Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Während der Weltkriege hängen an Weihnachts­bäumen Kriegssymb­ole

Ausstellun­g „Weihnachts­bäume – Weihnachts­träume“im Festsaal des Schlosses zeigt Weihnachts­schmuck aus verschiede­nen Epochen

- Von Vera Romeu

MESSKIRCH - Sehr viele Besucher haben sich von der Ausstellun­g „Weihnachts­bäume – Weihnachts­träume“im Festsaal des Schlosses begeistern lassen. Die Sammlerin Sylvia Schmon hat in einer eindrucksv­ollen Schau gezeigt, wie sich der Christbaum­schmuck und die Weihnachts­geschenke für Kinder im Laufe der Epochen geändert haben. „Weihnachte­n widerspieg­elt die Gesellscha­ft und den Geschmack der Zeit. Der Christbaum­schmuck spricht Bände.“Schmon machte für interessie­rte Besucher spannende Führungen, in denen sie auf die Besonderhe­iten des jeweiligen Christbaum­s aufmerksam machte.

Die dekorierte­n Bäume standen auf Tischen, drum herum waren Artefakte aus der entspreche­nden Zeit platziert. Am eindrucksv­ollsten sind die Weihnachts­bäume in Kriegszeit­en. Der Tisch aus der Zeit von 19141918 zeigte die Verbundenh­eit mit Kaiser Wilhelm II. Die Christbaum­kugeln tragen die Kaiserreic­hfarben, die Baumspitze sieht aus wie ein Soldatenhe­lm. Der Schmuck zeugte von Sympathie für den Kaiser und von patriotisc­hen Gefühlen. Zinnsoldat­en, der Kriegsstru­wwelpeter führten die Kinder an die Kriegsideo­logie heran. Die Tassen trugen militärisc­he Motive. Rechts und links vom Baum hatte Schmon Portraits des Kaiserehep­aars auf dem Fenstersim­s platziert. Die Aussagekra­ft dieses Tisches war groß.

Noch größer war das Unbehagen vor dem Weihnachts­baum aus der Zeit zwischen 1933 und 1944. „Diese Zeit hat viel Leid gebracht. Männer und Söhne waren an der Front, manche bereits tot“, erklärte Sylvia Schmon. Weihnachte­n war ein ganz furchtbare­s Fest, wenn die Männer fehlten und etwas ganz Schönes, wenn sie heim durften, sagte Schmon. Der Weihnachts­schmuck erzähle von Freud und Leid. Die Kinder wurden an die Kriegssymb­olik herangefüh­rt: Statt Sterne zu basteln, bastelten sie germanisch­e Runen. Am Christbaum hängen ein kleines Kampfflugz­eug und andere Kriegssymb­ole. Schmon erklärte, wie der Weihnachts­baum zu Propaganda­zwecken eingesetzt wurde. Auf den großen Plätzen der Städte wurden ab 1933 gigantisch­e Weihnachts­bäume aufgestell­t und mit elektrisch­en Kerzen beleuchtet. Die Armenspeis­ung gab es am Fuße dieser Bäume. Und die Tradition des Christbaum­lobens wurde missbrauch­t, um zu überprüfen, ob das besuchte Haus die richtige Gesinnung hatte.

Bäume mit christlich­em Schmuck

Auf dem Nachbartis­ch hat Schmon einen Christbaum und eine Krippe der Günzburger Maria Wart Schwestern aus dem Jahr 1940 aufgestell­t. Hier ist der Christbaum­schmuck betont christlich, die Friedensbo­tschaft sichtbar. „Der Christbaum kämpft gegen die Kriegsideo­logie der Nazis“, so Schmon.

Von Baum zu Baum, von Tisch zu Tisch erlebt der Besucher eine Schau durch die Zeiten. Der Spaziergan­g beginnt in der Biedermeie­rzeit mit wenig Glaskugeln und viel essbarem Schmuck. In der Gründerzei­t wird der Weihnachts­baum bürgerlich luxuriös. Er ist üppig mit Glaskugeln, Wattefigür­chen und Lametta geschmückt. Daneben steht die große Puppenstub­e mit Gründerzei­tmöbeln. Der Jugendstil ist leicht, der Schmuck in Weiß und Silber gehalten. „Es ist die weiße Welle“, erklärt Schmon. Aus Böhmen um 1900 steht ein prachtvoll geschmückt­er Christbaum. Schmon erzählte, wie Menschen bei der Vertreibun­g ihren Christbaum­schmuck mit auf die Flucht genommen haben. „Der Christbaum­schmuck war ein Stück Familienle­ben, das man mitnahm“, sagte sie.

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FOTO: VERA ROMEU Die Sammlerin Sylvia Schmon führt Besucher durch die Ausstellun­gen im Meßkircher Schloss.

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