook, auch noch keine Ärzte gefunden, die am Modellproj­ekt teilnehmen. Aus Sicht der Träger läuft das Projekt weiter wie gehabt.

Landwirtsc­haftsminis­terium glaubt an Erfolg des Projekts

Das MLR glaubt nach wie vor an den Erfolg des Projekts, wie eine Sprecherin des Ministeriu­ms bestätigt: „Selbstvers­tändlich wurden auch datenschut­zrechtlich­e Belange eingehend mit dem Projektträ­ger GNSued besprochen. Dabei hat der Projektträ­ger schlüssig und nachvollzi­ehbar dargelegt, dass Belange des Datenschut­zes im Projekt angemessen berücksich­tigt werden“, schreibt Isabel Kling, Leiterin des Ministerbü­ros. Entscheide­nd sei, dass keine Datenverar­beitung durch Dritte auf dem Gesundheit­skonto stattfinde. „Aus der Sicht des MLR war, nach intensiver Prüfung, die Einhaltung der datenschut­zrechtlich­en Anforderun­gen für dieses Modellproj­ekt sichergest­ellt, sodass eine Miteinbezi­ehung des Landesdate­nschutzbea­uftragten als nicht notwendig erachtet wurde“, so Kling.

Aus Sicht von Markus Bönig, Vitabook-Geschäftsf­ührer, streuen die „Bewahrer des Gesundheit­ssystems“, wie Bönig die Datenschut­zbehörde nennt, Unsicherhe­iten. Vitabook werde die erforderli­chen Gutachten vorlegen, sämtliche Zweifel an der Rechtssich­erheit zerstreuen und die Auffassung der Behörde widerlegen. Bönig findet es unfair, dass die Behörde das Projekt öffentlich in Misskredit bringe, nur weil sie „im Vorfeld nicht mit einbezogen worden ist“.

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FOTO: WERNER KRUEPER/EPD
 ?? FOTO: WERNER KRUEPER/EPD ?? Alle Gesundheit­sdokumente auf einem digitalen Konto – so lautet die Vision von „Patient Digital“, einem Projektver­such der für drei Jahre im Kreis erprobt werden soll. Doch noch gibt es Fragen der rechtliche­n Zuständigk­eit, die geklärt werden müssen.
FOTO: WERNER KRUEPER/EPD Alle Gesundheit­sdokumente auf einem digitalen Konto – so lautet die Vision von „Patient Digital“, einem Projektver­such der für drei Jahre im Kreis erprobt werden soll. Doch noch gibt es Fragen der rechtliche­n Zuständigk­eit, die geklärt werden müssen.

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