Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
CSU vertagt Entscheidungen
Waigel, Stoiber und Stamm sollen im Machtkampf vermitteln
MÜNCHEN (dpa/AFP) - Nach wochenlangem internem Machtkampf hat CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer eine „befriedende“Lösung für die künftige personelle Aufstellung seiner Partei angekündigt. Er werde nun bis Anfang Dezember Gespräche über eine „Zukunftslösung“für die CSU führen, sagte der 68-Jährige am Donnerstagabend nach Teilnehmerangaben in einer CSU-Vorstandssitzung in München. De facto wurden die Personalentscheidungen vertagt. In der CSU wird allgemein erwartet, dass es auf eine Ämtertrennung hinauslaufen könnte. Seehofer bliebe dann lediglich Parteichef. Aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten ist Bayerns Finanzminister Markus Söder.
Vermitteln im Machtkampf sollen nun die CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie Landtagspräsidentin Barbara Stamm.
MÜNCHEN - Alle wichtigen Medien der Republik drängelten sich am Donnerstag vor dem Sitzungssaal der CSU-Landtagsfraktion in Erwartung einer Entscheidung über einen Machtwechsel an der CSU-Spitze. Doch es geschah – nichts. Überraschend früh nach Beginn der Sitzung verkündete Fraktionsvorsitzender Thomas Kreuzer: Die Entscheidung wird auf die erste Dezemberwoche vertagt. In der Vorstandssitzung am Abend sagte Seehofer, ähnlich wie schon in einer Sitzung der Landtagsfraktion am Mittag, er wolle die Partei „einen, befrieden und zusammenführen“. In der CSU wird deshalb allgemein erwartet, dass es auf eine Ämtertrennung hinausläuft.
Am Abend gab es noch eine Überraschung: Als eine Art Vermittlungsausschuss und Beraterkreis soll ein Quartett – bestehend aus Parteichef Horst Seehofer, Landtagspräsidentin Barbara Stamm und den beiden CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel – eingesetzt werden.
Vor dem Donnerstag hatten viele in der CSU die Backen ziemlich aufgeblasen, nicht zuletzt Parteivorsitzender und Ministerpräsident Horst Seehofer selbst. Er werde auch etwas zu den „zerstörerischen Absagen“der vergangenen Wochen sagen, hatte er noch zu Beginn der Woche gedroht. Aus der Fraktion hieß es, man wolle Seehofer jetzt endlich zu verbindlichen Äußerungen über seine Zukunft veranlassen.
Doch nichts dergleichen geschah. Möglicherweise hatte Seehofer kurz vor der Sitzung mit seinem Hauptwidersacher, Finanzminister Markus Söder, ein Stillhalteabkommen geschlossen. Seehofer ließ das zu Beginn der Fraktionssitzung durchblicken. Er habe mit Söder „intensiven Kontakt“gehabt. „Es wird Zeit, dass die CSU wieder zu alter Geschlossenheit zurückkehrt“, sagte Söder: „Das kann heute gelingen.“
Parteitag im Dezember
Eigentlich war erwartet worden, dass Seehofer schon am Donnerstag einen Vorschlag unterbreiten würde, mit welcher Personalaufstellung die CSU in das Landtagswahljahr 2018 gehen sollte. „Heute Abend wird alles klar sein“, versprach Seehofer noch am Mittag. Zwei Stunden später war klar: Es würde auch am Donnerstag eben nicht klar sein, wer künftig CSUChef und bayerischer Ministerpräsident sein soll.
Nun also eine neue Frist: Anfang Dezember soll der CSU-Vorstand nun wirklich einen Vorschlag für das neue CSU-Personaltableau unterbreiten. Dann ist es noch gut eine Woche bis zum CSU-Parteitag – ein Termin, den niemand mehr verschieben kann und zu dem Klarheit geschaffen sein muss. Zwischenzeitlich glaubte der Bayerische Rundfunk, im Besitz dieser Klarheit zu sein. Seehofer wolle Parteichef bleiben und Söder Ministerpräsident werden, meldete der Sender. Eine „typische Falschmeldung“, dementierte Fraktionschef Kreuzer umgehend: „Man fühlt sich langsam an amerikanische Verhältnisse erinnert.“Söder habe nicht den Eindruck erweckt, als hätte er das Ministerpräsidentenamt schon in der Tasche, urteilte ein Teilnehmer.
Hinter verschlossenen Türen hatte Seehofer den CSU-Landtagsabgeordneten am Nachmittag offenbar glaubhaft versichert, dass er sich in den nächsten elf Tagen ernsthaft um eine Gesprächslösung bemühen würde. Vom Zorn über die Querschüsse aus der Heimat zu Zeiten der Sondierungsgespräche sei nichts zu merken gewesen, berichtete ein Teilnehmer. Seehofer habe ausschließlich in Harmonie gemacht und erklärt, er wolle auf die vergangenen Wochen nicht eingehen.
„Beitrag zur Geschlossenheit“
Auch aus dem Söder-Lager kam kein böses Wort. Söder selbst sprach nach der Sitzung von einem „wichtigen Beitrag zur Geschlossenheit“. Das Treffen der CSU-Landtagsabgeordneten sei geprägt gewesen von dem allseitigen Bemühen, „Vertrauen zurückzugewinnen“. Fraktionschef Kreuzer räumte schließlich eine noch „teilweise verbesserungsfähige“Kommunikation in der Partei ein und konnte sich am Ende diese Bemerkung nicht verkneifen: „Ich bin sehr stolz auf meine Fraktion, dass wir das so hinbekommen haben, und es stimmt mich zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung hinbringen werden.“
Das Kriegsbeil, wenn auch nicht begraben, so doch beiseitegelegt, wurde auch in der zweiten Reihe der Partei. Der CSU-Sicherheitspolitiker Florian Herrmann hatte sich schon vor der Sitzung bei der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner für die Bezeichnung „Möchtegern“entschuldigt. In der Sache aber blieb Herrmann dabei, dass Aigners Idee einer Mitgliederbefragung über den Spitzen- und Ministerpräsidentenkandidaten der Partei nichts taugt.
Dann aber am Abend die Idee mit dem Quartett als Beraterkreis. Davon hatte Seehofer in der Landtagsfraktion kein Sterbenswörtchen gesagt – Anlass für neuen Zoff in der CSU? Die nächsten Tage werden spannend bleiben.