Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vom Edeljoker zum Leitwolf
Nils Petersen geht beim 2:1-Sieg gegen Mainz voran und macht Freiburg Hoffnung im Abstiegskampf
FREIBURG - Als sei er zur Salzsäule erstarrt, stand Christian Streich am Spielfeldrand. Um ihn herum war längst der kollektive Torjubel ausgebrochen. Die Schreie waren vermutlich bis ins tiefste Schwarzwaldtal zu hören. Der Trainer des SC Freiburg aber blieb ruhig nach der 1:0-Führung durch Nils Petersen (51.), der Schlüsselszene des Spiels gegen Mainz. Erst als Co-Trainer Lars Voßler heranstürmte und mit beiden Händen den Coach kräftig durchschüttelte, reagierte Streich – er begann seinen Kollegen zu schütteln.
An das Glücksgefühl muss sich Streich erst wieder gewöhnen. „Wir müssen ab und zu gewinnen, damit wir fußballerisch und emotional am Leben bleiben“, sagte er nach dem
2:1-Sieg. In den zwölf Bundesligaspielen davor hatte Freiburg siebenmal kein Tor erzielt und zudem die meisten Gegentore in der Liga kassiert. Die Abgänge der Offensivkräfte Vicenzo Grifo (Gladbach) und Maximilian Philipp (Dortmund) wurden bisher nicht kompensiert. „Pure Erleichterung“spürte Petersen nach dem zweiten Saisonsieg. Clever hatte er bei einem Rückpass des Mainzers Danny Latza den Ball stibitzt und zum 1:0 eingeschoben. Genauso meisterhaft betrieb Petersen nach dem Spiel die Kunst, seinen Anteil am Sieg kleinzureden. Seine Mitspieler hätten dank Pressing den Rückpass provoziert, erklärte Petersen. Dass er den richtigen Riecher hatte und dann abgeklärt abschloss, „ist meine Aufgabe. Das ist im Strafraum, da ist mein Arbeitsplatz.“
Ins Arbeitszeugnis des Stürmers schrieb Streich nur Bestnoten: „Enorm, wie sich Nils reingehauen hat. Ich weiß gar nicht, ob er wusste, dass er so viele Läufe machen kann. Er muss vorausgehen, und er tut es. Das ist herausragend.“Seit Florian Niederlechner (Kniescheibenbruch) ausfällt, ist Petersen nicht mehr Edeljoker, sondern unverzichtbar in der Startelf. „Er ist Gold wert für uns“, sagte Offensivmann Marco Terrazzino, „er hat ein Näschen für Tore, so wie bei seinem Geistesblitz zum 1:0.“
Dass dann der 23-jährige Florian Kath in Petersens bisherige Rolle schlüpfte und das Jokertor zum 2:0 (90.+1) erzielte, war ganz nach Streichs Geschmack: „Er war in der Jugend nie in einem Nachwuchsleistungszentrum. Er geht seinen Weg geradeaus. Das Tor freut mich wahnsinnig für ihn.“
Weniger Freude hatte MainzTrainer Sandro Schwarz, für den der Anschlusstreffer durch Emil Berggreen (90.+2) kein Trost mehr war. „Wir hätten in Führung gehen müssen und machen Freiburg stark“, haderte Schwarz. Streich pflichtete ihm bei: „Mainz war in der ersten Halbzeit besser. Aufgrund der zweiten Halbzeit haben wir verdient gewonnen. Die Mannschaft hat starken Willen gezeigt.“Als Streich dann gefragt wurde, ob nun eine Siegesserie möglich sei, entgegnete er: „Ich würde gar nicht wagen, dies als Wunsch auszusprechen. Wir waren in den letzten zwei Jahren sehr verwöhnt. Wir haben – die Zweitligasaison miteingerechnet – von vier Spielen drei gewonnen im Schnitt, das ist ja fast Bayern München gewesen.“Und den Branchenkrösus betrachtet Streich wirklich nicht als Maßstab. Zumal dort der Torjubel eine Selbstverständlichkeit ist und kein Anlass, den Trainer durchzuschütteln. Oberliga Baden-Württemb. (17. Spieltag): FV Ravensburg – Karlsruher SC II 4:0 (1:0). Tore: 1:0 B. Soyudogru (34.), 2:0 R. Soyudogru (49.), 3:0 Zimmermann (69.), 4:0 Coban (87.). – Zuschauer: 200.