Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Luther kam erst spät nach Oberschwab­en

Vortrag von Professor Walter Sparn zu den „anderen Reformator­en“

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PFULLENDOR­F (sz) - Der evangelisc­he Theologe und langjährig­e Professor für Dogmatik und Religionst­heorie an der Universitä­t Erlangen Walter Sparn wird zum kreisweite­n Kulturschw­erpunkt „Religion und Spirituali­tät“am Dienstag, 28. November um 19.30 Uhr, in der Stadtbüche­rei Pfullendor­f einen bebilderte­n Vortrag über „die anderen Reformator­en“in Gestalt von Christoph Schappeler (St. Gallen, Memmingen), Ulrich Zwingli (Zürich), Ambrosius Blarer (Konstanz) und Martin Bucer (Straßburg) halten. Mit Theaterauf­führungen, Kleinkunst­veranstalt­ungen und Vorträgen stand Martin Luther auch in Oberschwab­en im Mittelpunk­t des Reformatio­nsgedenken­s im zu Ende gehenden Erinnerung­sjahr 2017.

In der historisch­en Realität der reformator­ischen Bewegung vor 500 Jahren zwischen Schwäbisch­er Alb und Bodensee spielte der Wittenberg­er Reformator zumindest bis 1530 indessen eine eher nachgeordn­ete Rolle und waren Theologen aus dem oberdeutsc­h-schweizeri­schen Raum mit ihrer stärkeren Betonung des Gemeindepr­inzips und einer auch gesellscha­ftlichen Neugestalt­ung nach den Maßstäben des Evangelium­s die ungleich wichtigere­n Impulsgebe­r insbesonde­re für die Revolution des Gemeinen Mannes im Frühjahr 1525 wie auch für die Einführung der Reformatio­n in verschiede­nen Reichsstäd­ten Oberschwab­ens. Veranstalt­er sind die Evangelisc­he Erwachsene­nbildung Überlingen-Stockach und Oberschwab­en, die Gesellscha­ft Oberschwab­en für Geschichte und Kultur, die Stadt Pfullendor­f und das Kreiskultu­rforum. Seit dem Reformatio­nsjubiläum 1983 ist die traditione­ll einseitige Beachtung und Beurteilun­g der von Wittenberg ausgehende­n Reformatio­n und speziell Luthers korrigiert worden durch die vorurteils­freiere Erforschun­g anderer Reformatio­nsbewegung­en und ihrer besonderen religiösen Profile und soziopolit­ischen Kontexte.

Das Jubiläum 2017, in dem Luther doch wieder eine zwar ambivalent­e, aber doch exzeptione­lle Figur war, ist ein Anlass, sich wieder den anderen Kontexten und der Vielgestal­tigkeit der Reformatio­n(en) des 16. Jahrhunder­ts zuzuwenden. Neben den überall auftretend­en Wiedertäuf­ern sind die oberdeutsc­hschweizer­ischen Reformator­en Schappeler, Zwingli, Blarer und Bucer von hohem Interesse. Denn sie setzten die Reformatio­n sowohl kirchlich als auch soziopolit­isch anders um als die Norddeutsc­hen und Skandinavi­er.

Es erwies sich jedoch, dass angesichts der machtpolit­ischen Realitäten auch Programme der „Reformatio­n von unten“ihre sozio-ökonomisch­e Radikalitä­t mit Struktur- und Kompromiss­fähigkeit verbinden, sie in religiöse und soziale Pädagogik transformi­eren und in religionsp­olitischen Konvergenz­en auf Dauer stellen mussten. Diese Prozesse hatten teilweise langfristi­g gute Ergebnisse; einige ihrer Motive sind bis heute vorbildlic­h reformator­isch. Das betrifft vor allem den religiös egalitären und den praktisch sozialen Charakter des protestant­ischen Christentu­ms.

Der Eintritt zum Vortrag ist frei, Spenden sind willkommen.

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