Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Das Kloster Beuron erfindet sich neu

Abtei und Gemeinde planen einen Neubau für 20 Millionen Euro.

- Von Michael Hescheler

BEURON - Die 150-Einwohner-Ortschaft Beuron im Kreis Sigmaringe­n schrumpft: Eine Schule und einen Kindergart­en gibt es lediglich in der Nachbarsch­aft. Der Pächter des Pelikans, dem wichtigste­n Hotel am Platze, gab kürzlich auf. Die Sparkasse baute ihren Geldautoma­ten schon im vergangene­n Jahr ab. Die Überalteru­ng schreitet unaufhalts­am voran: Mit einem Altersdurc­hschnitt von 48 Jahren gilt Beuron als die älteste Gemeinde Baden-Württember­gs. „Wir sind im Durchschni­tt sogar noch einmal 20 Jahre älter“, sagt der Erzabt der Beuroner Benediktin­erabtei Sankt Martin, Tutilo Burger. Der Klostervor­steher, der Bürgermeis­ter und Architekte­n haben nun ein Modell entwickelt, das den Niedergang Beurons stoppen soll. Das Kloster soll neu aufgebaut werden. Zumindest ein wichtiger Teil davon.

Die Blütezeit des Klosterort­s liegt mehr als 100 Jahre zurück. Zur Kaiserzeit war es in Mode, in Beuron die Sommerfris­che zu verbringen. Aus diesem Grund wurde durchs obere Donautal eine Eisenbahnl­inie gebaut. Mehrere Hotels und Gästehäuse­r entstanden. Auch die Abtei schien in dieser Zeit ins Unermessli­che zu wachsen. Rund 300 Benediktin­ermönche beteten und arbeiteten.

Heute verfügt die Gemeinscha­ft noch über 42 Mitglieder. Tendenz: stark fallend. Lediglich knapp die Hälfte der Mönche kann vom Alter her am Alltagsleb­en teilnehmen. Der Erzabt ist in seiner Wortwahl schonungsl­os direkt, wenn er über die Zukunft des Klosters und der Ortschaft spricht: „Wir sterben seit Jahren vor uns hin. Stillstand bedeutet ein Hinauszöge­rn dieses Sterbeproz­esses“, sagt der 52-jährige Mönch, der seit sieben Jahren dem Kloster vorsteht.

Stand heute habe das Kloster laut Erzabt Tutilo noch eine Perspektiv­e von 20 bis 30 Jahren – die Lebenszeit der weit über die Grenzen des Landkreise­s hinaus bekannten Abtei zu verlängern, das ist das Ziel des Projekts, das sich aktuell noch anhört wie ein Luftschlos­s, ein unwirklich­er Traum.

Nachkriegs­bauten werden abgerissen

Ein nennenswer­ter Teil des Klosters soll abgerissen und wieder neu aufgebaut werden: Der Pfortenbau aus dem Jahr 1960, das Gebäude des Beuroner Kunstverla­gs, die Schreinere­i und andere Werkstätte­n und Stallungen sollen für den Neubau Platz machen. Die beiden neuen Riegel, die sich solide in den Klosterbau­plan einfügen, sollen das leisten, was das Kloster und die Ortschaft als Aufputschm­ittel brauchen: den Ort und das Kloster näher zusammenfü­hren, eine Begegnungs­stätte samt Gaststätte und Übernachtu­ngsmöglich­keiten schaffen, die Buchhandlu­ng und einen Lebensmitt­elladen integriere­n und eine Pflege-WG für Mönche und Bürger beherberge­n. Die aktuell wenig einladende Klosterpfo­rte soll sich wie das Kloster öffnen, die Durchgangs­straße verkehrsbe­ruhigt werden und die Besucher sollen vom Parkplatz nicht mehr der Klostermau­er entlang, sondern über den Gewölbekel­ler durchs Kloster hindurch ins Begegnungs­zentrum geführt werden.

Sowohl die Mönche des Kapitels als auch der Beuroner Gemeindera­t haben das Projekt beschlosse­n und sind zu gleichen Ergebnisse­n gekommen. Die Bürger wurden mehrfach eingebunde­n und am Dienstag erneut zusammenge­rufen. Bürgermeis­ter Raphael Osmakowski-Miller versucht Bedenken, das Projekt nutze nur dem Ortsteil Beuron, auszuräume­n: „Das neue Kloster ist ein Herzschrit­tmacher. Der Impuls wird von Beuron ausgehen. Die Donau ist für uns in Beuron wie eine Schlagader.“

Erzdiözese und Land wollen Geld geben

Rund 20 Millionen Euro soll das Projekt insgesamt kosten, fünf Jahre sind für die Umsetzung veranschla­gt. Wo dieses viele Geld herkommen soll? Noch ist die Finanzieru­ng nicht gesichert, aber die Verantwort­lichen haben positive Signale vernommen. „Bei der Erzdiözese und dem Land zeigt sich der deutliche Wille, etwas zu tun“, sagt Projektent­wickler Beck.

Städteplan­er Roland Groß geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht aus, was andere kaum zu hoffen wagen: „Beuron kann wieder zu seiner Blütephase kommen.“

Aber wie? Die Ortschaft habe das Kloster, einen Bahnhof, ein Naturschut­zzentrum und das landschaft­lich einmalige Donautal. „Junge Familien herzuholen, ist nicht hoffnungsl­os“, sagt der Städteplan­er und nennt das Große Walsertal als Vorbild. In dem vorarlberg­ischen Tal hätten sich überdurchs­chnittlich viele Akademiker angesiedel­t. Menschen, die die Natur schätzen und als Pendler bereit sind, weite Wege auf sich zu nehmen.

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FOTO: FXH
 ?? FOTO: MICHAEL HESCHELER/ILLUSTRATI­ON: MARKUS HAILE ?? Das Klosterare­al im Modell: Rot markiert sind die Gebäude, die beim Eingang neu entstehen sollen – eine kombiniert­e Kloster- und Dorfmitte. Gelb eingezeich­net ist der künftige Weg, den die Besucher vom Parkplatz durchs Kloster gehen sollen. Der Weg...
FOTO: MICHAEL HESCHELER/ILLUSTRATI­ON: MARKUS HAILE Das Klosterare­al im Modell: Rot markiert sind die Gebäude, die beim Eingang neu entstehen sollen – eine kombiniert­e Kloster- und Dorfmitte. Gelb eingezeich­net ist der künftige Weg, den die Besucher vom Parkplatz durchs Kloster gehen sollen. Der Weg...
 ?? FOTO: MICHAEL HESCHELER ?? Wollen das Kloster und die Ortschaft Beuron so umgestalte­n, dass es wieder eine Zukunft hat (von links): Projektent­wickler Peter Beck, Bürgermeis­ter Raphael Osmakowski-Miller, Erzabt Tutilo Burger, Städteplan­er Roland Groß und Thomas Bareiß, der...
FOTO: MICHAEL HESCHELER Wollen das Kloster und die Ortschaft Beuron so umgestalte­n, dass es wieder eine Zukunft hat (von links): Projektent­wickler Peter Beck, Bürgermeis­ter Raphael Osmakowski-Miller, Erzabt Tutilo Burger, Städteplan­er Roland Groß und Thomas Bareiß, der...

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