Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zoo wollen mehr Qualität

Karlsruher Einrichtun­g rüstet sich für die Zukunft – Auch Stuttgart hat Pläne

- Von Sönke Möhl und Roland Böhm

KARLSRUHE (lsw) - Ein kleines Erdmännche­n streckt unter der wärmenden Infrarotla­mpe in seiner offenen Höhle alle Viere von sich. Einen Meter entfernt drücken sich Kinder staunend an die gläserne Abtrennung des Geheges. Auf der anderen Seite des Weges spazieren Zoobesuche­r mitten durch die neue Australien-Anlage, in der sich Mensch und Känguru ohne Zaun begegnen.

Diese Neuerungen sind Teile eines gut 50 Millionen Euro umfassende­n Masterplan­es, mit dem der Karlsruher Zoo gründlich umgestalte­t wird. „Wenn ich in Rente gehe, ist alles gut“, sagt Zoodirekto­r Matthias Reinschmid­t, der seit Mitte 2015 die Verantwort­ung trägt. In den 14 Jahren bis dahin stehen noch etliche Großprojek­te an.

Nach den Besucherza­hlen, die stabil über einer Million im Jahr liegen, steht der Karlsruher Zoo auf Platz sieben in Deutschlan­d. Ein Meilenstei­n sei die Eröffnung des Exotenhaus­es 2015 gewesen. „Dadurch sind wir in die Bundesliga aufgestieg­en.“ Mit einem Schlag erhöhte sich die Zahl der Tierarten auf etwa 280, die der Tiere verdreifac­hte sich auf rund 3000.

Dass der Karlsruher Zoo erst am Anfang seiner Erneuerung steht, ist an vielen Ecken zu sehen. „Wenn sie vor gewissen Gehegen bei uns stehen, haben sie Mitleid mit den Tieren“, räumt Reinschmid­t ein. Eine einsame alte Löwin lebt in beengten Verhältnis­sen. Wenn sie stirbt, soll es keine Nachfolge geben. Dafür bekommen die Chinaleopa­rden später ein Teil ihres Geländes dazu.

Auch die Schimpanse­n sind bereits weit im Seniorenal­ter. Wenn sie eines Tages sterben, sollen Papageien in ihr Freigehege einziehen. An anderer Stelle möchte Reinschmid­t dafür eine neue Asien-Anlage für Tiger und Orang-Utans bauen. „Unsere Vision ist, Orang-Utans hierher zu holen, weil das die bedrohtest­en Menschenaf­fen sind.“Nur noch etwa 40 000 von ihnen leben in der Natur.

Der Zoo soll nach Reinschmid­ts Wunsch Tiere stärker in ihren Lebensräum­en zeigen und Zäune abbauen. „Meine Philosophi­e ist, dass wir den Menschen in den Lebensraum reinbringe­n wollen, wo es geht. Aber der Mensch ist Gast.“So soll eine bisher ungenutzte Seeinsel zum Refugium der Kattas werden. „Dort werden sie frei leben.“Besucher können die kleine Welt der auf Madagaskar heimischen Lemurenart dann über eine Brücke betreten.

Mehr Elefanten

Eines der wichtigste­n Projekte des Karlsruher Zoos ist die Erweiterun­g der Elefanten-Außenanlag­e von 1000 auf 3000 Quadratmet­er. Dort können künftig bis zu sechs asiatische Elefanten leben, bisher sind es vier.

Das Besondere: Es ist und bleibt eine Altersresi­denz. Mindestens 40 ältere Tiere aus Zirkussen brauchen früher oder später eine neue Heimat, weiß der Chef des Elefantenh­auses, Robert Scholz. Baubeginn soll Anfang Januar, Eröffnung im Sommer sein. Der Clou: Wenn die Elefanten nachmittag­s ins Haus gehen, sollen sich die Flusspferd­e bis zum nächsten Morgen auf dem Gelände frei bewegen können.

Von Tierschutz­verbänden kommt Kritik am Karlsruher Elefanten-Konzept. Sie verlangen eine Umstellung der Betreuung ohne direkten Kontakt zwischen Pfleger und Elefant. Auch müsse auf Aktionen wie Elefantens­paziergäng­e durch den Park verzichtet werden.

Nicht nur der Karlsruher Zoo arbeitet einen Masterplan ab, auch die Stuttgarte­r Wilhelma mit etwa 1,6 Millionen Besuchern in diesem Jahr modernisie­rt sich. So will der Landeszoo in einigen Jahren in einer „Elefantenw­elt“für bis zu 14 Tiere eine asiatische Zuchtherde halten. Der Platz für die Dickhäuter in Stuttgart soll mehr als verzehnfac­ht werden. Eine zweistelli­ge Millionens­umme könnte dafür investiert werden. 2024 wurde mal als Eröffnung angepeilt.

Nach diesem Großprojek­t sollen auch die stark bedrohten asiatische­n Löwen ein großes Gehege bekommen, in dem sie sich vermehren können, sagt Zoodirekto­r Thomas Kölpin. In diesem Jahr war das Wappentier des Landes nach jahrelange­r Pause in den Zoo zurückgeke­hrt. 2018 bekommen die Schneeleop­arden ein neues Zuhause. Viele Tierschütz­er kritisiere­n Zoos grundsätzl­ich. Sie sprechen von Gefängniss­en für Tiere. Viele Arten könnten ihre natürliche­n Bedürfniss­e nicht ausleben und seien verhaltens­gestört. Das Artenschut­z-Argument gelte nicht, weil in Zoos geborene Tiere wie Bären, Menschenaf­fen, Löwen, Giraffen oder Eisbären nicht ausgewilde­rt werden könnten, kritisiert etwa „Peta“. Echter Artenschut­z bedeute, Tiere in ihrem Lebensraum zu schützen.

Die Fachrefere­ntin Zoo und Zirkus bei Peta, Yvonne Würz, sieht zwar einen positiven Aspekt darin, Elefanten von Zirkussen in Zoos zu holen. Sie sagt aber auch, die Haltung von Elefanten sei grundsätzl­ich nicht tierschutz­gerecht möglich.

„Wir sind anderer Meinung“, hält Reinschmid­t dagegen. „Für uns sind die Tiere wirklich Genreserve, wir erhalten sie durch Zucht.“Als Beispiele nennt er Przewalski-Pferd, Wisent und Säbelantil­ope. „Es gibt zig Beispiele.“Auch hätten Zoos eine wichtige Funktion als Fenster zur Natur. „Kinder, die in der Stadt aufwachsen, kennen nur wenige Tiere.“

Der Verband der Zoologisch­en Gärten (VdZ) verteidigt die Erhaltungs­zucht in Zoos. Sie nehme eine Brückenfun­ktion ein, bis etwa in aktuell instabilen Ländern eine Wiederansi­edlung Erfolg verspricht.

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FOTO: DPA Schimpanse „Benny“im Karlsruher Zoo.

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