Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Eigentlich fehlt nur das „Seepferdchen“
Sven Leitmann, neuer hauptamtlicher Trainer, will den Schwimmsport in Bad Saulgau weiterbringen
BAD SAULGAU - Sven Leitmann ist der neue hauptamtliche Cheftrainer der Schwimmer des TSV Bad Saulgau. Der 44-Jährige hat das Zepter von Dieter Eisele übernommen. Leitmann, der aus Vaihingen/Enz stammt und seine Wurzeln in Berlin hat, zeichnet für die Leistungsgruppe verantwortlich. Außerdem soll er die Zusammenarbeit mit den Schulen forcieren, um das Schwimmen in Bad Saulgau auf eine breitere Basis zu stellen. Der Vertrag läuft zunächst über ein Wettkampf- bzw. Schuljahr, bis zum Sommer 2018.
Sven Leitmann ist ein Mensch, der eine Gelegenheit gerne beim Schopf packt. Das war schon so, als er den ersten Kontakten zum Wasser knüpfte, als Kleinkind auf dem Arm des Onkels oder des Großvaters im Spanien-Urlaub und am Gardasee. „Wasser ist mein Element“, merkte der gebürtige Berliner - die gesamte Familie war einst von Berlin nach Baden-Württemberg übergesiedelt schnell. Tiefer in die Materie stieg der Junge - wieder war der Opa an seiner Seite - bei einem gemeinsamen Schwimmbadbesuch in Vaihingen/Enz ein, als er eine Trainingsgruppe der Schwimmabteilung mit Kindern beobachtete. Der Opa, in der Meinung sein Enkel erlange über den „Schwimmkurs“die Berechtigung das „Seepferdchen“, das erste Schwimmabzeichen, an der Badehose zu tragen (derweil bereitete sich der kleine Junge auf eine Schwimmkarriere vor) fragte immer: „Wann kriegst du jetzt endlich dein Seepferdchen?“Doch der junge Sven lernte schnell, qualifizierte sich im Handumdrehen für eine Meisterschaft und holte Silber. „Der Trainer hat dann zu mir und auch zu Opa gesagt: Das Seepferdchen? Das brauchst du jetzt nicht mehr.“Leitmann lacht und versprüht noch immer den typischen Berliner Charme, trotz vier Jahrzehnten im „Exil“.
Starke Dynamik in Bad Saulgau
Das mit dem Seepferdchen ist etwas mehr als vier Jahrzehnte her. Und fast scheint es so, als spüre Sven Leitmann derzeit wieder die Aufbruchstimmung von damals. Das ist ihm anzumerken, wenn er jetzt, in einem Bad Saulgauer Café sitzend, über seinen Neuanfang im Oberschwäbischen spricht, wo er - nach einigen Stationen in halb Deutschland - inzwischen gelandet ist. Von Beginn an seien die Gespräche mit den Bad Saulgauern harmonisch gewesen. „Das hatte von Beginn an eine starke Dynamik. Ich denke, dass ich hier keine Schwierigkeiten habe, meine Vorhaben umzusetzen, auch weil mit Abteilungsleiter Tobias Frey jemand in der Verantwortung ist, der A-Trainer ist und eine entsprechende Vergangenheit hat“, sagt Leitmann, der glaubt in Bad Saulgau offene Türen einzurennen.
„Natürlich möchte ich an den alten Erfolgen ansetzen. Bad Saulgau hat schließlich einen guten Ruf und tolle Schwimmer hervorgebracht. Ich möchte neue Impulse setzen, aber ich will auch helfen, Grundlagen zu schaffen“, sagt Leitmann.
Leitmann selbst schwamm bis zu seinem 16. Lebensjahr im Leistungsbereich, übt sich aber in Understatement. „Nicht mit dem heutigen Leistungsschwimmen“, sei das zu vergleichen gewesen. „Viel basierte auf Zufällen.“Versuch und Irrtum. Bis er seine erste Einheit als Übungsleiter übernahm. Langsam wuchsen die Aufgaben. Zunächst Riegenführer, dann Ausbilder einer Fördergruppe und schließlich - vier Jahre lang - als Cheftrainer, noch im „Nebenjob“.
