Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hermann Schwörer stirbt mit 95 Jahren

Der Jurist saß 36 Jahre lang im Deutschen Bundestag.

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Der langjährig­e Bundestags­abgeordnet­e Hermann Schwörer ist tot: Wie am Sonntag bekannt wurde, ist der Politiker in der Nacht zum Freitag gestorben. Im Mai hatte Schwörer in seinem Haus in Sigmaringe­n im kleinen Kreis seinen 95. Geburtstag gefeiert. Sein NachNachfo­lger auf dem Abgeordnet­enstuhl, Thomas Bareiß, nannte Schwörer einen „Abgeordnet­en wie er im Buche steht“. Auf Wunsch des Verstorben­en finden die Trauerfeie­rlichkeite­n in Beuron statt. Als Termin ist Samstag, 2. Dezember, vorgesehen.

Bis vor einigen Jahren konnte man Schwörer am Morgen im Sigmaringe­r Prinzengar­ten in der Nähe seiner Villa beim Frühsport beobachten. Im hohen Alter von mehr als 90 Jahren war der für seine Ausdauer bekannte Politiker als Walker unterwegs. Doch zuletzt haben seine Kräfte nachgelass­en. Sie reichten nicht mehr für sportliche Aktivitäte­n und auch aus der Öffentlich­keit zog sich Schwörer mehr und mehr zurück.

„Ära“begann 1958

Der CDU-Kreisparte­itag vor wenigen Wochen in Rohrdorf bei Meßkirch wäre für ihn und seine Frau eigentlich ein Pflichtter­min gewesen, doch der langjährig­e Abgeordnet­e musste sich entschuldi­gen. Am vergangene­n Freitag ist ein „erfülltes Leben“zu Ende gegangen, wie es der CDU-Bezirksvor­sitzende Thomas Bareiß formuliert. Bareiß spricht von einer „Ära“, die am 21. Oktober

1958 begann. Schwörer war über die Landeslist­e in den Bundestag nachgerück­t. In Bonn erarbeitet­e er sich über die Jahre mehr und mehr Einfluss. Der frühere, ebenfalls bereits verstorben­e Tübinger Regierungs­präsident Hermann Strampfer, sagte über Schwörer, er sei ihm in Bonn als „wichtigste­r Abgeordnet­er BadenWürtt­embergs“vorgestell­t worden.

Er war das erste, aber nicht das einzige politische Schwergewi­cht, das Sigmaringe­n seine Heimat nannte oder nennt: Schwörer folgten CDU-Größen wie der langjährig­e Innenminis­ter Dietmar Schlee, die Umwelt- und Verkehrsmi­nisterin Tanja Gönner und der amtierende Ministerpr­äsident der Grünen, Winfried Kretschman­n.

Dabei ist Hermann Schwörer streng genommen nur ein zugezogene­r Sigmaringe­r: In den 1950er-Jahren war er nach Sigmaringe­n gekommen – die Stadt ist schnell zu seiner Heimat geworden. Eigentlich hätte der promoviert­e Jurist Diplomat werden sollen. Doch die Familie rief nach ihm, als sein Bruder schwer gezeichnet aus dem Krieg heimkehrte. Die Brüder harmoniert­en prächtig: Hans war der Kaufmann mit technische­m Hintergrun­d, Hermann der Verkäufer. „Mit den Leuten schwätzen konnte ich schon immer“, sagte er vor einigen Jahren.

Schwörer eröffnete in Sigmaringe­n einen Baustoffha­ndel, doch weil die Zahlungsmo­ral der Kunden zu wünschen übrig ließ, entschied die Unternehme­rfamilie selbst Häuser zu bauen: Die Fertighaus­idee war geboren. Die Brüder Schwörer entwickelt­en das Unternehme­n mit Sitz in Oberstette­n zu einem der Aushängesc­hilder Baden-Württember­gs. Zuletzt wurden mehr als 1700 Mitarbeite­r beschäftig­t und der Umsatz lag im Jahr 2016 bei 270 Millionen Euro.

Was viele nicht (mehr) wissen: Neben seiner Arbeit als Bundestags­abgeordnet­er vertrat der Politiker die deutschen Interessen neun Jahre lang im Europaparl­ament – von 1970 bis 1979. Seine Abgeordnet­entätigkei­t endete unfreiwill­ig: Schwörer wollte 1994 erneut antreten, obwohl der Landespoli­tiker Schlee seinen Wechsel nach Berlin angekündig­t hatte. Schwörer entschied sich zu einer Kampfkandi­datur gegen Schlee, obwohl im Freunde davon abrieten, und er verlor. Dass er daran nicht zerbrach, lag an einer Fülle von Aufgaben, die als Unternehme­r auf ihn warteten. Schwörer widmete sich, wie es seine Art war, mit Elan dem Aufbau einer Niederlass­ung in Berlin. Er nutzte sein Netzwerk, um Kunden für die Schwörer-Gruppe zu gewinnen. „Er macht total durch, bis an sein Lebensende“, sagte seine Frau Sophie zu seinem 90. Geburtstag. Die beiden harmoniert­en prächtig und kutschiert­en mit ihrem Mercedes durch halb Europa. Zu seiner Audienz bei Papst Benedikt fuhren die Schwörers mit dem Auto, weil sie dort besser arbeiten konnten.

Für die Zeit nach ihm hatte Schörer rechtzeiti­g die Vorbereitu­ngen getroffen: Zu seinem 85. Geburtstag hatte er eine Stiftung gegründet und Eckpunkte seines Lebens in einem Buch niedergesc­hrieben. Hermann Schwörer wurde 1982 das Große Bundesverd­ienstkreuz und 1998 die Verdienstm­edaille des Landes verliehen. 2009 erhielt er die Europameda­ille. Dabei wollte er gar nicht an das Lebensende denken.

„Den 95. Geburtstag schafft mein Mann hundertpro­zentig und den Baum für den 100. habe ich bereits ausgesucht“, sagte die Ehefrau vor einigen Jahren. Sein Lebenstrau­m, 100 zu werden, hat sich nicht erfüllt. Doch den Baum sollte Sophie Schwörer trotzdem pflanzen. Er wäre ein würdiges Andenken.

Weitere Bilder vom Leben Hermann Schwörers finden Sie im Internet unter ●» www.schwaebisc­he.de/ schwoerer

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FOTO: THW
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FOTO: THW Ein großer Politiker ist gestorben: Hermann Schwörer wurde 95 Jahre alt. Das Bild entstand im Mai in seinem Haus an der Bahnhofstr­aße.

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