Denn eigentlich war Leitmann im Hauptberuf Werkzeugmacher. Seine „freie“Zeit verbrachte er in der Schwimmhalle oder damit, Trainingspläne zu schreiben, parallel absolvierte er - Ende der Neunzigerjahre - eine Ausbildung zum Schwimmmeister. Doch irgendwann war in Vaihingen das Ende der Fahnenstange erreicht. „Man wollte uns nicht mehr Wasserzeit geben“, erinnert sich Leitmann. Nicht das letzte Mal, dass ihm Steine in den Weg gelegt wurden.
Zurück nach Vaihingen/Enz
Über die Station Markgröningen während dieser Zeit absolvierte er seine Ausbildung zur C- und B-Lizenz („Zeitgleich, ausnahmsweise hat mir das der Verband ermöglicht)“, kam er im Jahr 2005 nach Bietigheim, fand dort als hauptamtlicher Trainer „eine große Aufgabe“und das Talent Annika Bruhn, später Olympiastarterin in London 2012 und in Rio 2016 und 2015 bei der WM in Kasan im DSV-Aufgebot. Als der Verein in Richtung Breitensport wollte, wechselte Leitmann zur SSG Rödermark/Hessen (Landkreis Offenbach), später nach Heilbronn.
Doch bereits 2010 ging er dorthin zurück, wo alles begonnen hatte, nach Vaihingen/Enz. „In Heilbronn habe ich festgestellt, dass die Ziele dort nicht meine waren.“In den kommenden fünf Jahren entwickelte Leitmann in Vaihingen eine Fördergruppe, führte unter anderem Sina Grausam zu den „Süddeutschen“. Doch wieder bremste ein Verein Leitmanns Tatendrang aus. Dazu erlitt er einen privaten Schicksalsschlag.
Es folgte eine Auszeit, eine Reise, kurzzeitig der Gedanke auszusteigen, ehe eine günstige Gelegenheit auf ihn wartete. Die Stieftochter, selbst in der Ausbildung zur Schwimmtrainerin, fragte nach Rat, weckte die alte Leidenschaft. Leitmann bewarb sich in Gera, wurde dort hauptamtlicher Trainer und sah sich zu Beginn 2017 einem wahren Mammutprojekt gegenüber. Er brachte im Rahmen der Kooperation mit 38 Kindergärten Anfängern das Schwimmen bei, eine Grundlage, die ihm auch beim Vorhaben in Bad Saulgau zugute kommt. Außerdem führte er die Kinder einer Aufbaugruppe dem Stützpunkt Erfurt zu.
Ähnlich ist auch der Plan in Bad Saulgau, den Tobias Frey und Co. hegen. Und so denkt auch Leitmann längst weiter als bis zu den württembergischen Meisterschaften im kommenden Jahr, im Sommer 2018, wenn sein derzeitiger Vertrag endet. „Natürlich hoffe ich auf ein längerfristiges Engagement“, sagt Leitmann, der seinen Lebensmittelpunkt nach Bad Saulgau verlegt hat.
Denn derzeit unterstützt Leitmann schon - gemeinsam mit den Sportlehrern - in einer Kooperation Schule/Verein den Schwimmunterricht an der Berta-Hummelschule und an der Grundschule in Renhardsweiler. Dies soll in einer zweiten Stufe auf eine Kooperation mit den Klassen 5 bis 7 des Schulverbundes und des Gymnasiums Bad Saulgau und in einer dritten Stufe auf die Kindergärten ausgedehnt werden. „Die Finanzierung ist bis nächstes Jahr gesichert, auch deshalb läuft der Vertrag für ein Jahr“, sagte Abteilungsleiter Tobias Frey jüngst der „Schwäbischen Zeitung“. Jetzt muss „nur“noch das ausgearbeitete Finanzierungsmodell der Abteilung greifen, das Leitmanns Stelle dauerhaft finanziell sichert.